Aber der Mensch könnte helfen: Erstens über den künstlichen Transfer von forstlichem Vermehrungsgut und zweitens, indem er die Erforschung der genetischen Diversität weiter intensiviert.

Waldbäume können sich über genetische Prozesse wie Migration, Genfluss und natürliche Auslese an neue Bedingungen anpassen. Diese Anpassungsfähigkeit wird bei fast allen Modellen und Szenarien zur Klimaänderung und Baumartenverteilung nicht oder zu wenig berücksichtigt. Die entscheidende Frage ist, wie schnell diese Anpassung ablaufen kann.

Insbesondere zwei wichtige Datenquellen belegen die Fähigkeit der Baumarten, sich an veränderte Bedingungen (auch klimatischer Art) anzupassen:

  • Anbau- und Einbringungsversuche bestätigen, dass ein Transfer von Baumarten über große Strecken möglich ist und in den meisten Fällen zu einer schnellen Differenzierung (Entstehung lokaler Rassen oder Populationen) und damit Anpassung an die neuen Bedingungen führt.
  • Langjährige Herkunftsversuche zeigen, dass die einzelnen Individuen einer Population eine hohe individuelle Plastizität und die Populationen eine große Anpassungsspanne aufweisen. Sie können sowohl auf Veränderungen der Temperatur als auch auf Veränderungen der Niederschläge unterschiedlich reagieren.

Zusätzlich ermöglichen genetische Laboruntersuchungen eine schnelle Bestimmung des Ausmaßes an genetischer Variation innerhalb der und zwischen den Populationen. Auf diese Weise lassen sich Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit in den Erbanlagen erkennen.

Beispiel Douglasie

Die Douglasie wird bei uns seit etwa 120 Jahren angebaut. Dieser Zeitraum bietet die Möglichkeit, abzuschätzen, wie schnell Anpassungsvorgänge ablaufen können, und zeigt gleichzeitig, wie der Anbauerfolg von der Wahl der passenden Herkunft abhängt. Zahlreiche Anbau- und Herkunftsversuche, darunter 24 Flächen in Bayern, belegen, dass sich in Süddeutschland unter den derzeitigen Klimabedingungen die Grüne Douglasie (Pseudotsuga menziesii var. menziesii), d.h. Küstenherkünfte, zum Anbau gut eignet. Demgegenüber wächst die Graue Douglasie (Pseudotsuga menziesii var. glauca) aus dem Inland der USA bei uns weit weniger gut und ist sehr anfällig für die Nadelschütte. Die ältesten Douglasien-Provenienzversuche zeigen die klare Überlegenheit der Grünen Douglasie. Bis zum Alter 80 weist sie mit 1.708 m3/ha eine mehr als doppelt so hohe Gesamtwuchsleistung auf als die beste Herkunft der Grauen Douglasie. Der wirtschaftliche Verlust bei falscher Herkunft ist sehr hoch.

Graue und Grüne Douglasie kann man aber heute mit Hilfe von Laboruntersuchungen eindeutig trennen. In Bayern gibt es Bestände beider Rassen mit hoher, aber auch geringer genetischer Diversität. Ein Teil davon ist zur Saatguternte zugelassen. Derzeit werden alle Douglasien-Erntebestände in Bayern genetisch überprüft. Die Ergebnisse zur Rassenzugehörigkeit und Diversität werden in die Entscheidung zur Aufrechterhaltung oder Aberkennung der Zulassung einfließen. Ziel ist es sicherzustellen, dass mit dem bei uns geernteten Saatgut auch weiterhin leistungsfähige und anpassungsfähige Douglasienpopulationen begründet werden können.

Beispiel Rotbuche

In Mitteleuropa besitzt die Buche (Fagus sylvatica) eine vergleichsweise hohe genetische Variation. Daraus lässt sich ein erhebliches Anpassungspotenzial ableiten. Die genetische Differenzierung, so wie sie mit Genmarkern (=eindeutig identifizierbare DNA-Abschnitte, deren Ort im Erbgut bekannt ist) bestimmt werden kann, ist zwischen Beständen in Mitteleuropa gering. Die heute verfügbaren Genmarker sagen jedoch nichts über Anpassungsfähigkeit aus. Daher müssen solche Feststellungen mit Feldversuchen ergänzt werden. Darin zeigen sich durchaus Unterschiede im Wuchsverhalten und in der phänotypischen (=real vorhandene) Ausprägung der Herkünfte.

