Wie reagieren Pflanzen auf grosse Kälte?

Die Frosthärte der Pflanzen unterliegt einem annuellen Rhythmus mit einem Minimum im Sommer und einem Maximum im Winterhalbjahr. Abhängig von der Periode der Anpassung liegt die kritische Temperatur bei der Fichte zwischen –5 und –37 °C. Besonders empfindlich sind die frisch ausgetriebenen Assimilationsorgane im Frühling gegenüber Spätfrösten. Auch Frühfröste im Herbst können bei nicht oder ungenügend abgehärteten Pflanzen Schädigungen hervorrufen.

Selbst wenige warme Tage im Winter genügen, um eine stufenweise Enthärtung einzuleiten und Pflanzen gegenüber Kälteeinbrüchen verwundbar zu machen. Der Abhärtungsvorgang ist ein komplizierter biochemischer Prozess, bei dem in den Zellen einerseits der Zuckergehalt zur Erniedrigung des Gefrierpunktes erhöht wird und andererseits Membranen so umgebaut werden, dass sie den tiefen Temperaturen und den damit verbundenen Saugspannungsdefiziten widerstehen können.

Das frostbedingte Symptom der Nadelverrötungen und -verbräunungen ist auffällig. Bei schwachen Schädigungen sind nur die Nadelspitzen des jüngsten und exponiertesten Nadeljahrgangs betroffen. Bei stärkeren Einwirkungen greifen die Verrötungen oder Verbräunungen auf ganze Zweige über, wobei auch ältere Nadeljahrgänge oder gar die ganze Krone betroffen sein können. In der Regel sind die Knospen besser geschützt und daher nicht oder weniger geschädigt als die Nadeln, so dass die Symptome bedrohlicher aussehen als sie wirklich sind.

Frost ist nicht gleich Frost

Je nach Begleitumständen unterscheidet man verschiedene Schädigungsformen durch Frosteinwirkungen:

  • Erfrierungsschäden treten in klaren Frühlings- und Herbstnächten, aber auch im Winter bei tiefen Temperaturen unter der aktuellen Frosthärte der Pflanzen auf.
  • Frostwechselschäden dagegen sind das Resultat mehrfacher schneller Auftau- und Gefriervorgänge, die physiologisch dieselbe Wirkung zur Folge haben wie tiefe Temperaturen.
  • Von Frosttrocknis spricht man dann, wenn die Krone durch Sonneneinstrahlung Wasser verdunstet und der gefrorene Boden das Defizit nicht ausgleichen kann, so dass es zur Austrocknung der Assimilationsorgane kommt.

Gut sichtbare Schadenereignisse etwa alle 10 Jahre

Nadelverrötungen durch Winterfröste traten in den letzten 125 Jahren immer wieder auf und sind in der Literatur gut belegt. Im Durchschnitt muss etwa alle zehn Jahre mit gut sichtbaren Schadenereignissen gerechnet werden. Eines der eindrücklichsten dürfte dasjenige vom Winter 1879/1880 gewesen sein, das von Coaz beschrieben wurde (Coaz 1882, zit. in SCHÖNENBERGER 1988).

Noch in guter Erinnerung bleibt das letzte grössere Ereignis vom Winter 1986/1987 mit Schadenschwerpunkten in der Ost- und in der Zentralschweiz. Damals wurden die Frostschäden durch eine kalte nordöstliche Bodenströmung ausgelöst, die von einer Höhenföhnlage aus dem Südosten überlagert wurde. An der Grenzschicht dieser beiden Luftmassen, auf einer Höhe zwischen 700 und 1100 m ü.M., kam es am 14. Januar 1987 zu mehrfachen und abrupten Temperatursprüngen zwischen –10 und +8 °C. Innerhalb weniger Minuten wurden dabei die Nadeln der Koniferen auf über 0 °C aufgeheizt und ebenso schnell wieder abgekühlt.

Dieser Vorgang führte zu charakteristischen Nadelverrötungen, die sich wie Höhenlinien in der Landschaft bemerkbar machten. Dieses Phänomen ist vor allem aus Nordamerika und Skandinavien unter der Bezeichnung "Red Belts" bekannt (Abb. 2).

Erholung von frostgeschädigten Nadelbaumarten

Nach den starken Wechselfrostschäden vom Winter 1986/1987 erwartete man ein Absterben von zahlreichen Nadelbäumen. Vor allem vollständig verröteten Fichten, Tannen und Föhren attestierte man nur mässige Überlebenschancen. Es wurde ein sekundärer Befall durch verschiedene Borkenkäferarten befürchtet. In einigen Hauptschadengebieten wurden deshalb vorbeugend Zwangsnutzungen getätigt. Oberhalb Goldau und auf der Seebodenalp ob Küssnacht (Kanton Schwyz) verfolgten Wissenschafter der Forschungsanstalt WSL das Verhalten von stark geschädigten Bäumen anhand von Beschreibungen und Fotoserien.

Abb. 3 - Fotoserien von frostgeschädigten Nadelbäumen 1987 bis 1990: Erholungsprozess bei Tanne (Reihe 1) und Fichte (Reihen 2 und 3). Fotos: Beat Forster (WSL)

Auch stark betroffene Nadelbäume erholten sich in den Folgejahren viel besser als erwartet. Nur ganz wenige Bäume starben ab. Am schnellsten erholte sich die Waldföhre, da sie ihre wenigen Nadeljahrgänge am raschesten wieder zu ersetzen vermochte. Bei Fichten und Tannen dauerte die Erholung etwas länger. Abgestorben sind weniger als 5% der Bäume. Meist handelte es sich dabei um unterständige, kurzkronige Bäume, die schon vor dem Frostereignis unter Konkurrenzdruck zu leiden hatten. Einzelne sekundäre Borkenkäferarten wie zum Beispiel der Doppeläugige Fichtenbastkäfer (Polygraphus poligraphus) oder der Kleine Tannenborkenkäfer (Cryphalus abietis) konnten zwar festgestellt werden; die befürchtete Massenvermehrung blieb jedoch aus.

Im Laufe des Jahres 1987 nahm der Schadenaspekt eher noch zu. Bei Föhren und Fichten begannen die roten Nadeln relativ rasch abzufallen, währenddem sie bei der Tanne länger an den Zweigen blieben. Da bei stark geschädigten Bäumen auch die Knospen erfroren waren, mussten die Bäume zuerst Ersatzknospen bilden. Zum Teil trieben diese im Sommer 1987 noch aus, viele warteten damit aber bis im Frühling 1988. In den Folgejahren erholten sich die Bäume kontinuierlich, und die Benadelung wurde wieder dichter.

Frostschäden eher überschätzt

Die Folgen von Frosteinwirkungen werden aufgrund der gut sichtbaren und oft grossräumigen Symptome generell eher überschätzt. Auch stark verrötete Nadelbäume haben gute Aussichten, sich innerhalb weniger Jahre wieder zu erholen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass nicht weitere ungünstige Faktoren wie zum Beispiel ein Befall durch Borkenkäfer auf die durch Frost geschwächten Nadelbäume einwirken.

(TR)