Die Bayerischen Alpen gehören zu den nördlichen Randalpen, sind ozeanisch geprägt und werden von einer Dolomit- und Kalkstein- sowie der vorgelagerten schmalen Flyschzone gebildet. Höchste Erhebung ist mit 2.962 Metern die Zugspitze im Wettersteingebirge, die tiefste Stelle mit 473 Metern liegt im Saalachtal bei Bad Reichenhall. Da mit der Höhenlage die Vegetationszeit abnimmt, findet sich hier eine Vielfalt an Waldtypen, die von submontanen Laubwaldgesellschaften bis hin zu den hochsubalpinen Lärchen-Zirbenwäldern reichen. Die Bayerischen Alpen sind heute zu rund 52 Prozent bewaldet, das entspricht einer Waldfläche von etwa 250.000 Hektar. Vor Einflussnahme des Menschen waren wohl über 80 Prozent bewaldet.

Anthropogener Einfluss

Die seit nahezu 2.000 Jahren anhaltende menschliche Einflussnahme im Naturwald hat die Baumartenzusammensetzung zugunsten der Fichte und zu Lasten der Buche verändert (Tab. 1). Die "industrielle" Holznutzung bediente sich flächiger Hiebsformen und war eher an Nadel- als an Buchenholz interessiert. Die bäuerliche Waldnutzung entnahm dagegen nur einzelne Stämme, wodurch im Privatwald in der Regel ein stufig ungleichmäßiger Waldaufbau erhalten blieb.

Die Entmischungsprozesse und die Entstehung reiner Fichtenbestände haben verschiedene anthropogene Ursachen, darunter ein großer Holzbedarf, die Kahlflächenwirtschaft, die übermäßige Weidenutzung oder die überhöhten Wildbestände. Den größten Beitrag zur Förderung der Fichte in den letzten Jahrzehnten dürfte das Schalenwild geleistet haben, das die Konkurrenten der Fichte in ihrer Entwicklung deutlich hemmte.

Natürliche Verbreitung

In Tabelle 1 wurde die durchschnittliche Baumartenzusammensetzung des gesamten Waldes in den Bayerischen Alpen errechnet und zeigt nicht die tatsächlichen Mischungsverhältnisse. Vielmehr gibt es im Gebirgswald erhebliche Flächen mit nahezu reinen Fichtenbeständen. Auswertungen aus der Bundeswaldinventur 2 zeigen, dass auf nahezu dreiviertel der Waldfläche in den Bayerischen Alpen Bestände mit führender Fichte stocken, vor allem in den Altersklassen 2 bis 4. Das entspricht dem fünffachen Flächenanteil der natürlich vorkommenden Waldtypen mit führender Fichte, die vor allem ab Höhen von 1.200 Metern über NN zu finden sind (Tab. 2). In tieferen Lagen ist die Fichte von Natur aus zwar noch vertreten, besitzt aber seltener eine vorherrschende Stellung.

Zukünftige Verbreitung

Für den Klimawandel besonders anfällig sind die Alpen. Die Erwärmung fiel in jüngster Zeit ungefähr dreimal so stark aus wie im weltweiten Durchschnitt. Nach einem regionalen Klimamodell ist mit einem Temperaturanstieg von knapp zwei Grad Celsius zu rechnen. Das optimale Großklima der Fichte liegt bei Jahresmitteltemperaturen zwischen 5 °C und 7,5 °C. Für die Fichte würde das bedeuten, dass sie in den subalpinen und hochmontanen Lagen ihre dominierende Stellung behalten könnte (Tab. 2). Allerdings wird sie hier einer stärkeren Konkurrenz durch die klassischen Mischbaumarten des Bergmischwalds, Tanne und Buche, ausgesetzt sein.

Das Waldinformationssystem Nordalpen hat für die häufigsten Baumarten Habitatmodelle berechnet und auf regionalisierte Klimaszenarien (Temperaturanstieg in der Vegetationsperiode von 1,5 °C und 3,2 °C) für das Jahr 2100 angewandt. Daraus lässt sich ableiten, wie sich der Klimawandel auf die Vitalität der Fichte in verschiedenen Waldtypengruppen auswirkt (Tab. 3). Im gesamten montanen Bereich, das heißt auf der Hälfte der Gebirgswaldfläche, wird die Ficht in Zukunft an Vitalität und damit an Flächenpräsenz verlieren. In der subalpinen Stufe könnte ihre Vitalität zunehmen.

Dafür sprechen Jahrringanalysen, die die Zuwachsreaktionen von Baumarten des Bergwalds auf Trockenjahre innerhalb der verschiedenen Höhenstufen untersucht haben. Demnach weist die Fichte in den tieferen Lagen (<1.000 m ü. NN) die verhältnismäßig stärksten Zuwachseinbußen nach Trockenperioden auf. Über 1.400 m ü. NN zeigt sie hingegen überwiegend positive Zuwachsreaktionen. Das heißt also, dass das Hochgebirge das Rückzugsgebiet der Fichte werden kann.

Der Fichtenanteil wird aber künftig nicht nur aufgrund des Klimawandels zurückgehen, sondern auch aufgrund waldbaulicher Maßnahmen. Denn die Wälder im Alpenraum erfüllen in vielen Fällen wichtige Schutzfunktionen – gleichzeitig sind reine Fichtenbestände aber sehr anfällig für Kalamitäten. Obsterste Gebot der Stunde ist daher die Erziehung von Mischbeständen aus Fichten, Tannen und Buchen.

