Im Zuge der zunehmenden Erschließung und Nutzung des Hochgebirges für Tourismus und als Siedlungsfläche muss sich die Gesellschaft verstärkt dem Schutz vor alpinen Naturgefahren stellen. Teure technische Bauten zum Schutz vor Lawinen und Steinschlag sollen langfristig durch einen stabilen Schutzwald ersetzt werden. Allerdings stellen die Bedingungen des subalpinen Schutzwaldes hohe Anforderungen an die dort lebenden Bäume. Welche Baumarten und genetischen Herkünfte für diese Waldgrenzregionen geeignet sind, wird am Institut für Waldgenetik des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) seit mehreren Jahrzehnten auf Versuchsanbauten untersucht.

Kurze Vegetationszeiten, hohe Schneelagen, geringe Bodenauflagen mit wenig Wasserspeicherkapazität, aber auch hohe Strahlungsintensitäten und stark schwankende Temperaturen in der Vegetationsperiode sind die typischen Bedingungen, denen sich Bäume im subalpinen Schutzwald stellen müssen. Diese ungünstigen Umweltbedingungen beeinflussen nicht nur das Überleben und die Wuchsleistung der Bäume, sondern auch deren Fähigkeit zur Reproduktion und Verjüngung.

Oft sind Bestände an der Waldgrenze gekennzeichnet durch eine geringe Anzahl reproduzierender Bäume und hohe Selbstbefruchtungsraten. Zudem ist die Fähigkeit zur sexuellen Vermehrung herabgesetzt, bei einigen Baumarten treten stattdessen natürliche Klone auf. Dies führt zu einer vergleichsweise geringen genetischen Vielfalt innerhalb und einer hohen Differenzierung zwischen den Baumbeständen. Und obwohl die lokalen Bestände sehr gut an die schwierigen Bedingungen angepasst sind, wird das baumartenspezifische Anpassungspotenzial nur wenig ausgeschöpft.

Am Institut für Waldgenetik des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW) beschäftigt man sich bereits seit einigen Jahrzehnten mit Fragen zur Wahl der richtigen Baumart und der richtigen Herkunft bei Schutzwaldpflanzungen. Bei der Beurteilung von Aufforstungen im Schutzwald sind allerdings andere Kriterien ausschlaggebend als im Wirtschaftswald: Während im Wirtschaftswald die Wuchsleistung (Ertrag) und die Stammqualitäten die wichtigsten Kriterien sind, zählt im Schutzwald vor allem die Stabilität und Überlebensrate der Bäume und damit deren Resistenz gegenüber den extremen Umweltbedingungen.

Allerdings kann aufgrund des sehr langsamen Wachstums an der Waldgrenze auch hier das Höhenwachstum zur Überlebensfrage werden. Denn nur wer schnell wächst, wenig im Wachstum behindert wird und dadurch früher vor Wildverbiss geschützt ist, hat höhere Chancen zu überleben. Immerhin kann der Zeitraum bis zur Sicherung einer Kultur mehrere Jahrzehnte umfassen.

Gastbaumarten für den Schutzwald?

Ein Schwerpunkt bisheriger Untersuchungen war die Prüfung von Gastbaumarten im Hochgebirge. Dabei wurden gezielt Baumarten aus anderen Hochgebirgsregionen getestet. Eine wichtige Baumart europäischer Hochgebirge ist die Mazedonische bzw. Rumelische Kiefer (Pinus peuce). Sie stammt aus den höheren Lagen (800 - 2000m) der Balkangebirge (Albanien, Mazedonien, West-Bulgarien, Griechenland), bildet in ihrer Heimat die obere Waldgrenze und gehört zur Gruppe der fünfnadeligen Kiefern, der auch die heimische Zirbe entstammt.

