Im Jahr 1955 stellte der Bündner Forstadjunkt Trepp fest, dass sich die Fichtenverjüngung in schmalen Seilschneisen oft gut einstellt. Später entwickelte sich daraus die Idee, den Nachwuchs mit sogenannten "Verjüngungsschlitzen" zu fördern. Zwischen 1992 und 1996 wurden im Forstkreis Ilanz im Bündner Vorderrheintal über 50 solche Schlitze in Schutzwäldern geschlagen. In diesem Beitrag berichten wir über wiederholte Erfolgskontrollen in diesen Verjüngungsschlitzen.

Methodisches Vorgehen

Wie erfolgreich sind schlitzförmige Bestandesöffnungen zur Einleitung der Verjüngung in Gebirgs-Fichtenwäldern? Um diese Frage zu beantworten, erfassten wir mehrmals die Verjüngung innerhalb und ausserhalb der Schlitze. Drei Aufnahmen in den Jahren 2001, 2006und 2011erlauben es, die zeitliche Entwicklung der Fichtenverjüngung (Stammzahl und Grössenklassen) darzustellen. Wir berücksichtigten insgesamt 36 Schlitze in allen drei Erhebungen, denn 15 der ursprünglich 51 erhobenen Schlitze fielen aufgrund von Borkenkäferbefall und Hangrutschungen bis 2011 weg. Die Schlitze liegen an nord- und südexponierten Hängen im Vorderrheintal und wurden in drei Höhenstufen gruppiert:

  • hochmontan: 1300–1599 m ü. M.
  • subalpin: 1600–1729 m ü. M.
  • obersubalpin: 1730–1830 m ü. M.

Die Schlitze sind durchschnittlich 55 m lang (Bereich von 21 bis 114 m) und 16 m breit (7 bis 28 m). Die Erhebungen wurden in drei parallelen Transekten senkrecht zur Längsachse jedes Schlitzes durchgeführt (Abb. 2). Der obere (o) und der untere Transekt (u) sind in zwei Teilabschnitte unterteilt, der mittlere Transekt (m) in vier Abschnitte, wobei zwei davon im angrenzenden Waldbestand liegen. Auf den Transekten erfassten wir sämtliche Verjüngung nach Baumart und Grössenklasse, ausgenommen einjährige Keimlinge. Zusätzlich erhoben wir Schäden wie Verbiss und Schwarzer Schneeschimmel(Herpotrichia juniperi).

Zunahme grosser Fichten-Jungpflanzen

Die Verjüngung in den Schlitzen bestand 2011 zu 72% aus Fichten und zu einem deutlich kleineren Teil aus Vogelbeeren (28%). Tannenverjüngung fehlte vollständig. Diese Baumartenzusammensetzung entspricht etwa der natürlichen Zusammensetzung von Nadelwäldern der subalpinen Stufe und von fichtendominierten Wäldern der hochmontanen Stufe.

Im Mittel kamen in den Schlitzen im Jahr 2001, also 5 bis 9 Jahre nach dem waldbaulichen Eingriff, 8350 Fichten-Jungpflanzen pro ha vor (dies entspricht 0,83 Fichten pro m2, Abb. 3). Die Stammzahl blieb bis 2006 etwa gleich (nicht signifikante Zunahme auf 9970 Fichten pro ha) und sank danach bis ins Jahr 2011 stark und signifikant auf 5030 Pflanzen pro ha. Dabei zeigten sich Unterschiede zwischen grossen und kleinen Verjüngungspflanzen: Die Stammzahl der mindestens 10 cm grossen Pflanzen nahm von 2001 bis 2006 von 1050 pro ha auf 2840 pro ha deutlich zu, um danach bis 2011 stabil zu bleiben. Die Zahl der Fichten unter 10 cm Höhe blieb hingegen von 2001 bis 2006 mit Werten um 7000 pro ha stabil, nahm dann aber bis 2011 auf 2420 pro ha deutlich ab. Als Folge dieser Entwicklung waren die Fichten-Jungpflanzen bei den ersten beiden Erhebungen mehrheitlich kleiner als 10 cm; im Jahr 2011 hingegen waren grosse und kleine Fichten-Jungpflanzen gleich häufig (Abb. 3).

