Wechselwirkungen zwischen Waldbäumen und bestimmten Schadorganismen wie Pilzen oder Insekten sind in vielen Fällen das Ergebnis eines evolutionären Wettrüstens über viele Generationen hinweg. Besonders Pilze besitzen häufig spezifische Angriffsmechanismen, welche von Bäumen mithilfe bestimmter Abwehrmechanismen erwidert werden können. Wie und mit welchem Erfolg kann die Genetik derartige Wirt-Parasit-Beziehungen nutzen, um gegenwärtige Forstschutzprobleme wie z.B. das Eschentriebsterben langfristig in den Griff zu bekommen?

Forstschutzprobleme nehmen weltweit zu. Dazu trägt auch das verstärkte Auftreten von Extremereignissen wie Trockenheit und Hitzewellen bei, welche die natürliche Abwehr von Waldbäumen gegenüber Schadorganismen zusätzlich schwächen. Besonders das Eschentriebsterben, welches derzeit einen erheblichen Teil der europäischen Eschenpopulation bedroht, führt uns vor Augen, wie essentiell genetische Anpassungs- und Erhaltungsmaßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene sind. Anhand von vier prominenten Beispielen (Kastanienrindenkrebs, Eschentriebsterben, Rotfäule und Fichtennadelblasenrost) zeigen wir, welche Möglichkeiten die Waldgenetik bietet, um Probleme im Forstschutz zu lösen.

Kastanienrindenkrebs

Der Kastanienrindenkrebs (Cryphonectria parasitica) ist eine schwerwiegende Pilzerkrankung, welche in Nord-Amerika binnen weniger Jahrzehnte nahezu alle Bestände der Amerikanischen Kastanie vernichtet hat. Interessanterweise gibt es gewisse Parallelen zum Eschentriebsterben, da auch der Kastanienrindenkrebs ursprünglich in Asien beheimatet war und erst nach seiner Einführung in Nord-Amerika als aggressiver Parasit an der Amerikanischen Kastanie auftrat.

Analog zur gegen das Eschentriebsterben resistenten Art Fraxinus mandschurica (Mandschurische Esche) gibt es auch im Falle des Kastanienrindenkrebses eine resistente Schwesterart: die Chinesische Kastanie (Castanea mollissima). Der zunächst naheliegende Ansatz war daher die anfällige Kastanie (C. dentata) mit ihrer resistenten Schwesterart zu kreuzen.

Die aus den Kreuzungen hervorgegangenen Arthybride zeigten zwar die gewünschte Resistenz gegenüber dem Kastanienrindenkrebs, jedoch auch alle anderen – und aus forstlicher Sicht weniger wünschenswerten – Eigenschaften wie z.B. eine schlechtere Wuchsform. Daher wurden die F1-Hybride der 1. Generation in der Folge wieder mit der Amerikanischen Kastanie rückgekreuzt, um den Anteil der Chinesischen Kastanie im Erbgut wieder zu reduzieren.

Dennoch ist rund ein Sechzehntel des Erbgutes der ins Feld ausgebrachten resistenten Kastanien noch immer auf die Chinesische Kastanie zurückzuführen. Obwohl dieser Ansatz eine erhöhte Resistenz erbrachte, ist die lange Zeitdauer der notwendigen Rückkreuzungen nachteilig.

 
Veränderung des Erbgutes als Plan B

Ein zweiter Ansatz, welcher von der American Chestnut Foundation angewandt wurde, um die Amerikanische Kastanie zu retten, gehört zu den sogenannten biotechnologischen und molekulargenetischen Verfahren.

Die grundsätzliche Idee hinter diesem Ansatz ist, dass man Gene, welche für die Resistenz einer Art gegenüber einem Schadorganismus verantwortlich sind, in eine andere Art transferiert. Gelingt dies, so sollte sich die gewünschte Resistenz auch in dem neuen Träger des Gens beobachten lassen. Im Falle der Amerikanischen Kastanie griff man auf ein Gen im Weizen zurück, welches für eine Substanz namens Oxalat-Oxidase kodiert.

Dieses Enzym zerstört – wie der Name bereits vermuten lässt – Oxalsäure, welches die Angriffswaffe vieler Pilze darstellt, wenn sie pflanzliches Gewebe befallen. Die auf diese Weise gentechnisch veränderten Kastanien konnten mithilfe des neu eingebauten Gens tatsächlich den Pilz daran hindern, ihr Gewebe zu infizieren, und zeigten ähnlich hohe Resistenz wie die Chinesische Kastanie.

