Neben Maßnahmen (wie erhöhter Wald­hygiene) kann die Genetik zur Steigerung der Stabilität der Waldbestände beitragen. Die Art und Weise der Verjüngung und die Wahl des forstlichen Vermehrungsgutes (Herkunft, Beerntungsmodus, Anzuchtbedingungen) sind wichtige Schritte, welche die genetische Vielfalt der Bestände steuern und damit die genetische Angepasstheit und die Anpassungsfähigkeit be­einflussen. Vereinfachend kann festgehalten werden, dass für eine Baumart eine hohe genetische Vielfalt gepaart mit einem hohen Vermögen der Pollen- und Samenverbereitung das Anbaurisiko aus genetischer Sicht mindert.

Klimaeffekte bestimmen die Pflanzenentwicklung in hohem Maße. Das Prinzip, verschiedene Rassen oder Herkünfte an einem Ort oder mehreren Standorten anzupflanzen und so ein geografisches Variationsmuster für die gesamte Baumart abzuleiten, ist schon sehr lange in der Forstwirtschaft bekannt und wird auch heute noch in der Herkunftsforschung angewandt. Aus forstlicher Sicht sind die stark klimageprägten Merkmale Wachstum (wie Höhe, BHD und Austrieb) und Überlebensfähigkeit sehr bedeutsam.

Baumarten weichen in andere Lebensräume aus

Grundsätzlich weisen Waldbaumarten eine sehr große genetische Vielfalt auf und ihre Fähigkeit zur Akklimation ist erstaunlich groß. Selbst ein Transfer über sehr große horizontale Distanzen zeigt, dass viele nicht autochthone Populationen überlebensfähig sind und in Einzelfällen sogar autochthone Populationen in bestimmten Merkmalen übertreffen können. Eingeschränkt gilt dies auch für den vertikalen Transfer, zumindest für einen Höhenrahmen von mehreren hundert Metern.

So reagieren Bäume auf Klimaänderungen

Änderungen des Klimas können dazu führen, dass lokal einzelne Waldbestände nicht mehr existieren können; Die Folge kann ein eingeschränktes Wachstum einzelner Bäume und eine geringere Reproduktion (Samen- und Pollenbildung) sein. Dies ist nur dann vermeidbar, wenn sich die Waldbestände an die sich rasch verändernden Umweltbedingungen an­passen können. In diesem Fall spricht man von Akklimation: Einzelne Bäume passen sich physiologisch an ihre Umwelt an, ohne dass sich ihre genetische Zusammensetzung ändert. Durch das natürliche Ausscheiden wenig angepasster Individuen kann aber auch eine Änderung der genetischen Zusammensetzung der Population über die Zeit erfolgen. Diese Vorgänge sind als Evolution bekannt. Schließlich ist für die Art noch ein Ausweichen in andere Lebensräume (Migration) unter Umständen möglich.

Genetische Angepasstheit erhöhen

Soll aus genetischer Sicht dem Klimawandel begegnet werden, so kann die genetische Angepasstheit der Waldbestände während des Produktionszeitraumes (Umtriebszeit) erhöht werden. Dies setzt Antworten auf folgende Fragen voraus:

  • Was sind die wahrscheinlichsten Klimabedingungen am jeweiligen Standort, integriert über die Umtriebs­zeit?
  • Welche Herkünfte lassen unter den angenommenen Klimabedingungen die höchste Überlebensfähigkeit, Wertschöpfung oder andere wünschenswerte Leistung erwarten? Hierzu sind Ergebnisse aus Anbauversuchen mit verschiedenen Herkünften oder Rassen unter verschiedenen Klimabedingungen unabdingbar.

Anbauversuche notwendig

In Ländern wie beispielsweise Schweden, wo es umfangreiche Feldversuche gab, können Anbauempfehlungen an die forstliche Praxis weitergegeben werden. So kann dort recht genau das Wachstum bei einem Transfer in nördlicher oder südlicher Richtung und bestimmten Temperatursummen prognostiziert werden. Leider sind derartige allgemeine Aussagen für Österreich nicht möglich. Empfehlungen sind nur lokal oder bestenfalls regional verfügbar. Daher wird dem Forstpraktiker empfohlen, sich bei Fragen der Herkunftswahl direkt an das Institut für Genetik zu wenden. Das Genetik-Team des BFW ist auch bei der Beschaffung von geeignetem forstlichem Vermehrungsgut behilflich.