Weitere geprüfte Arten sind die aus dem westlichen Nordamerika stammende Felsengebirgstanne (Abies lasiocarpa) und die Engelmannfichte (Picea engelmanii). Diese beiden Arten haben ausgedehnte natürliche Verbreitungsgebiete, die sich von New Mexico (USA) bis nach British Columbia (Engelmannfichte) bzw. bis nach Alaska (Felsengebirgstanne) ziehen und dabei in Seehöhen bis zu 3700 m aufsteigen können. Auch diese beiden Arten bilden in ihrer Heimat die oberste Waldgrenze und sind an extreme Bedingungen angepasst, daher sollten sie für den subalpinen Bereich der Alpen geeignet sein.Aufforstungsflächen im Spisser Bannwald auf Seehöhen zwischen 2080 und 2130 m geben Auskunft über die Wuchsleistung dieser Arten im Vergleich zu heimischen Weißkiefern, Spirken und Zirben (Abbildung 1).

Abbildung 1: Vergleich von einheimischen Baumarten und Gastbaumarten in einer Schutzwaldpflanzung im Spisser Bannwald auf ca. 2100 m Seehöhe

Die beste Wuchsleistung in Brusthöhe (BHD) und Höhe zeigt die heimische Weißkiefer, gefolgt von Spirke und Zirbe. Die Mazedonische Kiefer bleibt in der Wuchsleistung zurück, obwohl die Bäume mit 27 Jahren genauso alt sind wie die der Weißkiefer. Die Anpflanzungen der beiden nordamerikanischen Kiefern weisen ebenfalls ein signifikant schlechteres Wachstum als die heimischen Arten auf. Der Umstand, dass diese Pflanzen drei Jahre jünger sind, erklärt die großen und statistisch abgesicherten Unterschiede dennoch nicht.

Bei der Analyse der beobachteten Schäden fällt eigentlich nur die Felsengebirgstanne heraus, bei der über 80 % aller Bäume durch Verbiss oder Ersatzwipfel (als Folge des Verbisses) geschädigt sind. Das führt uns deutlich vor Augen, dass die Problematik "Tanne und Wild" nicht auf die tieferen Lagen beschränkt ist, sondern 1:1 auf die Hochlagen umzusetzen ist. Bei allen anderen Arten liegt der Anteil geschädigter Bäume zwischen 15 und 30 %.

Ein etwas älterer Artenvergleich zwischen Mazedonischer Kiefer und Zirbe im Navistal (2000-2050 m Seehöhe) zeigt ein anderes Bild (Weissenbacher et al. 2012). Bis zum Alter von zehn Jahren waren kaum Unterschiede zwischen den beiden Kiefernarten festzustellen, erst im Alter von 30 Jahren begann die Mazedonische Kiefer der heimischen Zirbe davon zuwachsen. Bei der 44-jährigen Messung erreicht die Zirbe eine mittlere Baumhöhe von 6,50 m, während die Mazedonische Kiefer sich schon einen Vorsprung von 1,70 m erarbeitet hat und im Mittel 8,20 m hoch ist.

Zur Beurteilung von Gastbaumarten im Schutzwald lässt sich zusammenfassend sagen, dass derzeit kein eindeutiger Vorteil gegenüber den einheimischen Baumarten festzustellen ist. Am ehesten scheint die aus den benachbarten Balkangebirgen stammende Mazedonische Kiefer mit unseren Baumarten mithalten zu können. Dabei sollte aber beachtet werden, dass von den amerikanischen Arten nur jeweils eine Herkunft getestet wurde. Betrachtet man das enorme Verbreitungsgebiet dieser Arten, so erscheint es sehr wahrscheinlich, dass andere Herkünfte möglicherweise besser mit den europäischen Verhältnissen zurechtkommen.

Fichtenstecklinge auf 2000 m Seehöhe: Klonunterschiede am wichtigsten

Neben der Erprobung anderer Baumarten steht die Untersuchung der genetischen Variation von einheimischen Arten im Mittelpunkt von Schutzwaldversuchsflächen. So werden seit den späten 1970er Jahren auf dreizehn Prüfflächen vegetativ vermehrte Fichtenstecklinge unterschiedlicher Herkünfte und Höhenstufen untersucht. Die Fragestellungen dieser Versuche sind:

  • Eignet sich die Stecklingsvermehrung als Methode zur Gewinnung von Vermehrungsgut für Schutzwaldprojekte?
  • Welche Fichtenklone und Herkünfte bewähren sich in Hochlagen?