Die Veränderung des Erbgutes von Organismen durch den Menschen, wie hier gezeigt am Beispiel der Amerikanischen Kastanie, ist in Europa streng reguliert. Dennoch zeigt das obige Beispiel, dass der Einsatz biotechnologischer Ansätze auch im Naturschutz sehr sinnvoll sein kann.

Eschentriebsterben

Das Eschentriebsterben gehört mit Sicherheit zu den derzeit schwerwiegendsten Forstschutzproblemen in Europa. Aus Asien stammend, hat sich der verantwortliche Krankheitserreger Hymenoscyphus fraxineus – das falsche weiße Stengelbecherchen – innerhalb der letzten 20 Jahre rapide über Europa ausgebreitet.

Aber sind alle Eschen gleich anfällig gegenüber dem Eschentriebsterben oder gibt es innerhalb der österreichischen Eschenpopulation widerstandsfähige Individuen, welche für Züchtungsprogramme und Generhaltungsmaßnahmen genutzt werden können?

Im Rahmen des Projektes "Esche in Not", welches seit 2015 am BFW bearbeitet wird, soll genau diese Frage beantwortet werden. Bisher sind 714 feldresistente Eschen, welche von aufmerksamen Bürgerinnen und Bürgern dem BFW gemeldet worden sind, innerhalb der letzten zwei Jahre beerntet und das Saatgut im BFW-Versuchsgarten in Tulln ausgesät worden.

Die entstandenen Nachkommen werden mittels künstlich erzeugtem Infektionsdruck durch das Einbringen infizierter Blattspindeln auf ihre Resistenz gegenüber dem Eschentriebsterben geprüft. Sollten sich einige Eschen dauerhaft als widerstandsfähiger erweisen, so sollen diese makrovegetativ vermehrt werden und für die forstliche Praxis verfügbar sein. Später sollen Erhaltungspopulationen (Samenplantagen) errichtet werden, welche die genetische Vielfalt besser erhalten können als das vegetativ vermehrte Pflanzenmaterial.

Auswahl führt zu Flaschenhalseffekt

Doch welche Aspekte gilt es bei einem derartigen Ansatz zur Rettung der Esche zu beachten? Die Auswahl einer beschränkten Anzahl feldresistenter Bäume (beachte: 714 vs. Gesamtbestand der Esche in Österreich) führt unweigerlich auch zu einer Veränderung des natürlichen Genpools (der sog. "Flaschenhalseffekt").

Daher ist es essentiell, dass ein möglichst großes geographisches Gebiet bei der Samenernte der gemeldeten Eschen abgedeckt wird, um einen möglichst großen Anteil der genetischen Vielfalt einzufangen. Abbildung 4 demonstriert, dass genau dies bei der Auswahl der Eschen durch das BFW berücksichtigt wurde.

Vielversprechende Forschung

Der zweite wesentliche Aspekt ist, dass es für derartige Züchtungsabsichten enorm wichtig ist, eine Schätzung der Erblichkeit der Resistenz gegenüber dem Eschentriebsterben vorzunehmen. Bei hoher Erblichkeit, also einer hohen Wahrscheinlichkeit, dass phänotypische Eigenschaften der Eltern auch in den Nachkommen sichtbar sind, steigt auch der Züchtungserfolg.

Für die Resistenz gegenüber dem Eschentriebsterben sind zumindest die ersten Schätzungen der Erblichkeit aus den BFW-Versuchen sowie aus Versuchen der Universität für Bodenkultur (Dr. Thomas Kirisits, Institut für Forstschutz, Fortspathologie und Forstentomologie) relativ vielversprechend, da die gefundenen hohen Werte für die Erblichkeit der Resistenz auch einen hohen Zuchterfolg erwarten lassen können.

Das Beispiel des Projektes "Esche in Not" zeigt, dass der gewählte Ansatz dann erfolgreich sein wird, sofern eine natürliche Resistenz noch vorhanden ist und damit eine starke Auslese ermöglicht sowie die Erblichkeit gegenüber der Kranheit hoch ist. Aufwändige Rückkreuzungen, wie beispielsweise im Falle der resistenten Arthybride zwischen Amerikanischer und Asiatischer Kastanie, sind zumindest nach heutiger fachlicher Einschätzung nicht notwendig und die Artreinheit der europäischen Esche ist nicht gefährdet.

