Was werden wir verlieren, wenn die Esche durch das Eschentriebsterben als Waldbaum verloren geht und nur in Einzelexemplaren erhalten werden kann? Gibt es Bestandsaufnahmen ihrer Vielfalt vor dem Krankheitsausbruch? Zum Glück existieren solche Daten aus vergangenen Forschungsprojekten und können mit aktuellen Analysen verglichen werden.

Das EU-geförderte Forschungsprojekt "RAP – Realising Ash' Potential – Das Potential der Esche realisieren" zielte 2001 bis 2005, also knapp vor dem europaweiten Ausbruch der Krankheit, genau darauf ab, auch im Zuge des damaligen "Booms" der Edellaubhölzer, geeignete Herkünfte für den Anbau in verschiedenen Klimazonen Europas zu finden, Züchtungsprogramme zu starten und zu koordinieren, und das vorhandene Material mit genetischen Methoden zu charakterisieren und nachverfolgbar zu machen.

Es wurden einige Ver­suche in Nordwesteuropa angelegt, von denen mittlerweile höchstens noch traurige Reste übergeblieben sind. Immer­hin konnten damals Grundlagen für die Auslese von Individuen soweit koordiniert werden, dass eine Beurteilung der Nachzucht-Würdigkeit nach einheitlichen Kriterien erfolgen könnte.

Was jedoch geblieben ist, sind Daten zur Verteilung und zur genetischen Vielfalt dieser Baumart in Europa, auch aus parallelen nationalen Projekten, die uns ein einigermaßen übersichtliches Bild darüber geben, was das Wesen dieser Baumart in Europa bisher ausgemacht hat. Erhaltungsprogramme, wie sie derzeit in einigen Ländern gestartet werden, haben damit eine Basislinie, auf die sie ihre Bemühungen beziehen können.

Hybridisierung zwischen Gemeiner Esche und Quirlesche

Wie die meisten Laubbaumarten in Europa haben auch die Eschenarten die Eiszeiten im nördlichen Mittelmeerraum überlebt. Es ist noch etwas unklar, wie man sich die ökologische Situation dieser "Refugien" vorstellen soll. Dabei ist zu bedenken, dass die Eiszeiten ausgeprägte Trockenperioden waren, also unseren heutigen Erfahrungen von Wäldern wahrscheinlich nicht so entsprochen haben.

Bei den Eschenarten haben sich - so wie bei anderen nahe verwandten Baumarten - oft Individuen gekreuzt, dass also Hybridisierung und nachfolgende Rückkreuzung statt ge­funden haben muss. Das ist bei Stiel-/ Trauben-Eichen, Silber-/Zitter-/Grau-Pappeln und eben auch bei der Gemeinen Esche (Fraxinus excelsior) und der Quirl­esche (F. angustifolia) eindeutig der Fall gewesen.

Bei den erstgenannten Baumarten ist man mittlerweile auf der Spur der einzelnen Gene, welche die einen in die anderen Arten "mitgenommen" haben. Es ist nämlich sehr plausibel, dass einige solche Gene zum Beispiel aus den Zitterpappeln das Überleben und die Durchsetzungskraft während der Rückwanderung der Silberpappeln (die später in Mitteleuropa angekommen sind) positiv beeinflusst haben.

Ähnliche Phänomene sind ja auch von uns Menschen selbst bekannt, die in Europa Gene aus den Neanderthalern über­nommen haben, wie etwa solche für bessere Anpassung an die Kälte.

Austausch von DNA

Bei den Eschen manifestiert sich das heute in einem gemeinsamen Satz an Chloroplasten-DNA-Varianten. Die DNA dieser "Sonnenkraftwerke" der Blatt-Zellen muss über viele Generationen ausgetauscht worden sein. Das wird am einfachsten durch die gemeinsamen eiszeitlichen Rückzugsgebiete erklärbar, in denen somit völlig andere Verhältnisse geherrscht haben müssen, als wir sie heute von zeitgenössischen Wäldern kennen.