Die erste dieser beiden Fragen kann mittlerweile eindeutig mit JA beantwortet werden, denn zahlreiche Messungen der letzten Jahrzehnte zeigen (u.a. Weißenbacher et al. 2007), dass sich Stecklinge schon nach zehn Jahren kaum von Sämlingen unterscheiden und nach etwa 20 Jahren fast alle Bäume einen aufrechten Wuchs angenommen haben.

Die Beantwortung der zweiten Frage ist dagegen etwas schwieriger: Messungen auf zahlreichen Versuchsflächen und von mehr als 10.000 Einzelpflanzen weisen darauf hin, dass die gut angepassten Herkünfte aus hohen Lagen keineswegs besser abschneiden als Herkünfte aus mittleren und tiefen Lagen. Stattdessen weisen alle Herkünfte große Unterschiede zwischen den Einzelklonen auf.

Im Paznauntal wurde 2012 die mittlere Wuchsleistung der Klone auf der Fläche "Kappl" bestimmt (Abbildung 2).

Ein Vergleich ergab, dass unter den signifikant besser wachsenden Klonen sowohl Hochlagen- als auch Tieflagenklone aus anderen Herkunftsgebieten und Ländern vertreten sind (Abbildung 3).

Das bedeutet, dass die Variation innerhalb der verschiedenen Herkünfte sehr groß ist und innerhalb der meisten Herkünfte auch Klone anzutreffen sind, die unter den schwierigen Umweltbedingungen der subalpinen Waldstufe überleben und wachsen können. Auch die Analyse der hochlagentypischen Schäden, wie Frosttrocknis und Fichtengallenlaus, zeigen keinen Vorteil der höheren Lagen.

Auf den ersten Blick erscheinen diese Ergebnisse unerwartet. Allerdings bestätigen sie auf den zweiten Blick die eingangs aufgezählten Eigenschaften von Beständen an der oberen Waldgrenze: eine geringere genetische Variation und eine geringe Ausnutzung des baumartenspezifischen Anpassungspotenzials. Zur Erzeugung von stabilem, wuchsfreudigem und gut angepasstem Vermehrungsgut für Schutzwaldaufforstungen bietet sich deshalb ein Klongemisch aus verschiedensten Herkünften an. Die Anlage einer Klonhecke mit getestetem Hochlagenpflanzmaterial könnte Saatgutengpässe reduzieren helfen und eine nachhaltige Versorgung mit bewährtem, da bereits getestetem Pflanzmaterial sicherstellen.

Langfristige Beobachtungen im Hinblick auf Klimawandel und Landnutzungsänderung

Die Anlage und langfristige Betreuung von Versuchsflächen im Hochgebirge gestaltet sich weitaus schwieriger als in tieferen Lagen. Wie die beiden oben genannten exemplarischen Ergebnisse zu Gastbaumarten und zur genetischen Vielfalt verschiedener Herkünfte verdeutlichen, gestatten sie jedoch neue und teilweise unerwartete Einblicke in die Anpassungsfähigkeit heimischer und fremdländischer Baumarten. Im Hinblick auf den prognostizierten Klimawandel und die stattfindenden Landnutzungsänderungen im Hochgebirge liefern derartige Untersuchungen wertvolle Hinweise auf alternative Möglichkeiten zur Begründung von Schutzwäldern und deren Sicherung.

Literatur

  • Weißenbacher L., Herz H., Schüler S., Zwerger P. (2007): Fichtenstecklinge - Eine Alternative für Hochlagenaufforstungen. Forstzeitung, Leopoldsdorf, 118(6): 36-38.
  • Weißenbacher, L.; Herz, H.; Zwerger, P. (2012): Fremdländische Baumarten – (k)ein Thema für den Bergwald. Forstzeitung 12: 28 - 30