Rotfäule und Fichtennadelblasenrost

Im Falle zweier weiterer wichtiger Erkrankungen von Waldbäumen soll hier gezeigt werden, welche züchterischen Herausforderungen unter Umständen die Folge sind. Die Rotfäule (Heterobasidion annosum) verursacht in Europa jährliche finanzielle Schäden in Höhe von ca. 800 Millionen Euro.

Zwar konnten Fichten anhand von Experimenten in Norwegen und Schweden identifiziert werden, welche gegenüber dem Rotfäuleerreger weniger anfällig waren (Fossdal et al. 2006; Swedjemark & Karlsson 2007), aber die Erblichkeit der Resistenz war so gering, dass ein klassisches Züchtungsvorhaben zur Bekämpfung der Rotfäule wenig aussichtsreich ist. Inwieweit molekulargenetische Verfahren zukünftig helfen können, bleibt abzuwarten.

Im Falle des Fichtennadelblasenrostes (Chrysomyxa rhododendri) konnte das BFW in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck (Prof. Stefan Mayr, Institut für Botanik) zeigen, dass genetische Unterschiede in der Resistenz gegen Pilzerkrankungen von zahlreichen Gene verursacht werden.

Jedes dieser Gene kontrolliert jedoch nur einen sehr kleinen Teil der Abwehr gegen diese Erkrankung (Ganthaler et al. 2017). Dieses Phänomen wird in der Genetik als Polygenie bezeichnet und stellt Züchter von Waldbäumen ebenfalls vor große Herausforderungen.

Schlussfolgerungen

Genetische Ansätze zur Lösung von Forstschutzproblemen können ein essentielles Werkzeug zur Anpassung unserer Wälder an zukünftige Klimabedingungen und deren Interaktionen mit Krankheitserregern sein. Durch die rapide voranschreitende Weiterentwicklung und Verbesserung molekulargenetischer Verfahren zum Auffinden wertvoller genetischer Variation, welche helfen kann, um zwischen resistenten und nicht-resistenten Waldbäumen zu unterscheiden, könnte auch die Züchtung von Waldbäumen hinsichtlich Widerstandsfähigkeit gegenüber Pathogenen in Zukunft signifikant verbessert werden.

Glossar

  • Biotechnologische Verfahren
  • Verfahren, welche Erkenntnisse aus der Chemie sowie der Biologie zur Anwendung bringen. Der Transfer von Genen von einer Art in eine andere mittels spezieller Bakterien stellt z.B. eine klassische biotechnologische Anwendung dar.
     
  • Erblichkeit
  • Anteil der Variation im Phänotyp, welcher genetisch bedingt ist. Die Erblichkeit schätzt, in welchem Ausmaß Eigenschaften der Eltern an ihre Nachkommen weitergegeben werden. Sie kann Werte zwischen 0 (keine Erblichkeit) und 1 (hohe Erblichkeit) annehmen.
     
  • F1-Hybride
  • Nachkommen der 1. Generation, welche aus der Kreuzung zweier verschiedener Arten entstanden sind.
     
  • Flaschenhalseffekt
  • Unter einem genetischen Flaschenhals versteht man die Veränderung der genetischen zusammensetzung einer Population (z.B. Eschenpopulation in Österreich) nach einer drastischen Reduktion der Individuenzahl. Dadurch gehen seltene Varianten statistisch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit verloren als häufig vorkommende Varianten.
     
  • Gen
  • Träger der Erbinformation, welcher von Generation zu Generation weiter vererbt wird.
     
  • Genotyp
  • Ein Organismus (z.B. ein Baum) in der Gesamtheit seiner Erbanlagen.
     
  • Phänotyp
  • Ein Organismus in der Gesamtheit seines Erscheinungsbildes. Phänotypische Eigenschaften umfassen beispielsweise die Baumhöhe, aber auch alle physiologischen und morphologischen Eigenschaften.
     
  • Polygenie
  • Polygenie bezeichnet ein Phänomen, bei welchem eine phänotypische Ausprägung von sehr vielen Genen mit kleinen Effekten kontrolliert wird.

Literatur