Um die Artreinheit von Schwarzpappeln festzustellen, untersuchten Mitarbeiter der Forschungsanstalt WSL in Zusammenarbeit mit Wissenschaflern der ETH Zürich mehr als tausend Pappel-Proben.

In der Schweiz wird viel zum Schutz der verbliebenen Auen und zur Revitalisierung kanalisierter Flussabschnitte unternommen. Das Thur-Rhone-Projekt oder der Auenschutzpark im Kanton Aargau sind aktuelle Beispiele für Versuche, wieder mehr lebendige, authentische Auenlandschaft zu ermöglichen. Deshalb soll die einheimische Schwarzpappel (Abb. 1) als eigentlicher Charakterbaum der Auen gezielt gefördert werden.

Doch hier stehen die Verantwortlichen in der Praxis vor einem Problem: Es ist bekannt, dass unsere einheimische Schwarzpappel aufgrund ihres Aussehens nicht immer eindeutig von angepflanzten Hybridpappeln unterschieden werden kann. Für die Bereitstellung von geeignetem Pflanzmaterial bei Flussrevitalisierungen und für den Schutz der noch verbliebenen Schwarzpappeln ist es jedoch unabdingbar, dass die Artzugehörigkeit zweifelsfrei feststeht.

An der Forschungsanstalt WSL wird eine Methode verwendet, mit der man mit wenigen Milligramm Holz innerhalb weiniger Tage eindeutig feststellen kann, ob es sich um eine reine Schwarzpappel handelt oder nicht. Wie funktioniert das?

Molekulargenetische Artbestimmung

  • 1) Erbsubstanz gewinnen und vervielfältigen
    Nach dem Sammeln von Holzproben durch das SEBA-Feldteam isolieren wir im Labor die Erbsubstanz (DNA), das Ausgangsmaterial für den Identitätstest der zu untersuchenden Bäume. Das Erbgut von Schwarzpappel und Hybridpappel ist zwar sehr ähnlich, aber nicht identisch. Diejenigen Bereiche, welche verschieden sind, können wir zur Artabgrenzung verwenden. Da wir nur diese speziellen Abschnitte der Erbsubstanz für die Artbestimmung benötigen, lassen wir diese ausgewählten Bereiche durch eine biochemische Reaktion (Polymerase-Ketten-Reaktion, abgekürzt PCR; siehe Kasten) millionenfach kopieren. Wir betrachten also nicht mehr das ganze Erbgut, sondern nur kleine, bekannte Teilstücke.

Die Polymerase-Ketten-Reaktion

Die Polymerase-Ketten-Reaktion (abgekürzt PCR) ist aus der modernen Molekulargenetik nicht mehr wegzudenken. Die möglichen Anwendungsgebiete reichen von der Entschlüsselung des genetischen Codes des Menschen über den Nachweis von Krankheiten bis hin zur Bestimmung des Täters bei Verbrechen. Mit Hilfe der PCR kann die Erbsubstanz (DNA) im Reagenzglas vervielfältigt werden. Das Prinzip ist bestechend einfach: Ein chemisches Molekül, die sogenannte DNA-Polymerase, kopiert ein bestimmtes DNA-Stück. Die beiden Stücke werden wiederum kopiert, so dass nun vier Stücke vorliegen. Diese werden erneut kopiert. Diese Reaktion kann so lange fortgeführt werden, bis Millionen von Kopien vorliegen (Abb. 2).

  • 2) Nächster Schritt: Schneiden
    Als nächstes geben wir zu unseren DNA-Stücken ein Molekül, das eine bestimmte Abfolge des genetischen Codes in der DNA erkennt und diese dort schneidet. Da bei der Hybridpappel diese Stelle vorhanden ist, zerfällt sie in zwei Teile. Bei der reinen Schwarzpappel dagegen fehlt genau diese Stelle und das Molekül kann die DNA nicht entzwei schneiden, sie bleibt ganz. Das menschliche Auge kann diesen Unterschied nicht erkennen, für uns sehen beide Proben genau gleich aus, nämlich klare Flüssigkeiten in kleinen Röhrchen.
  • 3) Es wird spannend: Sichtbarmachen der DNA-Abschnitte
    Zum Schluss der Laborarbeit soll aus der durchsichtigen Flüssigkeit ein sichtbares Bild werden. Dazu wird die Flüssigkeit in ein Trägergel geladen und elektrische Spannung angelegt. Grosse Stücke kommen im Trägergel weniger schnell vorwärts, was zu einer Auftrennung der DNA-Stücke nach ihrer Grösse führt. Das ist der Trick an der Sache! Ein spezieller Farbstoff, der nur an DNA bindet, macht unter ultraviolettem Licht das entstandene Muster sichtbar.
  • 4) Des Rätsels Lösung: Interpretation der Bandenmuster
    Abbildung 3 zeigt, wie ein solches gefärbtes Gel aussehen kann. Jede vertikale Bahn zeigt ein Individuum. Gelesen wird von oben nach unten. Eine Bande weiter oben stellt also ein längeres DNA-Stück dar als eine Bande weiter unten. Ganz links und ganz rechts sieht man einen Standard, welcher die Grösse der DNA-Stückchen angibt. Die geschnittenen Stücke, also dort, wo in einer Bahn zwei Banden sichtbar sind, stammen von Bäumen, die keine Schwarzpappeln sind. Die grossen, nicht geschnittenen Stücke, auf dem Bild mit nur einer Bande, stammen hingegen von echten Schwarzpappeln.

