Die Erzeugung von Brenn- und Industrieholz, die Verkehrssicherung und der Naturschutz lassen sich im Bereich von Waldrändern gut miteinander verknüpfen und tragen zur Mobilisierung der Holzreserven bei.

Waldränder als stille Reserve nutzen

Die enorme Nachfrage nach Energieholz hat in vielen Teilen Nordrhein-Westfalens bereits in der letzten Einschlagssaison zu erheblichen Engpässen geführt. Die bei den üblichen Durchforstungen anfallenden Energieholzsortimente waren schnell verkauft, sodass die Nachfrage vielerorts nicht gedeckt werden konnte.

Abgesehen von den Holzreserven, die im kleineren Privatwald sicherlich noch mobilisiert werden können, sind die Bestände des Staats-, Kommunal- und größeren Privatwaldes in den vergangenen Jahren mit dem Ziel der Qualitätssteigerung meist so stark durchforstet worden, dass die großen Massen geringwertiger Sortimente kaum zur Verfügung stehen werden.

Nutzung von Waldrändern

Verschiedene Bereiche des Waldes, die in den zurückliegenden Jahren meist viel zu sehr vernachlässigt wurden, weil sie nicht kostenneutral gepflegt werden konnten, eröffnen nun nicht nur die Möglichkeiten, Einnahmequellen zu erschließen, sondern auch den Forderungen gemäß Bundeswaldgesetz nach der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion optimal gerecht zu werden.

Ein Ansatzpunkt ist die Pflege der meist stark überbestockten Außen- und Innenränder unserer Wälder, die im großen Ausmaß zur Verfügung stehen und ein enormes Mobilisierungspotenzial darstellen. In der Regel handelt es sich um Bestandesträufe, die aus dicht stehenden Randbäumen mit einseitiger Beastung sowie meist mächtigem Überhang bestehen und obendrein ein hohes Verkehrsrisiko darstellen.

Intakte Waldsäume hingegen sind auf etwa 30 m von einer Kraut- über die Strauch- bis hin zur Baumschicht aufgebaut und sollten bei der Waldbewirtschaftung einen hohen Stellenwert einnehmen. Sie tragen wesentlich zur Einschränkung der Windwurfgefahr bei und gelten zugleich als wertvollste Waldbiotope. Aufgrund ihrer hohen Artenvielfalt dienen diese Biotope vielen licht- und wärmeliebenden Pflanzen- und Tierarten als Rückzugsgebiete, die sowohl in der freien Landschaft als auch in geschlossenen Waldgebieten keinen Lebensraum mehr finden. Nicht zuletzt ist es der Mensch, der von der Vielfalt und Schönheit der Waldränder profitiert.

Vorgehen nach Bestandesalter

Die Umsetzung waldbaulicher Maßnahmen hängt in erster Linie vom Alter und der Exposition der Bestände ab. Auf jeden Fall soll eine möglichst große Vielfalt in der Struktur und Artenzusammensetzung der Pflanzen erreicht werden, die eine ebenso artenreiche Tierwelt nach sich ziehen wird. Die angedachten Varianten der Waldaußen- und Innensaumgestaltungen stellen sich in Abhängigkeit vom Bestandesalter wie folgt dar:

Altbestände liefern pro 100 lfd. m Waldrand etwa 100 fm Derbholz. Die Randbäume werden bis auf einzelne "vollkronige", vitale Einzelstämme entnommen, die auf jeden Fall rundherum freigestellt werden, um ein gesundes Wachstum der Seitenäste zu gewährleisten. Jüngere Zwischenstände werden erhalten und gefördert. Sie sollen die nächste Generation einleiten.

Gleichzeitig wird der Bestockungsgrad (B°) des 15 bis 20 m breiten Saumes auf einen durchschnittlichen B° von 0,3 reduziert. In diesem Bereich können Strauch- und konkurrenzschwache sowie seltene Baumarten Entwicklungsmöglichkeiten finden.

Junge und mittelalte Bestände stellen je nach Alter und Vorrat der Bestände unterschiedlich hohe Holzmassen bereit. Der Bestockungsgrad soll auch hier auf 0,3 herabgesetzt werden, so dass sich die Nutzung pro 100 lfm auf ca. 20 % des Vorrates pro ha beläuft.

Wie in den Altbeständen ist auch in den jungen Beständen eine möglichst frühe Stabilität einzelner Individuen anzustreben. Nach der Auswahl sogenannter "Zukunftsbäume", die einen Mindestabstand von 12 m haben sollten, hat eine rigorose Freistellung zu erfolgen. Auf diese Weise können sich auch hier in den Zwischenräumen natürlich ansamende Baum- und Straucharten etablieren.