Dass sie dabei auch chromo­somale Gene, etwa solche für An­passungen an verschiedene Umweltbedingungen, ausgetauscht haben müssen, liegt auf der Hand. Dass die Arten dabei nicht völlig ineinander aufgegangen sind, kann nur an natürlichen Selektionsbedingungen gelegen haben, die sie wieder in verschiedene Richtungen "auseinandergezogen" haben.

Baumarten sind genetisch nicht starr, sondern dynamisch

Wir dürfen uns also Baumarten nicht als evolutionär stabile oder gar "starre" Einheiten vorstellen. Im Gegenteil sind sie oft sehr dynamisch in ihrer Zusammensetzung und Anpassungsfähigkeit und können zur Erhöhung der dafür not­wendigen Vielfalt an Genen und Genkombinationen auch mit verwandten Arten zeitweilige "Allianzen" in Form von Hybriden eingehen.

Jedenfalls haben sich die Baumarten im Anschluss an die Eiszeiten in verschiedenen Geschwindigkeiten, teilweise aber sehr rasch wieder nach Norden ausgebreitet. Die Tatsache, dass heute auf der westlichen iberischen Halbinsel und auf den britischen Inseln gleiche Chloroplasten-Typen gefunden werden, jedoch nicht an der französischen Atlantikküste dazwischen, zeigt, dass sich dort die Esche offensichtlich über Küstengebiete ausgebreitet hat, die anschließend durch den Anstieg der Meere permanent überflutet wurden (so wie auch die ehemalige Landbrücke vom europäischen Festland nach Groß­britannien).

In Österreich "westalpine" und "Westbalkan"-Linie vorhanden

Auch die "natürlichen Waldgesellschaften", die wir heute beschreiben, waren dabei keine örtlich oder zeitlich konstanten Einheiten und haben sich zum Teil erst viel später herausgebildet. Man kann auch bei den Eschenarten von annähernd parallelen Rückwanderungs­wegen von Süd nach Nord(-west) aus­gehen, die noch heute in den Chloroplasten-DNA-Varianten ersichtlich sind.

Neben der erwähnten "atlantischen" Linie hat sich eine von den Südwest­alpen ausgehend bis ins westliche Österreich, die Schweiz und Frankreich ausgebreitet, während zwei weitere vom westlichen bzw. östlichen Balkan ausgehend die nord/nordwestlich angrenzenden Gebiete besiedeln konnten. Eschen in Österreich dürften dabei hauptsächlich die "Westbalkan"-Linie aufweisen.

Eine mehr auf die Quirlesche konzentrierte Linie herrscht im mittleren und südlichen Italien vor, strahlt aber auch in die westlichen Quirleschenbestände des pannonischen Beckens, also auch an Österreichs Ostgrenzen, aus. Alle anderen Quirleschen beherbergen jedoch wie gesagt gemeinsame Varianten, die auch in der Gemeinen Esche in den selben Gegenden vorkommen.

Von diesem Grundmuster ausgehend, haben sich zumindest im besser untersuchten Nord- bzw. Westeuropa kaum auffallende geographische Unterschiede herausdifferenziert. Genetische Marker bieten dafür nur wenige Anhaltspunkte, genau wie die im RAP-Projekt ange­legten Herkunftsversuche (die jedoch krankheitsbedingt nicht sehr lange beobachtet werden konnten). Allenfalls konnten kleine Hinweise auf Unterschiede zwischen west- und osteuropäischen Eschen gefunden werden (wobei Österreich hier eine Zwischenstellung einnimmt; Heinze und Fussi 2017).

Es ist auch sehr fraglich, ob sich die oft zitierten Unterschiede zwischen "Kalk-" und "Wassereschen" tatsächlich genetisch manifestieren. Immerhin stellen beispielsweise die "Gipfeleschenwälder" im Wienerwald, die man den Kalkeschen zurechnen würde, lokal durchaus feuchtere Standorte dar (die Esche braucht ausreichende Feuchtigkeit vor allem in den Frühjahrsmonaten).

