Eschenkrankheit in Niederösterreich

Wie schon 2007 berichtet, wird das Eschensterben in Niederösterreich im Rahmen eines von der Niederösterrreichischen Landesregierung geförderten Projektes untersucht (Cech und Hoyer-Tomiczek 2007). Im Mittelpunkt der Arbeiten steht ein Monitoring der Befallsintensität auf 50 Flächen, die über das Bundesland verteilt sind. Vorwiegend wurden Trakte der Österreichischen Waldinventur (ÖWI) mit Eschenbestockung ausgewählt, um die Daten der Waldinventur zur Klärung von Zusammenhängen zwischen Triebsterben und Standortsfaktoren zu nützen.

Einige auffallende Be­ziehungen zu regionalen und standörtlichen Faktoren wurden schon 2007 erwähnt (Cech und Hoyer-Tomiczek 2007). Im vorliegenden Artikel wird auf inzwischen statistisch abgesicherte Relationen einge­gangen und werden weitere Aspekte behandelt.

Methodik

Entsprechend der Verbreitung der Esche in Niederösterreich liegen die Flächen in den Voralpen, im Alpenvorland, Wienerwald, Donautal, Weinviertel, Wechselgebiet und Waldviertel. Die Charakteristik der Flächen umfasst ein breites standörtliches und ökologisches Spektrum:

  • Bestände mit europäischer Esche (Fraxinus excelsior) und schmalblättriger Esche (Fraxinus angustifolia)
  • Naturverjüngungen und Aufforstungen
  • alle Altersklassen
  • geschlossene und lichte Bestände
  • alle Waldgesellschaften mit Esche
  • trockene, feuchte und nasse Standorte
  • Bestände in unmittelbarer Gewässernähe und solche fern von Gewässern sowie
  • alle Relieftypen.

Auf den Probeflächen wurden je 20 Eschen ausgewählt und die Intensität des Triebsterbens sowie eine Reihe weiterer Merkmale für jeden einzelnen Baum erhoben.

Im Frühjahr 2008 erfolgten stichprobenartige Differenzialdiagnosen an gefällten Bäumen sowie phytopathologische Untersuchungen im Wurzelsystem. Dazu wurden bezüglich Kleinstandort, Brusthöhendurch­messer (BHD) sowie sozialer Stellung vergleichbare Bäume mit und ohne Triebsterbenssymptome ("Plus-Minus-Pärchen") ausgewählt. Nach einer Differenzialdiagnose des Stammes und der Krone wurden die
Wurzelsysteme mit Feuerwehrschläuchen frei gespritzt.

Ergebnisse und Diskussion

Krankheitsverbreitung

Die Häufigkeit der Symptome auf den Monitoring­flächen liefert Hinweise auf die Verbreitung des Zurücksterbens der Eschen. Die die Symptome des Triebsterbens waren auf fast allen Flächen vorhanden. Nur auf drei Flächen (zwei im Auwaldgebiet der Donau, eine im Wienerwald) wurden keine Symptome des Triebsterbens festgestellt. Alle drei waren ge­schlossene Altbestände mit über 80 % Eschenanteil.

Krankheitsintensität

Die Intensität des Eschensterbens lag im Juli 2007 bei der überwiegenden Zahl der Untersuchungsstandorte unter 30 % des Kronenvolumens. In nur wenigen Beständen waren die Kronen im Durchschnitt zu mehr als 30 % abgestorben (Abbildung 1 und 2). Allerdings fanden sich auf immerhin acht Flächen bereits abge­storbene Eschen (Abbildung 1).

West-Ost-Gradient

Die Verteilung der Krankheitsintensität ließ einen West-Ost-Gradienten vermuten (Abbildung 1). Die statistische Auswertung ergab eine geringfügige Signifikanz: Im Osten des Bundeslandes waren die Schäden etwas geringer als im Westen (Abbildung 3).

Schlussgrad der Bestände

Das Eschentriebsterben dürfte, wie bereits 2007 festgestellt wurde, in lockeren Beständen höhere Intensitäten erreichen als in geschlossenen Beständen. Dies war sowohl für die Krankheitsintensität als auch für die Häufigkeit des Zurücksterbens signifikant.

Wasserhaushalt

Die schwersten Schäden wurden zwar an nassen oder Bach nahen Standorten gefunden, doch konnte eine Beziehung zwischen der Intensität des Triebsterbens und dem Wasserhaushalt statistisch nicht nachgewiesen werden.

Soziale Stellung

Unterdrückte Eschen waren deutlich stärker vom Triebsterben betroffen als vorherrschende oder mitherrschende Baumindividuen. Hier besteht ein hoch signifikanter Zusammenhang.

Geschlecht

Als ebenfalls hoch signifikant erwies sich entgegen früheren Vermutungen ein Zusammenhang der Krankheit mit dem Geschlecht der Eschen: Weibliche und zwittrige Individuen waren signifikant stärker erkrankt als rein männliche Bäume.

Untersuchung von Wurzelsystemen

Bereits ein grober Vergleich der Bewurzelung ergab deutlich schwächere Wurzelsysteme (geringerer Feinwurzelanteil sowie teilweise Sekundärwurzelbildung) bei den vom Triebsterben betroffenen Eschen ("Minus"-Bäume) als bei den "Plus"-Bäumen ohne Triebsterben (Abbildung 4).