Die jungen Bestände sind dann besonders geeignet, wenn Edellaubbaumarten wie Ahorn, Esche, Kirsche oder auch seltene Baumarten wie Elsbeere oder dergleichen vorhanden sind, die dann im sogenannten Lichtwuchsbetrieb in kurzer Umtriebszeit genutzt werden können.

Historische Wirtschaftsform Interessant dürfte auch die Nutzung in der Art historischer Betriebsformen sein. Hierbei wird der Waldrand auf eine Tiefe von etwa 30 m als Mittelwald genutzt, bei dem die "Überhälter" der Wertholzproduktion dienen. In Kombination mit dem auf den Stock zu setzenden Unterstand kann Brennholz erzeugt werden. Die Einzelbäume können somit einen wesentlich höheren Zuwachs erreichen und zur Steigerung des Wirtschaftsergebnisses beitragen. Auch klassische Baumarten der Nieder- und Mittelwaldnutzung wie Eiche, Hainbuche und Linde können so eine Renaissance erfahren und zur ökologischen Vielfalt beitragen. Die mittel- und langfristige Nutzung des Energieholzes an befahrbaren Waldsäumen kann in der Folge mit modernen Erntemaschinen rationalisiert werden.

Multifunktionale Waldwirtschaft

Die zuvor nur beispielhaft genannten Möglichkeiten der Mobilisierung von Holzmassen speziell für die Energie- und Industrieholzvermarktung ergeben für die Praxis ein vielseitiges Betätigungsfeld mit dem die Funktionen, die der Wald zu erfüllen hat, gleichzeitig optimiert werden können. Im Einzelnen sind dies:

  • Die Erfüllung der Nutzfunktion durch Mobilisierung und Vermarktung von Holzmassen als zusätzliche Einnahmequelle.
  • Die Gewährleistung der Verkehrssicherungspflicht, indem die gefährdenden Randbäume, die in der Regel nur einseitig bekront sind und häufige Totastbildungen aufweisen, entnommen werden und mittel- bis langfristig durch das stabile Heranziehen vitaler Einzelbäume ersetzt werden.
  • Die Schutzfunktionen, die der Waldsaum in erster Linie für die Stabilität der anschließenden Bestände darstellt, werden durch eine saumartige Gestaltung des Übergangs zwischen Wald und Offenland in dieser Weise optimal realisiert.
  • Der steigenden Bedeutung der Erholungsfunktion des Waldes wird durch die sich entwickelnde Artenvielfalt – sowohl floristisch als auch faunistisch – in optimaler Form Rechnung getragen.
  • Es dürfte außer Frage stehen, dass die Waldbesitzer mit der derartigen Gestaltung von Waldaußen- und Waldinnensäumen einen ganz wesentlichen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt und somit zum Naturschutz beitragen.
  • Nicht zuletzt wird sich der Erholungssuchende an der ästhetischen Vielfalt der Waldränder erfreuen können.
  • Die ansonsten kostspielige Beseitigung des Überhangs, die aus verschiedenen Gründen gefordert wird, gehört schließlich auch der Vergangenheit an.

Die aufgezeigten Beispiele der Mobilisierung der Holzreserven im Waldrandbereich stellen somit eine Optimierung der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktionen des Waldes dar. Im "Kielwasser" wird dem Naturschutz und der Verkehrssicherung Rechnung getragen. Inwieweit hiefür die Anerkennung von Ökopunkten erreicht werden kann, ist noch zu klären.

Ergebnisse

Ökonomisch

Die Holzerntekosten lagen je nach Schwierigkeitsgrad zwischen 15 und 30 €/Fm. Auf insgesamt 14,4 km wurden 8.214 Fm Holz mobilisiert. Die Gesamteinnahmen betrugen 206 658 €. Im Schnitt fielen pro Kilometer im Modellprojekt 570,46 Fm mit durchschnittlich 25,16 €/Fm an. Dies entspricht dann 14 350 €/km. (Die Holzpreise haben sich seit der Erhebung um 20 % erhöht.) Steigt der Anteil an Stammholz, so ist mit höheren Reinerträgen zu rechnen. Die zu mobilisierende Holzmasse liegt im Schnitt bei 500 Fm/km. Die gesamte Dendromasse ist durch Nutzung der Kronen zur Hackschnitzelgewinnung noch zu steigern. Die Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass die Wertschöpfung hierbei geringer ist als bei der Verwertung als Industrie- oder Stück-Brennholz.

