Das Projekt SicALP beschäftigte sich damit, wie die Bergwälder der nördlichen Kalkalpen auf Klimaextreme und Katastrophenereignisse reagieren und wie ihre vielfältigen Schutzfunktionen langfristig gesichert werden können. Der Fokus lag dabei auf den besonders empfindlichen flachgründigen, südexponierten Kalk- und Dolomitstandorten.

In Altbeständen wurden der Stoffhaushalt und die Reaktion der verschiedenen Baumarten auf Klimaextreme der Vergangenheit (Jahrringanalysen) erforscht, um daraus die Reaktion der Arten auf den fortschreitenden Klimawandel abzuleiten. Auf Katastrophenflächen wurden die Humus- und Nährstoffdynamik sowie der Wiederbewaldungserfolg untersucht, um die Rahmenbedingungen für eine Wiederherstellung der Schutzfunktionen festzustellen. Dazu wurden verschiedene Wiederbewaldungsstrategien getestet und Daten zu Wachstum und Ernährung der Kunst- und Naturverjüngung erhoben (Abb. 1).

Antworten auf vier Fragen

Bei dem Projekt wurden Antworten auf vier zentrale Fragen gesucht:

  • Wie verkraften unterschiedliche Baumarten klimatische Extreme (z.B. Trockenjahre) und welche Folgerungen ergeben sich daraus für die zukünftige Baumarteneignung?
    In bzw. nach Trockenjahren zeigten Fichte, Tanne, Buche, Lärche und Kiefer keine drastischen Zuwachsrückgänge. In tieferen Lagen regierte die Fichte am empfindlichsten. In Höhen über 1.400 m ü. NN wiesen Tanne und Buche in Extremjahren sogar deutlich höhere Zuwächse auf. Diese Baumarten vermehrt zu beteiligen, trägt daher dazu bei, Bergwälder im Klimawandel zu stabilisieren.

  • Gelingt nach großflächigen Störungen der Erhalt der wichtigsten Ökosystemfunktionen (Nährstoffversorgung, Wasserspeicherkapazität) für die folgende Waldgeneration?
    Kalkalpine Standorte besitzen in der Regel einen kritischen Nährstoffhaushalt. Bei fehlender Vorausverjüngung ist nach großflächigen Störungen in den ersten Jahren mit hohen Nährstoffverlusten zu rechnen. Je ungünstiger der Standort und je weniger Vorausverjüngung vorhanden ist, desto schwieriger ist das Nährstoffkapital und die Wasserspeicherkapazität in hohem Umfang für den Folgebestand zu sichern. Auf Humus-Carbonatböden besteht im Extremfall die Gefahr der Verkarstung, womit der Waldstandort und seine Schutzfunktion komplett verloren geht (Abb. 2).

  • Welche Wiederbewaldungsstrategien erscheinen erfolgsversprechend – auch vor dem Hintergrund des Klimawandels?
    Auf Humus-Carbonatböden scheint die Saat aufgrund ungünstiger mikroklimatischer Bedingungen (starkes Aufheizen des dunklen Humus) ungeeignet zu sein. Pflanzung ist dagegen eine erfolgsversprechende Wiederbewaldungsmaßnahme. Pionierbaumarten wie Vogelbeere, Mehlbeere oder Grauerle zeigen wie die Lärche hohe Wachstumsraten im Vergleich zu Fichte, Tanne und Buche. Pioniere helfen die frei werdenden Nährstoffe im Ökosystem zu halten und sind daher unbedingt an der Wiederbewaldung zu beteiligen. Bei allen Baumarten ist für den Pflanzerfolg die sorgfältige Auswahl des Kleinstandortes sehr wichtig.

  • Mit welchen Zeiträumen ist nach großflächigen Störungen bis zur Wiederherstellung der Schutzfunktion (Wasserschutz, Lawinenschutz, …) zu rechnen?
    Selbst bei sofortiger Wiederbestockung durch Vorausverjüngung oder Pflanzung vergehen in Lagen über 1.300 m ü. NN mindestens 20 bis 30 Jahre, bis ein gesicherter Jungbestand Schutzfunktionen übernehmen kann.

Handlungsempfehlungen

Beste Vorsorgestrategie für südseitige Carbonat-Bergmischwälder ist es, eine gemischte Vorausverjüngung rechtzeitig einzuleiten und zu fördern, um gestufte und stabile Bestände zu etablieren. Bei Pflanzungen sollten alle Bergmischwaldbaumarten, besonders aber Pionierbaumarten inklusive Lärche und Kiefer, berücksichtigt werden. Zielbaumarten sind die Baumarten des Bergmischwaldes. Diese sind vital und können klimatische Extremereignisse gut verkraften. Wichtig für die Stabilität ist ein breites Baumartenspektrum einschließlich Vorwaldbaumarten am Standort zu etablieren. Auch in den höheren Lagen sollten Tanne und Buche verstärkt am Bestandsaufbau beteiligt werden.

Humuspflege ist auf kalkalpinen Standorten eine bisher viel zu wenig beachtete Daueraufgabe. Kronenmaterial und Schlagabraum sollten zur Humuspflege flächig im Bestand belassen werden. Nach Katastrophenereignissen sind anfängliche Nährstoffverluste unvermeidlich. Sie können reduziert werden, indem ebenfalls Schlagabraum und möglichst viel Totholz auf der Fläche verbleiben, sofern das aus Waldschutz- und Verkehrssicherungsgründen vertretbar ist. Zusätzlich werden dadurch günstige Kleinstandorte für die natürliche und künstliche Verjüngung geschaffen.

Da es in der Regel Jahrzehnte dauert, bis die neue Waldgeneration Schutzfunktionen übernehmen kann, sind in dieser Zeit temporäre Schutzmaßnahmen sowohl verbauungstechnischer Art als auch zur Sicherung der Verjüngung (Zäunung, Wildbestandsregulierung) von großer Bedeutung.