So ist z.B. in einem Herkunftsversuch (Alter acht Jahre) im Fichtelgebirge die slowenische Herkunft Postojna Javor wüchsiger als zwei Herkünfte aus Ebrach, nämlich die Schwarzwaldherkunft Urach und die holländische Herkunft Aarnink. Die slowenische Herkunft hat aber deutlich mehr Ausfälle als die Herkünfte aus Ebrach zu verzeichnen (Abb. 2). Isoenzymuntersuchungen am Amt für Waldgenetik (AWG) zeigen, dass sie sich durch eine vergleichsweise hohe genetische Variation und einen hohen Grad an Gemischterbigkeit auszeichnet. Die Ausfälle sind zwar hoch, die überlebenden Pflanzen wachsen dann sehr gut. Der Versuch wird zeigen, ob der hier ablaufende Prozess letztendlich zu einer gut angepassten Population führt.

Beispiel Tanne

Im Gegensatz zur Buche ist die Tanne (Abies alba) eine Baumart mit ausgeprägten genetischen Unterschieden zwischen den Herkünften. So weisen z.B. in Bayern Herkünfte aus dem Frankenwald / Fichtelgebirge eine deutlich geringere genetische Diversität auf als Herkünfte aus dem Alpenraum.

Großräumig unterscheiden sich Herkünfte aus Osteuropa in ihrer genetischen Zusammensetzung deutlich von solchen aus Mitteleuropa. In den Herkunftsversuchen aus Bayern bewähren sich Herkünfte aus Ost- und Südosteuropa (Karpaten, Slowakei, Rumänien) wegen ihrer geringen Ausfälle und ihrer guten Wuchsleistung. Sie kommen aus einem Klima, das kontinentaler ist als unseres, mit wärmeren und trockeneren Sommern und kälteren Wintern. Sie könnten sich bei den erwarteten wärmeren und trockeneren Situationen bei uns durchaus zum Anbau eignen. Ihre genetische Diversität ist höher als die der meisten mitteleuropäischen Tannenherkünfte, d.h. auch ihr Anpassungspotenzial ist positiv zu beurteilen.

Bedeutung der genetischen Diversität

Im Zuge des Klimawandels kommt es nicht nur auf die Wahl der richtigen Baumart an, sondern auch auf die Wahl der richtigen Herkunft. Als "Herkunft" wird eine in einem begrenzten Teil des Verbreitungsgebietes der Art vorkommende Population bezeichnet. Sie ist gekennzeichnet durch eine bestimmte Ausstattung an Genen (Erbanlagen), die sie befähigt, unter bestimmten Umweltbedingungen zu überleben (Angepasstheit). Sie besitzt aber auch die Fähigkeit, sich auf neue Bedingungen einzustellen (Anpassungsfähigkeit), wenn ihre genetische Diversität ausreichend hoch ist. Große und genetisch variable Baumpopulationen werden mit Sicherheit die größten Chancen zum Überleben haben.

Die Situation zur Anpassung beim derzeitigen Klimawandel wird für die Baumarten komplizierter eingeschätzt als die Anpassung nach der letzten Eiszeit. Zum einen gehen die heutigen Klimaänderungen viel schneller vonstatten als damals, zum anderen ist die natürliche Migration in unserer intensiv genutzten und mit verschiedensten Pflanzenarten besetzten Landschaft schwierig. Der Mensch kann hier aber helfend eingreifen, z.B. mit Hilfe des künstlichen Transfers von forstlichem Vermehrungsgut. Er unterstützt und beschleunigt so die natürliche Migration. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Baumarten nicht nur an Temperatur und Niederschlag, sondern auch sehr stark an die Photoperiode (Tageslänge) angepasst sind. Vor allem letztere wird den künstlichen Transfer eingrenzen.

Leider existieren kaum Daten, die den ökonomischen Wert der genetischen Diversität belegen. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit (Waldbesitzer, Politiker, Entscheidungsträger) für die große Rolle der genetischen Diversität bei der Abschwächung der Auswirkungen der Klimaänderung ist daher schwierig, aber dringend notwendig.

Dr. Monika Konnert leitete das Bayerische Amt für Waldgenetik in Teisendorf (AWG).