Anpassungsfähigkeit hängt von genetischer Varianz ab

Wenn Prognosen der zu erwartenden Klimabedingungen nicht möglich sind, kann nur die genetische Anpassungsfähigkeit der Bestände erhöht werden. Dies ist direkt von der genetischen Varianz abhängig. Mit zunehmendem Grad der genetischen Angepasstheit einer Population wird die genetische Varianz derselben kleiner. Auf Waldbäume übertragen bedeutet dies, dass die genetische Anpassungsfähigkeit von autochthonen Populationen an der Verbreitungsgrenze (Hochlagen, extreme Standorte) geringer sein wird als in autochthonen Populationen, die unter optimalen Wuchsbedingungen aufwachsen. Eine wichtige Schlussfolgerung daraus: Das Risiko ist angesichts eines Klima­wandels an den Arealgrenzen aus genetischer Sicht erhöht, selbst wenn bekannt ist, dass diese Bestände autochthon sind. Zumindest für Fichte sind aufgrund molekularer Untersuchungen österreichweit Aussagen über die Autochthonie einzelner Bestände möglich.

Richtung und Ausmaß des Klimawandels können für die einzelnen Regionen Österreichs nicht sicher vorhergesagt werden. Daher können die hier vorge­schlagenen Maßnahmen zur Stabilisierung der Waldbestände nur pragmatisch sein.

Naturverjüngung

Wenn sich Bestände natürlich verjüngen können, ist dies ein Anzeichen dafür, dass es der Population aus evolutionärer Sicht gut geht. Entscheidend ist, dass nicht nur das Auflaufen der Verjüngung beurteilt wird. Im Extremfall kann auch eine großflächig aufkommende Naturverjüngung nur von einem Baum abstammen und ist daher genetisch stark eingeengt. Aus genetischer Sicht ist es daher vorteilhaft, wenn die genetische Information des Altbestandes umfassend an die nächste Generation weitergeben wird. Der meist unvermeidbare Polleneinflug aus Nachbarbeständen sollte nicht negativ sein, das heißt die Nachbarbestände sollten vital und qualitativ hochwertig sein. Eine Naturverjüngung in schlecht veranlagten Ausgangsbeständen verursacht zwar geringe Kosten, aber auch hohe Pflege­maßnahmen. Nur im Ausnahmefall wird das wünschenswerte Produkt (hochqualitative Holzpro­duktion bei hoher Bestandessicherheit) erreicht werden können. Folgende Punkte sind zu prüfen:

  1. Abklärung der Autochthonie mittels molekularer Untersuchungen (bisher nur bei Fichte möglich).
  2. Naturverjüngung ausschließlich von Überhältern vermeiden oder zu­mindest mit Kunstverjüngung ergänzen.
  3. Falls es das waldbauliche Verfahren ermöglicht, sollten Bäume unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher sozialer Stellung zur Verjüngung beitragen können.
  4. Nach Möglichkeit sollten Verjüngungszeiträume eher lang als kurz sein.
  5. Pollen- und Samenflug ist wünschenswert, wenn die Nachbarbestände naturverjüngungswürdig sind.
Kunstverjüngung

Die richtige Herkunftswahl hat einen entscheidenden Einfluss auf künstlich verjüngte Bestände.

  1. Die für den Anbauort geeignete Herkunft bzw. Herkünfte klären, gegebenenfalls unter Beratung durch geeignete Institutionen. Forstliches Vermehrungsgut aus dem Ausland kann passen; es sollte aber nicht der meist güns­tigere Preis aus­schlaggebend sein.
  2. Aus genetischer Sicht ist Saat grundsätzlich besser als Pflanzung, da für spätere natürliche und künst­liche Ausleseprozesse hohe Pflanzenzahlen zur Verfügung stehen.
  3. Saatgut von möglichst vielen Saatgutbäumen gewinnen; nach Möglichkeit die Zusatzbezeichnung „erhöhte genetische Vielfalt“ bei Saat- und Pflanzgut beachten.
  4. Saat- bzw. Pflanzgut aus mehreren Beerntungen mischen.
  5. Mosaikartige Kunstverjüngung ("Patchwork"-Pflanzung) durchführen, das heißt beispielsweise abteilungsweise Aufforstungen mit Vermehrungsgut aus unterschiedlichen Höhenstufen verwenden. Wichtig ist aber, dass unbedingt die genauen Angaben über das Vermehrungsgut (Seehöhe, Ort des Saatgutbestandes) in den Operaten festgehalten werden.

Informationsfilm

Waldgenetik: Für die Zukunft unserer Wälder (auf youtube.com)