Jungbestandspflege von Fichten-Naturverjüngungen auf Sturmflächen

Im Land Baden-Württemberg sind infolge des Orkans "Lothar" am 26. Dezember 1999 rund 36.500 Hektar Sturmflächen angefallen. Davon war fast die Hälfte der Flächen ausreichend mit natürlich angekommener Verjüngung ausgestattet, während ein Drittel durch Pflanzung in Bestockung gebracht werden musste (Revision Wiederbewaldung 2003). Knapp die Hälfte dieser Flächen ist mit Nadelholz und hier wiederum ein Großteil mit Fichte bestockt. Diese Bestände haben die in der Richtlinie zur Jungbestandspflege (1997) vorgegebenen Oberhöhen von 2 m für den ersten Eingriff zwischenzeitlich meist erreicht oder gar schon überschritten. Strittig ist nach wie vor die Frage, wie intensiv angesichts der großen Flächen und der hohen anfallenden Kosten die anstehenden Pflegemaßnahmen durchgeführt werden müssen?

Fünf Versuchsanlagen

Zur Klärung der Frage nach den Auswirkungen unterschiedlich intensiver Pflege auf Zuwachs, Qualität und vor allem Stabilität solcher Fichtenjungwüchse wurden seit dem Winter 2002/2003 fünf Versuchsanlagen in den ehemaligen Forstbezirken Rottenburg, Pfullendorf, Enzklösterle, Oberkochen und Altensteig angelegt (eine weitere Versuchsanlage in Ebnat ist für Ende 2008/ Frühjahr 2009 geplant). In allen Fällen wurden die drei Standardvarianten Nullfeld (kein Eingriff), Auskesselung (~200 Fichten/ha im Radius von 2,5 Meter) sowie Schematische Reduktion (auf 1.000 bis 1.500 N/ha mit Abständen von ~2,5 x 3,5 m) angelegt. In Rottenburg und Pfullendorf gibt es darüber hinaus noch eine Variante der Schematischen Reduktion mit Baumzahlen von 2.500 bzw. 2.200 N/ha, die am ehesten noch der forstamtsüblichen Jungbestandspflege vor 1997 entspricht. In Altensteig wurde im Frühsommer 2008 ebenfalls eine vierte Pflegevariante mit schematischer Halbierung der Baumzahl durch motormanuellen Gassenschnitt eingerichtet.

Methodik und Erhebungsdaten

Es ist vorgesehen, die Flächen zukünftig in regelmäßigen Abständen bis zum Eintritt in die Durchforstungsphase (Oberhöhe 12 bis 15 Meter) aufzunehmen und in ihrer Entwicklung zu verfolgen. Zur Klärung der oben genannten Fragestellungen sollen neben den Daten der Erstaufnahme wie Baumzahlen vor und nach dem Eingriff, Durchmessern, Höhen und h/d-Werten, zusätzliche Parameter wie Baumzahlentwicklung, Mortalität, Einwuchs bis zur Erstdurchforstung sowie Kronenansätze und Aststärken bei der ersten Durchforstung herangezogen werden. Monetäre (Aufwand, Nutzen, Ertrag) und arbeitstechnische (Bestandeshöhe, Notwendigkeit einer zusätzlichen motormanuellen Pflege) Aspekte sollen am Rande beleuchtet werden.

Aufbau der Versuchsflächen

Bei den Versuchsflächen handelt es sich um fichtendominierte Bestände mit geringen Beimischungen von Birke, Weißtanne, Kiefer, Buche sowie sonstiger Laub- und Nadelbäume. Die Baumzahlen vor dem Eingriff lagen zwischen 36.000 und 131.000, im Mittel bei 79.000 Individuen je Hektar. Bezüglich der Bäume über 1,3 Meter Höhe waren es immer noch zwischen 19.000 und 73.000, im Mittel 44.000 Bäume je Hektar. Die Pflege fand bei einer mittleren Höhe von rund 2 Metern, einer Oberhöhe von 4,5 Metern und einem Alter von 15 bis 24 Jahren statt. Die h/d-Werte des Mittelstammes zum Zeitpunkt des Pflegeeingriffs lagen im Durchschnitt aller Flächen zwischen 110 und 193, im Mittel bei 140.

Erste Trendanalysen möglich

Bei den drei Versuchsanlagen in Rottenburg, Pfullendorf und Enzklösterle konnte in den Jahren 2006/2007 die ersten Wiederholungsaufnahme 4 bzw. 5 Jahre nach der Jungbestandspflege durchgeführt werden. Hierdurch ergaben sich Möglichkeiten erster Trendanalysen, die im Folgenden vorgestellt werden:

  • Der jährliche Höhenzuwachs (66-69 cm) der 100 bzw. 200 stärksten Bäum je Hektar (d100+200) ist bei den Varianten "Nullfläche", "Auskesselung" und "Schematische Reduktion" mit erhöhter Baumzahl (2.200 - 2.500 N/ha) annähernd gleich. Lediglich die Zentralbäume der Auskesselungsvariante sowie die 100 bzw. 200 stärksten Bäume der Standardvariante zur Schematischen Reduktion (1.000 - 1.500 N/ha) zeigen etwas geringere Höhenzuwächse (61 bzw. 58 cm). Vgl. Diagramm 1 (links).
  • Beim Durchmesserzuwachs weisen die herrschenden Bäume (d100+200) des Nullfeldes gefolgt von denen der Auskesselung die geringsten Werte (0,8 bzw. 1,0 cm pro Jahr) auf, auch die Zentralbäume haben einen Zuwachs von nur 0,9 cm pro Jahr. Dagegen liegen die Werte bei den beiden Schematischen Reduktionen zwischen 1,2 und 1,3 cm. Vgl. Diagramm 2 (mitte).
  • Der h/d-Wert im Herrschenden (d100+200) hat sich bei der Nullvariante um lediglich 1 Punkt pro Jahr verringert. In den Auskesselungsfeldern liegt die Abnahme sowohl im Herrschenden wie auch bei den Zentralbäumen bereits bei 2 Punkten. In den beiden Schematischen Reduktionen hingegen hat sich der h/d-Wert in den ersten 4 bis 5 Jahren nach der Pflege bereits um 4 bis 5 Punkte je Jahr verringert. Die aktuellen h/d-Werte der Zweitaufnahme im Herrschenden liegen bei 84 (Nullfeld), 81 (Zentralbäume), 76 (Auskesselung d100+200) und 68 (Schematische Reduktion). Vgl. Diagramm 3 (rechts).

Wie erwartet, steigen mit zunehmend intensiver Pflege von der Nullfläche über die Auskesselung bis zur Schematischen Reduktion die Durchmesserzuwächse an und die Stabilität wird gefestigt. Dieser Trend ist im Bereich des Mittelstammes noch deutlicher ausgeprägt als im Herrschenden. Die weitere Entwicklung sowie das Ausmaß der Unterschiede bis zur Erstdurchforstung bleibt abzuwarten und sollen Inhalt einer ausführlicheren künftigen Auswertung sein.

 

Diagramme 1-3: links: Ø jährlicher Höhenzuwachs, mitte: Ø jährlicher Durchmesserzuwachs, rechts: Ø jährlicher h/d-Wert. (zum Vergrößern bitte anklicken)