Viel mehr gibt es Anhaltspunkte dafür, dass genetische Unterschiede hauptsächlich zwischen Individuen und nicht so sehr zwischen Herkünften bestehen, etwa beim Austriebszeitpunkt, bei der Astentwicklung und beim Kronenaufbau. Die gesamte genetische Variation wird – wie bei vergleichbaren Baumarten – als sehr hoch eingeschätzt.

Kontrolle des Saatguts mittels Gen-Marker

Das zeigte sich auch in einer Untersuchung von sechs Saatgut-Erntebe­ständen der frühen 2000er Jahre. Die Esche wird in Österreich vor allem im "sommerwarmen Osten" wirtschaftlich genutzt, und dort befinden bzw. befanden sich auch diese Bestände.

Ziel war es damals herauszufinden, ob die Bestimmungen des Gesetzes über das Forstliche Vermehrungsgut eingehalten werden. Demnach sind bei den Nebenbaumarten wie Esche in einem anerkannten Saatgutbestand mindestens zehn verschiedene Bäume zu beernten, wenn das Saatgut in den freien Handel ("Verkehr") gebracht wird.

Genetische Marker, die "DNA-Fingerabdrücke" erzeugen, sind gut dafür geeignet. Solche Marker (Mikrosatelliten-DNA) wurden in den Samen der Saatgutbestände unter­sucht. Wie erwartet, war das Saatgut durch eine große genetische Vielfalt gekennzeichnet. Ähnlichkeiten zwischen den Beständen bestanden vor allem in der Donauniederung und am Ostrand der Alpen. Mehr "inneralpine" Bestände, in diesem Fall aus Kärnten und den steirisch-niederösterreichischen Kalk­alpen, bildeten eine andere Gruppe (Abbildung 1).

Innerhalb der Bestände konnten in den meisten Fällen genau so viele genetische "Gruppen" gefunden werden, wie es Erntebäume gab; die "Gruppen" entsprachen also genau den Samen jeweils eines Einzelbaumes (nur in einem Fall wäre auch die Interpretation möglich, dass ein Baum zweimal beerntet wurde). Aus den Markern konnte auf die wahrscheinlichen "Fingerabdrücke" der Mutterbäume rückgeschlossen werden, und diese unterschieden sich dementsprechend. Mit diesen Markern steht also ein Instrument zur Verfügung, mit dem die Einhaltung des Gesetzes jederzeit überprüft werden kann (Heinze und Fussi 2017, Abbildung 2).

Zwei der damals bestehenden Saatgutplantagen, Bad Gleichenberg (Steiermark) und Feldkirchen (Oberösterreich), wurden ebenfalls mit diesen Methoden untersucht. Die Bäume für diese Plantagen stammten aus größeren Einzugsgebieten, und das spiegelte sich auch in den Variationsmustern wider. Die genetische Vielfalt der Plantagen war größer als die der Erntebestände, aber geographisch passten sie in das Verteilungsmuster.

Mit der Kombination aus Erntebeständen und Saatgutplantagen war man damals offenbar auf dem richtigen Weg, um die genetische Vielfalt der Esche einerseits zu erhalten, andererseits aber das genetische Potenzial besser auszuschöpfen. Die Bäume für die Saatgutplantage waren in den 1980er Jahren in der Zeit der Waldsterbens-Debatte auf Grund ihrer Vitalität, aber auch wegen besserer Wuchseigenschaften selektiert worden (Fussi et al. 2007).

Wird Erkrankungsanfälligkeit an Nachkommen weitergegeben?

In einer jüngst fertiggestellten Diplom­arbeit am BFW bzw. an der Universität Wien wurde der Zusammenhang zwischen Erkrankungsintensität von Eltern und Nachkommen in zwei Eschenbeständen untersucht. Mit denselben Mikrosatelliten-DNA-Markern wie in obigen Untersuchungen wurden in zwei relativ kleinen und isolierten Beständen in Wien und Niederösterreich Altbäume und Jungwuchs getestet. Aus den genetischen Markern lassen sich Eltern­schaften wie bei "Vaterschaftstests" nachweisen.

