Seit der Domestikation von Wildpflanzen in der Jungsteinzeit spielt die Pflanzenzüchtung eine bedeutende Rolle für den Menschen. Damals entstand die Auslese- oder Selektionszüchtung: vor allem jene Individuen, welche mit gewünschten Eigenschaften ausgestattet waren, wurden ausgewählt und weitervermehrt.

Im Gegensatz zu landwirtschaftlich genutzten Pflanzen begann die gezielte Selektion und Zucht von Forstpflanzen erst Anfang des 20. Jahrhunderts (s. Abb. 1). Bis heute konzentriert sich die Züchtung im Forstbereich vor allem auf die klassische Form der Selektionszüchtung. Hierbei werden die Elternbäume mit den gewünschten Eigenschaften (Plusbäume) oft aus natürlichen Populationen, zumeist aber aus zugelassenen Saatgutbeständen ausgewählt. Das Saatgut dieser Plusbäume oder ihre klonalen Triebe werden dann direkt zur Begründung von weiteren Beständen sowie Samenplantagen verwendet. Saatgutmaterial aus solchen Samenplantagen gilt bereits als verbessertes Samenmaterial, da es die Eigenschaften der ausgewählten Plusbäume in sich trägt. Allerdings erfolgt die Kombination der Eigenschaften zumeist durch eine offene Bestäubung zwischen den Individuen der Samenplantage. Daher sind die Ergebnisse dieser Kreuzungen schwer steuerbar. Und es braucht noch mehrere Durchgänge von Sämlingstests und neuerlicher Plusbaumauswahl, um tatsächlich verbessertes Saatgut zu erhalten.

Da viele phänotypische Merkmale erst in ausgewachsenen Bäumen sichtbar werden, erfordert eine solche Selektionszüchtung viel Zeit und Geduld, und dauert oft über mehrere Baumgenerationen. Mithilfe neuer Verfahren aus der Molekularbiologie wie zum Beispiel durch markerunterstützte Selektion (MAS=marker assisted selection), lässt sich dieser Züchtungszyklus erheblich verkürzen.

Vererbungslehre als Grundlage der makerunterstützten Selektion

Jede Ausprägung einer Pflanze ist in ihrem Erbgut, der DNS oder DNA (engl.) festgelegt und wird nach bestimmten Regeln an die Nachkommen weitergegeben. Die grundlegenden Mechanismen der Vererbung bestimmter Merkmale wurden von Gregor Mendel beschrieben. Dies war einer der ersten wissenschaftlichen Beweise, dass ein bestimmter Phänotyp (= äussere Erscheinungsform) an einen bestimmten Genotyp (= Kombination der Erbinformation) gekoppelt ist. Dadurch war es möglich, gezielt Neukombinationen von Merkmalen in der Folgegeneration unter Beachtung der sogenannten mendelschen Regeln in der Züchtung umzusetzen. Mit der Erkenntnis über die Rekombination des Erbgutes begründete Mendel die klassische Genetik (Vererbungslehre) und legte den Grundstein zur Kombinations- und Hybridzüchtung, wie sie heute in der Landwirtschaft üblich ist.

Durch die Analyse von bestimmten DNA-Abschnitten (molekulare Marker) ist es möglich auf bestimmte phänotypische Eigenschaften zu schliessen. Dies kann bereits bei jungen Pflanzen erfolgen, ohne auf eine phänotypische Ausprägung im Erwachsenenstadium warten zu müssen. Somit verkürzt sich der züchterische Zeitaufwand der Selektion erheblich (s. Abb. 2). Bereits vor der Kreuzung können geeignete Eltern ausgewählt werden und bald nach der Kreuzung die jungen Keimlinge mit der gewünschten Eigentumskombination mithilfe von molekulargenetischen Methoden bestimmt und ausgewählt werden. Dieser Prozess wird auch als Präzisionszucht bezeichnet.

Molekulare Marker

Ein molekularer Marker ist ein bestimmter DNA-Abschnitt, der in verschiedenen Ausprägungen (= Allelen) auftritt, dessen Ort im Genom (= Gesamtheit des Erbmaterials eines Individuums) bekannt ist und dessen Allele jeweils an eine bestimmte Eigenschaft der Pflanze gekoppelt sind. Die wichtigste Voraussetzung für einen molekularen Marker ist eine starke Verbindung zu einem funktionellen Gen, welches eine phänotypische Ausprägung hervorruft.