Hohe Mortalität

Die starke Abnahme der unter 10 cm grossen Verjüngung von 2006 bis 2011 kann nur mit einer hohen Mortalität erklärt werden. Eine zusätzliche Erhebung an 284 individuell beobachteten Fichten-Jungpflanzen bestätigte dies: von 2001 bis 2011 starben 85% dieser Pflanzen.

Die Anzahl der kleinen Fichten in den Transekten hätte also auch um etwa 85% abnehmen müssen, ja sogar um mehr, da ja auch viele der anfänglich unter 10 cm grossen Pflanzen bis 2006 und 2011 die Höhe von 10 cm überwuchsen. Dass die Stammzahl der kleinen Fichten von 2001 bis 2006 stabil blieb und sich danach bis 2011 nicht im ähnlichen Ausmass wie bei den individuell beobachteten Pflanzen reduzierte, sondern sich "nur" gut halbierte, bedeutet daher, dass sich viele Fichten neu ansamten. Zwar konnte diese Ansamung die Mortalität nicht kompensieren, es wird jedoch deutlich, dass die Dynamik von Ansamen und Sterben erstaunlich hoch ist.

Die deutliche Abnahme der kleinen Pflanzen kann nicht durch grosse Fichtenpflanzen erklärt werden, welche die Ansamung weiterer Fichten behindern. Eine plausible Erklärung ist hingegen die abnehmende Verjüngungsgunst, denn der Waldboden, der nach dem Schlagen der Schlitze fleckenweise vegetationsfrei war, ist inzwischen dicht von Kräutern, Gräsern, Hochstauden und Kleinsträuchern bewachsen.

Dass die Stammzahl der grösseren Jungpflanzen von 2006 bis 2011 nicht wie in den fünf Jahren zuvor zunahm, überrascht etwas. Wir erwarteten eine kontinuierliche Zunahme von Erhebung zu Erhebung. Anscheinend sterben so viele der über 10 cm grossen Pflanzen, dass der Einwuchs kleinerer Pflanzen diese Mortalität nur gerade kompensiert.

Die Stammzahlunterschiede zwischen den Schlitzen sind sehr gross; 2011 betrugen die minimalen und maximalen Dichtewerte pro Schlitz bei den kleinen Pflanzen (unter 10 cm hoch) zwischen 0 und 173'000 Fichten-Jungpflanzen pro ha, bei den grossen Pflanzen (mindestens 10 cm hoch) zwischen 0 und 40'000 Stück pro ha. Dies relativiert verallgemeinernde Aussagen zum Erfolg der Schlitze.

Die Dichten der mindestens 10 cm grossen Fichten-Jungpflanzen unterschieden sich zwischen den Höhenstufen stark (Abb. 4). Sie waren in Schlitzen der hochmontanen und subalpinen Stufe etwa doppelt so gross wie in solchen der obersubalpinen Stufe.

Sollstammzahlen erst teilweise erreicht

Ott et al. (1997) sowie Bühler (2005) haben Sollstammzahlen für mindestens 10 cm grosse Fichten-Jungpflanzen in Fichten-Gebirgswäldern entwickelt. Sie liegen bei 4000 Stück pro ha für hochmontane Wälder und bei 1800 pro ha für subalpine und obersubalpine Wälder. Rund 15 bis 20 Jahre nach dem Holzschlag sind diese Sollstammzahlen im Durchschnitt der Schlitze in der subalpinen Stufe deutlich und in der obersubalpinen Stufe knapp erreicht, in der hochmontanen Stufe aber verfehlt (Abb. 4). Wenn man die Sollstammzahl auf jeden Schlitz anwendet, ergibt sich folgendes Bild: In der hochmontanen Stufe erreichen 4 von 11 Schlitzen, in der subalpinen Stufe 7 von 10 und in der obersubalpinen Stufe 6 von 15 Schlitzen die Sollstammzahl. Die Sollstammzahlen werden also insgesamt in 17 von 36 Fällen erreicht.