Beide Bestände waren ähnlich divers wie die getesteten Saatgutbestände, bis dato scheint also noch keine Einschränkung der gene­tischen Vielfalt stattgefunden zu haben. Allerdings sind in diesen beiden Beständen noch kaum Bäume abge­storben, und sie stellen nur einen kleinen Ausschnitt der Eschen in Österreich gesamt dar.
Obwohl in beiden Fällen einige Nachkommen der Altbäume im Bestand gefunden wurden, war der Zusammenhang der Krankheits-Intensitäten nicht sehr stark.

Es war also nicht unbedingt so, dass gesündere Bäume gesündere Nachkommen produzierten. Dass kann verschiedene Gründe haben. Möglicherweise ist die Schätzung der Krankheitsintensität nicht sehr verlässlich; Jungbäume könnten auch "zufällig" einer Infektion entkommen sein, oder stärker davon betroffen. Denkbar ist aber auch, dass sehr krankheitstolerante Bäume in diesen Beständen nicht vorkamen, weil sie sehr selten sind. Für die Erhaltung der Esche bedeutet das, dass auf lange Sicht doch ein erheblicher Teil der Vielfalt verloren gehen könnte, da tolerante Individuen wahrscheinlich nur vereinzelt auftreten (Wohlmuth, Essl und Heinze 2017).

Auf natürlichem Wege würden sie sich demnach nur sehr langsam durchsetzen. Darauf deuten auch An­zeichen aus den baltischen Staaten, in denen die Krankheit schon gut 20 Jahre präsent ist. Nachkommen dortiger Eschen scheinen im Schnitt etwas weniger anfällig zu sein, obwohl das Waldbild dort ziemlich desillusionierend ist.

Welche Zukunfts-Szenarien lassen sich daraus entwerfen?

Falls tatsächlich dauerhaft tolerante Individuen der Eschenarten (Gemeine Esche und Quirlesche) gefunden werden können, so werden es eventuell regional verschieden große Anzahlen sein, oder sie werden generell nur sehr dünn gesät sein. Damit besteht die realistische Erwartung, dass zukünftige Generationen nur mehr einen Bruchteil der derzeit vorhandenen, durch Marker "mess­baren" genetischen Variation zur Ver­fügung haben werden.

Im Extremfall könnte es soweit kommen, dass die Baumart ähnlich wie der Gingko nur mehr in menschlicher Obhut überlebt, oder zumindest durch einen starken genetischen „Flaschenhals“ geht. Die Konsequenzen müssten in diesem Fall noch nicht unbedingt desaströs sein, wenn die überlebenden Individuen in genetischen Kontakt gebracht werden.

Es gibt auch Beispiele aus der Waldgeschichte, wo sich Baumarten nach einem starken Rückgang wieder erholt haben (wie zum Beispiel die Ulmen in Europa ungefähr zur Zeit des "Ötzi"). Der genetische Austausch mit ver­wandten Baumarten, wie er in der Eiszeit gang und gebe war, könnte einen solchen Prozess beschleunigen und dadurch "nachgestellt" werden, dass vereinzelte Überlebende in künstlichen Beständen zusammengeführt werden, wenn einmal – frühestens in vielen Jahrzehnten – die Krankheit wieder abgeklungen sein wird.

Literatur

  • Fussi, B.; Koziel, A.; Heinze, B. (2008). Selection of seed orchard parents in common ash (Fraxinus excelsior): A genetic comparison of seed orchard composition with commercial seed lots (poster). In: Seed orchards - Proceedings from a conference at Umea, Sweden, September 26-28, 2007 (ed., Dag Lindgren). Umea (ISBN:978-91-85911-28-8) (PDF herunterladen)
  • Heinze, B.; Fussi, B. (2017 im Druck): Pre-disease levels of genetic diversity and differentiation among ash (Fraxinus excelsior L.) seedlots in Austria. Baltic Forestry.
  • Wohlmuth, A.; Essl, F.; Heinze, B. (2017 in Vorbereitung): Genetic inheritance of possible tolerance of Fraxinus excelsior toward ash dieback (Hymenoscyphus fraxineus) in natural ash stands.