Bedeutung und Anwendung in der Praxis

Bevor die hier vorgestellte Methode im grossen Umfang angewandt wurde, führte die WSL einen Blindtest durch. Eine externe Person sammelte dazu Winterknospen von 79 Bäumen verschiedener bekannter Pappelarten und Hybriden und unser Genetik-Labor untersuchte, welche Proben reine Schwarzpappeln waren. Alle Bäume wurden richtig zugeordnet, die molekulargenetische Methode ist also eine geeignete Methode, um Schwarzpappeln zu identifizieren.

Im Rahmen des SEBA Teilprojektes zur Schwarzpappel (SEBA-POP) an der ETH in Zürich testete die WSL seither mehr als eintausend Pappelproben auf Artreinheit. Dank dieser grossen Stichprobe lässt sich die Anzahl der in der Schweiz vorkommenden Schwarzpappeln heute besser hochrechnen als zuvor. Das Ergebnis: Erfreulicherweise sind diese Charakterbäume der Auen in der Schweiz häufiger als bislang angenommen (Schwab 2005).

Das SEBA-Team beprobte nicht nur ganz typisch aussehende Schwarzpappeln mit so auffälligen Merkmalen wie beispielsweise Maserknollen, sondern auch solche, die den Hybriden sehr ähnlich sahen. Dabei stellte sich heraus, dass manche Bäume vom Äusseren her eher den Hybriden zugeordnet würden, der genetische Test zeigt jedoch, dass es sich um reine Schwarzpappeln handelt. Durch den Vergleich von äusseren Kennzeichen und genetischer Identität konnte das SEBA-Team einen Merkmalskatalog für die Schwarzpappel zusammenstellen. Dieser erleichtert die klare Bestimmung der Schwarzpappel im Feld.

Da die Fundorte der genetisch bestimmten, reinen Schwarzpappeln digitalisiert wurden (Abb. 4), steht jetzt ein grosser Pool an bekannten Bäumen für die Gewinnung von Steckhölzern zur Verfügung. Gerade im Hinblick auf die Anpflanzung von Schwarzpappeln bei Flussrevitalisierungen ist es besonders wichtig, von dieser grossen Auswahl Gebrauch zu machen. Werden hingegen Stecklinge von nur wenigen Schwarzpappeln verwendet, könnte es zu genetischer Verarmung kommen; denn Stecklinge besitzen genau das gleiche Erbgut wie der Baum, von welchem sie stammen.

    Die in diesem Artikel vorgestellte Methode ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Molekulargenetik für die Praxis nützlich ist - in diesem Fall hilft sie, die Schwarzpappel in der Schweiz zu erhalten und sogar zu fördern.

    Was ist genetische Introgression und wie kann sie nachgewiesen werden?

    Die genetische Introgression oder Einkreuzung kann als Spezialfall der Hybridisierung angesehen werden. Wenn sich zwei verschiedene Arten, zum Beispiel die Europäische Schwarzpappel und die Amerikanische Schwarzpappel, miteinander fortpflanzen, entstehen als Nachkommen so genannte Hybriden. Bestäubt Pollen eines solchen Hybriden nun eine Europäische Schwarzpappel, werden die Nachkommen zu drei Vierteln das Erbgut der Europäischen Schwarzpappel und zu einem Viertel das Erbgut der Amerikanischen Pappel besitzen. Solche Bäume können sich wieder in eine Europäische Schwarzpappel einkreuzen. Mit der Zeit hätten viele Europäische Schwarzpappeln einen gewissen Anteil an fremdem Erbgut. Dieser Vorgang, also der Eintrag von Genen von einer Art in eine andere Art, nennt man genetische Introgression.

    Es ist möglich, genetische Introgression nachzuweisen, indem man sowohl nur von der Mutter als auch von beiden Eltern vererbte Merkmale untersucht. Betrachten wir wieder unser Pappelbeispiel: die Frage ist, ob sich Hybridpappeln in unsere einheimische Schwarzpappel einkreuzen oder nicht. Eines von drei in unserem Pappeltest verwendeten DNA-Stücken wird nur über die Mutter vererbt. War die Mutter eines untersuchten Baumes X eine Schwarzpappel, so findet man ein für Schwarzpappeln typisches DNA-Stück in Baum X. Die zwei anderen DNA-Stücke erbt die Nachkommenschaft von beiden Eltern. Wenn nun im Baum X mindestens eines davon für die Schwarzpappel untypisch ist, bedeutet dies, dass er dieses Stück von einem Vorfahren der anderen Pappelart geerbt haben muss. Wir folgern daraus, dass irgendwann eine fremde Pappelart eine Schwarzpappel bestäubt haben muss, mit anderen Worten: es fand genetische Introgression statt. Dieser Fall wurde von uns in der Schweiz jedoch in keinem einzigen Fall gefunden.

    Literatur
    • Dietiker, F. und Jansen, E., (2003): Das Sachprogramm Auenschutzpark Aargau - eine Zwischenbilanz mit Beispielen realisierter Waldprojekte im Freiamt. Schweizerische Zeitschrift für das Forstwesen 154:274-280.
    • Schwab, P., (2005): Im Zweifel für die Angeklagte. Wald und Holz 2:37-38.

     

    (TR)