Wenn zum Beispiel ein Allel eines Markers immer nur bei besonders trockentoleranten Bäumen auftritt, nicht aber bei trockenheitsempfindlichen, dann ist dieses Allel der molekulare Marker für Trockentoleranz. Die Kopplung bedeutet, dass der molekulare Marker und das Gen, das für die Eigenschaft zuständig ist, im Genom örtlich so nahe beieinanderliegen, dass sie immer gemeinsam vererbt werden. Im Idealfall befindet sich der Marker direkt innerhalb des Gens, sodass er dem Ziel-Gen entspricht. In beiden Fällen ist es möglich, vom Vorhandensein des Ziel-Gens und der damit verbundenen Eigenschaft zu schliessen (s. Abb. 3).

Anwendung molekularer Marker in der Praxis

Obwohl die MAS in der Landwirtschaft schon häufig zur Anwendung kommt, steckt diese bei Forstpflanzen noch in den Anfängen. Die Grundlage der MAS ist das Wissen um die Korrelation einer oder mehrerer DNA-Sequenzvarianten mit einer bestimmten phänotypischen Eigenschaft. Die Schwierigkeit, bei Forstpflanzen solche Korrelationen zu finden, liegt einerseits im Umstand begründet, dass man viele aufeinanderfolgende Generationen aus kontrollierten Kreuzungsversuchen benötigt, um Korrelationen zwischen Markern und einem Phänotyp zu errechnen. Die Ficht z.B. besitzt ein 6mal so grosses Genom wie der Mensch, wobei die Anzahl der Gene ähnlich ist. Es beinhaltet viel Füllmaterial, was das Auffinden von einzelnen Genen oder Markerregionen erschwert. Ausserdem wirken oft mehrere Gene an der phänotypischen Ausprägung zusammen, so z.B. bei der Wuchskraft, Form oder Holzqualität.

Anwendung spart Zeit und Geld

Bei Arten mit bekanntem Genom hilft die genomweite Assoziationsstudie (GWAS = genom-wide association study). Mit Ihr können viele Phänotyp-Marker-Korrelationen charakterisiert werden. Einer der Hauptvorteile dieser GWAS ist die Zeitersparnis, da auch nicht verwandte Individuen grosser Populationen in die Analyse einbezogen werden können und somit langwierige Kreuzungsversuche grösstenteils entfallen.

Heute kann mit der Analyse von gekoppelten molekularen Markern frühzeitig bestimmt werden, ob die aus einer Kreuzung hervorgegangene Jungbäume mit einer bestimmten Eigenschaft ausgestattet sind, die möglicherweise erst im adulten Stadium, also in 20 Jahren oder später, zum Tragen kommt, ohne dass man auf die Ausprägung warten muss.

Kennt man mehrere, mit bestimmten Eigenschaften korrelierte molekulare Marker, kann man die Individuen auf das gleichzeitige Vorhandensein verschiedener Eigenschaften hin überprüfen und somit das Potenzial von MAS nutzen (s. Abb. 3). Nur diejenigen Bäume, die den/die Marker und damit höchstwahrscheinlich auch die gekoppelten Gene mit den gewünschten Eigenschaften aufweisen, werden weiter aufgezogen und vermehrt.

Durch die MAS lässt sich nicht nur der Zeitaufwand, sondern auch der ökonomische Aufwand für die Auswahl derjenigen Bäume mit den gewünschten Eigenschaften deutlich reduzieren. Die Anwendung spart Zeit und Geld, da aufwendige Phänotypisierungen entfallen, die Selektion bereits im Sämlingsstadium erfolgen kann und basierend auf ihrem Genotyp einzelne Individuen mit den gewünschten Eigenschaften ausgewählt und direkt für die weitere Zucht verwendet werden können.

Da die MAS im Forstbereich noch eine sehr junge Methode ist, stellt sie nach wie vor eine grosse Herausforderung dar. Weitere molekulare Marker müssen entschlüsselt werden und die Entschlüsselung gesamter Genome, wie bei Fichte, Eiche oder Pappel bereits erfolgt, trägt weiter zum Verständnis der komplexen genetischen Zusammenhänge bei Forstpflanzen bei. Auf diese Weise wird die wissenschaftliche Grundlage zur Anwendung der MAS im Forstbereich weiter ausgebaut und ihr Weg in die Praxis geebnet.