Die Ausschreibung der Maßnahmen mit allen Arbeiten inklusive Verkehrslenkung ist dringend zu empfehlen. Die Spanne bei der Ausschreibung einer Maßnahme auf 6,9 km Waldrandlänge lag zwischen 6.219 und 99.781 €. Zur Bündelung der Verantwortung ist die Vergabe aller Maßnahmen eines Loses an einen Unternehmer zu empfehlen. Die Kosten für die lnitialpflanzung, inklusive Wuchshülle, betragen je nach Baumart 3 bis 5 €/Stück für 1-jährige Sämlinge. Bei Verkehrssicherung und Kontrolle sind statt hoher Ausgaben ordentliche Einnahmen zu verzeichnen. Statt erheblicher Arbeitsbelastungen kommt es zu deutlichen Entlastungen.

Bei der Zusammenstellung sämtlicher Ein- und Ausgaben in zwanzigjähriger Betrachtung lässt sich durch eine dem Mittelwald ähnliche Waldrandgestaltung gegenüber der herkömmlichen Vorgehensweise ein positives Ergebnis von etwa 1 100 € pro Jahr und km Waldrand erzielen. Die Zusammenarbeit mit dem Baulastträger der Verkehrswege (Landesbetrieb Straßen NRW) führt zu weiteren Synergien.

Ökologisch

Seltene Baumarten werden gefördert und ihr Genpool gesichert, die Artenvielfalt wird erheblich erhöht. Durch umfangreiche floristisch-vegetationskundliche sowie faunistische Erhebungen der Landschaftsstation e.V. im Kreis Höxter konnte dokumentiert werden, dass sich sowohl die Arten- wie auch die Individuenzahlen vor allem licht- und wärmeliebender Arten im Zuge der mittelwaldähnlichen Waldrandgestaltung auf allen Modellflächen deutlich erhöhten. Brennholz substituiert fossile Energie. Die Kaskadennutzung des anfallenden Holzes erhöht nicht nur die Einnahmen, sie führt gleichzeitig zu einer Optimierung der Energiebilanz.

Erholungswert

Das Herauspflegen landschaftsprägender Elemente wie besondere Einzelbäume, Felsvorsprünge usw. steigert zusammen mit der Artenvielfalt gleichzeitig den Erholungswert.

Fazit und Resonanz

  • Naturschutz und Verkehrssicherung sind keine Kostenfaktoren mehr, sondern gehen Hand in Hand mit betriebswirtschaftlichem Gewinn.
  • Seltene Baumarten werden gefördert und ihr Genpool gesichert, die Artenvielfalt erhöht.
  • Brennholz substituiert fossile Energieträger.

Auch die Resonanz des Naturschutzes ist positiv. Das Regionalforstamt Hochstift (Bad Driburg) arbeitete gemeinsam mit der Landschaftsstation im Kreis Höxter (Borgentreich) und dem Kooperationspartner, der Gesellschaft für nachwachsende Rohstoffe, an einem von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn finanziell geförderten Modell- und Demonstrationsvorhaben. ln diesem Forschungsprojekt wurde überprüft, ob sich die erwarteten ökologischen Vorteile bestätigen und inwieweit es sich eignet, im Rückgang befindliche Baumarten wie zum Beispiel Elsbeere, Eibe, Wacholder usw. zu fördern.

Das Modell der mittelwaldähnlichen Gestaltung von Waldrändern wurde als eines der innovativsten Umweltprojekte Deutschlands auserwählt und für die Präsentation auf der Woche der Umwelt 2012 ins Schloss Bellevue zur Ausstellung eingeladen. Dies zeigt die Anerkennung dieses interdisziplinären Ansatzes. Der NABU-Bundesverband hat die Grundgedanken in seiner Broschüre "Mehr Naturschutz im Wald" (NABU-Bundesverband 2010) als Praxistipp publiziert.

Im Rahmen des durch das Bundesamt für Naturschutz geförderten Forschungsprojektes "Energiewende und Waldbiodiversität" wurde das Vorhaben im Juli 2014 an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf als Leuchtturm-Projekt ausgezeichnet und der Forst- und Naturschutzpraxis als Best Practice-Beispiel vorgestellt.

Literatur

  • Gockel, Heinz; Grawe, Frank und Burkhard Beinlich (Bearb., 2012): Modell- und Demonstrationsvorhaben im Bereich Biologische Vielfalt "Mittelwaldähnliche Waldrandgestaltung und -nutzung zur Förderung der Nutzholzarten Stiel-Eiche, Trauben-Eiche und Hainbuche sowie seltener Edellaub- und Nadelgehölze wie Elsbeere, Wacholder oder Eibe". Endbericht Projekt.
  • Gockel, Heinz (2012): Ökonomie, Ökologie und Erholungswert im Einklang. Mittelwaldähnliche Waldrandgestaltung. AFZ-DerWald 15/2012: 24-26.