Wildverbiss setzt der Verjüngung zu

Die Fichten sind in Schlitzen am Nordhang signifikant häufiger verbissen als in solchen am Südhang. Der im Jahr 2011 am Nordhang festgestellte Anteil von 15% Pflanzen, die während des Jahres vor der Erhebung verbissen wurden, ist zwar wegen methodischer Unterschiede nicht direkt mit einer Verbissintensität von 15% gleichzusetzen, liegt aber doch über dem kritischen Wert von 12%. Vor allem die 10 bis 39 cm hohen Pflanzen waren im Jahr 2011 mit 21% verbissenen Pflanzen stark betroffen. Am Südhang ist Schneeschimmel die häufigste Schadensursache. Der Verbiss dürfte dazu beitragen, dass die Stammzahl der mindestens 10 cm grossen Fichtenpflanzen nicht stärker ansteigt, sondern stagniert (Abb. 3).

Verjüngung in Schlitzen zahlreicher

Einen klaren Einfluss auf die Dichte der Fichtenverjüngung hat die Beschirmung. Unter Schirm, also im Altbestand, der an den Schlitz angrenzt, wuchsen mit 4200 Pflanzen pro ha signifikant weniger Jungpflanzen als im Schlitz mit 6800 Stück pro ha. Das Schlagen der Schlitze förderte also die Verjüngung stark. Hingegen beeinflussen die Schlitzbreite und die Schlitzrichtung die Stammzahl der Verjüngung zwar teilweise signifikant, aber nur geringfügig. Unsere Daten belegen also nicht, dass die Schlitze unbedingt eine bestimmte Ausrichtung, zum Beispiel an nordexponierten Hängen zur Abendsonne, haben sollten. Man kann daher die Ausrichtung der Schlitze aufgrund der Anforderungen der Holzerntetechnik festlegen.

Dabei ist aber sehr sorgfältig auf stabile Schlitzränder zu achten. In unserer Studie hatten sich insgesamt 30% der Schlitze nach zehn Jahren infolge Borkenkäferbefall und Windwurf erweitert oder mit benachbarten Schlitzen verbunden; am Südhang waren es sogar fast 60%. Diese Entwicklung ist unerwünscht, denn wenn sich die Lücken vergrössern, kann sich die Konkurrenzvegetation stark entwickeln. Zudem ist die Borkenkäferbekämpfung teuer. Teilweise waren die erweiterten Lücken so gross, dass die Schutzwirkung gefährdet ist.

Schlussfolgerungen

Schlitzförmige Bestandesöffnungen sind geeignet, um die Verjüngung der Fichte in höheren Lagen einzuleiten. Die Verjüngungsdichten in den 36 untersuchten Schlitzen sind 15 bis 20 Jahre nach dem Aushauen der Schlitze deutlich grösser als im angrenzenden Altbestand. Die Stammzahl der über 10 cm grossen Jungpflanzen nahm jedoch wider Erwarten in den letzten fünf Jahren nicht mehr zu und die der kleineren sogar ab. Die Ansamung weiterer Jungpflanzen scheint zurückgegangen zu sein, wahrscheinlich weil Konkurrenzvegetation die verjüngungsgünstigen Kleinstandorte besetzt hat. Den etablierten Pflanzen setzen Wildverbiss und Schneeschimmel zu. Die Sollstammzahlen für Fichten-Jungpflanzen waren nach 15 bis 20 Jahren erst in knapp der Hälfte der Schlitze erreicht.

Auf stabile Bestandesränder ist beim Anzeichnen der Schlitze sehr sorgfältig zu achten, denn Zwangsnutzungen sollen minimal bleiben. Die wiederholten Erhebungen zeigen, dass die Dynamik von Ansamung und Mortalität in den Verjüngungen gross ist; man darf daher den Erfolg der Verjüngung nicht zu früh als gesichert oder als gescheitert betrachten. Im Fall der 1992 bis 1996 angelegten Schlitze in der Surselva ist auch nach 15 bis 20 Jahren noch keine abschliessende Beurteilung des Verjüngungserfolgs möglich.

Literatur

  • Bühler, U. (2005). Jungwaldentwicklung als Eingangsgrösse in die Jagdplanung: Erfahrungen aus dem Kanton Graubünden. Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf. Forum für Wissen 2005: 59–65.
  • Ott, E., Frehner, M., Frey, H.-U., Lüscher, P. (1997). Gebirgsnadelwälder: ein praxisorientierter Leitfaden für eine standortgerechte Waldbehandlung. Bern, Haupt Verlag.

(TR)