Die Fichte hat es in Zukunft nicht leicht

Werden Fichten aus Hochlagen in Tieflagen gepflanzt, treiben sie in der Regel früher aus als die Tieflagenfichten. Bei einer raschen Erwärmung der Hochlagen, könnte der Effekt möglicherweise auch dort eintreten. Damit wären die Hochlagenfichten einer erhöhten Spätfrostgefahr ausgesetzt – zumindest bis sie sich den veränderten klimatischen Verhältnissen angepasst haben.

Parallel zur nachlassenden Vitalität der Fichte im montanen Bereich, wird die Vitalität des Buchdruckers gestärkt. Er kann im Hochgebirge mittlerweile mehr als eine Generation bilden und zum Primärschädling werden. Sichtbares Zeugnis dafür sind die Borkenkäfernester, die mittlerweile in allen Höhenlagen auftreten können (Abb. 2).

Flachgründige, humusarme Standorte finden sich im montanen, mäßig trockenen Carbonat-Bergmischwald. Das betrifft nicht unerhebliche knapp fünf Prozent der Bayerischen Alpen. Hier hat die Fichtenverjüngung Schwierigkeiten anzukommen. Unter anderem führte Kahlschlagwirtschaft zur Degradation der Böden, es kam zu einem massiven Humusschwund und damit zum Verlust der ernährungsphysiologisch günstigen sauren organischen Auflage. Die Verfügbarkeit der Elemente Phosphor, Kalium und Mangan nahm ab. Eine Mangelversorgung an diesen Nährelementen kann in Fichtenreinbeständen zu starken Schäden führen. Langfristig stabile Schutzwälder mit der Klimaxbaumart Fichte können nur durch den Wiederaufbau des Auflagehumus gelingen. Degradierte Standorte können mit den Pionierbaumarten Lärche und Kiefer aufgeforstet werden, die Fichtennaturverjüngung müsste sich danach wieder von alleine einstellen. Das kann allerdings 30 bis 50 Jahre dauern.

Die Nährelemente Stickstoff und Phosphor sind begrenzend für das Wachstum der Fichte. Aber gerade im mittleren Bereich der Bayerischen Kalkalpen treten mit diesen Nährstoffen unterversorgte Bestände gehäuft auf. Um ein weiteres Absinken der Wuchsleistung zu vermeiden, sollte der Humusvorrat aufgebaut werden – damit daraus künftig Stickstoff und Phosphor mineralisiert werden kann. Die Humuspflege muss auf schwach wuchskräftigen Kalkböden Vorrang vor der Ganzbaumnutzung haben. Die Humuspflege ist von grundsätzlicher Bedeutung für den ganzen Alpenraum, da der Humusschwund vermutlich auch eine Folge des Klimawandels ist; er findet auch auf Flächen statt, die nicht forstlich genutzt wurden.

Auch auf besser nährstoffversorgten Standorten hat die Fichte Probleme in der Verjüngung Fuß zu fassen und sich zu etablieren. Wo die Konkurrenzkraft der Mischbaumarten nicht durch überhöhten Wildverbiss herabgesetzt ist, ist die Fichten- tendenziell der Buchen-, Ahorn- und Tannenverjüngung unterlegen. Durch entsprechende waldbauliche Maßnahmen kann der Fichte hier jederzeit geholfen werden.

Fichte im Lawinenschutzwald

Der allmähliche Rückzug der Fichte aus dem montanen Bereich der Bayerischen Alpen hat langfristig Einfluss auf die Schutzfunktion des Gebirgswaldes vor Lawinen. Lawinenschutz erfüllen immergrüne Nadelwälder besser als winterkahle Laub- und Lärchenwälder, da die Schneeinterzeption in immergrünen Nadelwäldern höher ist: Der herabfallende Schnee aus den Kronen verhindert, dass eine homogene Schneeschicht entsteht; die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schneebrett abgeht, verringert sich. Daher sollte der Anteil von Laubholz oder Lärche in Lawinenschutzwäldern 30 Prozent nicht überschreiten.

Wo sich die Fichte aufgrund klimatischer Änderungen zurückzieht, ist es sinnvoll, um die Lawinenschutzfunktion des Bergwaldes zu erhalten, die klimatolerantere Tanne als immergrüne Nadelbaumart stärker zu beteiligen. Aufgrund der Erwärmung ist zwar zu erwarten, dass der Niederschlag künftig mehr als bisher in Form von Regen als von Schnee fallen wird, das bedeutet jedoch nicht, dass die Lawinengefahr gebannt ist. Extremniederschlagsereignisse mit entsprechenden Lawinenabgängen wird es durchaus weiter geben.

Schlussfolgerungen

Von allen Baumarten des Bergmischwalds wird die Fichte vom Klimawandel am stärksten betroffen sein. In den montanen Bereichen wird sie wohl deutlich abnehmen; hier sollte man bereits heute an Alternativen denken. Am besten könnte wohl die Tanne ihre Rolle einnehmen. In höheren Lagen wird die Fichte ihre Anteile halten.

Eine konsequente Bekämpfung des Borkenkäfers ist nötig, um die Vitalität der Fichte in den Bayerischen Alpen zu stärken. Dringend notwendig ist es auch, dem Bodenhumusverlust entgegenzuwirken bzw. den Humusvorrat möglichst zu steigern – um die Naturverjüngungskräfte der Fichte zu erhalten und zu fördern. Hiebsreste sollten hierfür im Bestand verbleiben, wo es die Vorgaben des Waldschutzes zulassen.

Die Wälder – vor allem verlichtete Bestände auf flachgründigen Standorten – müssen möglichst rasch wieder mit standortgemäßen Baumarten in volle Bestockung gebracht werden. Verjüngung sollte daher ständig flächig vorhanden sein. Dies scheint möglich, sobald die Rahmenbedingungen wie z.B. angepasste Wildbestände stimmen.