Ein weiterer auffallender Befund war das massive Auftreten von Hallimasch-Rhizomorphen, das betraf nicht nur die "Minus"-Bäume. Eine erhöhte Zahl von Faulwurzeln wurde hingegen bisher nicht festgestellt. Ebenfalls nicht nachgewiesen wurden lokal begrenzte Nekrosen als Hinweis auf Phytophthora-Infektionen.

Weitere biotische Schadensfaktoren

Bei rund einem Drittel der Flächen wurden Eschenbastkäfer an den Stämmen nachgewiesen. Starker Befall war nur auf einer Fläche vorhanden, auf den übrigen Flächen war er gering.
Eschenkrebsbefall (Pseudomonas syringae ssp. savastanoi) trat bei einem Fünftel der Flächen auf, war aber nirgends häufig.
Da in den vergangenen Jahren bei den Eschen mehrfach auffallend früher Blattwurf beobachtet wurde, der mit massivem Auftreten des Eschenmehltaus (Phyllactinia fraxini) assoziiert war, wurde das Auftreten von Mehltau mit erfasst. Mehltau-Befall fand sich bei einem Fünftel der Probeflächen, ein Zusammenhang mit dem Triebsterben ließ sich jedoch nicht erkennen.

Ozon

Bei erhöhten Ozonwerten kommt es bei vielen Baum- und Straucharten zu Blattverfärbungen, die sich meist erst im Sommer manifestieren. Bei der Esche sind diese im Vergleich zu den anderen heimischen Laub­baum­arten am deutlichsten aus­geprägt, weshalb sie sich gut als Indikator für das Monitoring von Ozonsymptomen eignet.

Um Hinweise auf mögliche Einflüsse von Ozon auf die Gesundheit der Eschen zu erhalten, wurden die auf Mehltaubefall untersuchten Blattproben auf Symptome durch bodennahes Ozon analysiert. Verfärbungen wurden bei sieben der 50 Flächen nachgewiesen, wobei auf drei Flächen höhere Häufigkeiten (über 40 % der untersuchten Blätter) festgestellt wurden. Diese Flächen gehörten zwar nicht zu den stärker vom Triebsterben betroffenen, doch zeigte eine Symptomtaxation im Rahmen der Differenzialdiagnose eine Häufung der Verfärbungen bei den vom Triebsterben betroffenen Bäumen. Bei Bäumen ohne Triebsterben wurden fast keine ozonbedingten Verfärbungen bemerkt.

Ursachen und postulierte Entwicklung der Krankheit

Im Vorjahr wurde aus den bereits publizierten Gründen vermutet, dass als primäre Ursache für das inzwischen fast europaweite Eschentriebsterben eher klimabedingter überregionaler Stress als die Ausbreitung eines einzigen Pathogens in gesunde Eschenbestände in Frage kommt (Cech und Hoyer-Tomiczek 2007). Die Projektergebnisse können dies zwar nicht bestätigen - dazu müssten Untersuchungen auf breiterer Basis, darüber hinaus auch stressphysiologische Experimente unter Einbeziehung verschiedener Pathogene durchgeführt werden. Sie lassen aber vor allem aus epidemiologischen und infektionsbiologischen Gründen die Theorie einer rein infektionsbedingten Epidemie wenig plausibel erscheinen. Allerdings betrifft dies nur die Frage nach dem Beginn des Eschentriebsterbens (2005-2006).

Gegenwärtig dürfte, wie inzwischen zahlreiche Nachweise des mutmaßlichen Erregers Chalara fraxinea zeigten, diese Pilzart die führende und damit kausale Rolle einnehmen (Kirisits et al. 2008). Unterstützt wird dies durch Beobachtungen, dass sich das Triebsterben von Altbeständen aus in Neupflanzungen innerhalb kurzer Zeit ausbreitete, wenn auch weder biotische noch abiotische Vektoren bekannt sind.

Ein weiteres Indiz für diese momentan dominante Rolle von Chalara fraxinea liefert die Anpassung der Pilzart an niedrige Temperaturen. Einerseits waren die Isolierungsergebnisse während der kalten Jahreszeit besonders erfolgreich, andererseits erfolgt auch die Sporenbildung verstärkt bei Kühlschranktemperaturen. Untersucht man die Entwicklung des Triebsterbens am Baum zu den verschiedenen Jahreszeiten, so lässt sich aufgrund der nur selten beobachteten Welkesymptome der Schluss ziehen, dass die Ausbreitung des Triebsterbens (das Wachstum der Nekrosen) mehrheitlich schon vor dem Austrieb zum Abschluss kommt und erst zur Zeit des herbstlichen Laubfalles wieder beginnt.

Wie bereits im Vorjahr zu befürchten war, ist das Zurücksterben der Eschen nicht zum Stillstand gekommen. Das lässt sich aus Untersuchungen von Rindennekrosen im Rahmen der Differenzialdiagnosen schließen. Dabei zeigten sich Unterschiede in Abhängigkeit vom Durchmesser der befallenen Zweige, Äste und Stammteile: Während die Ausbreitung der Nekrosen in Rinde und bei Zweigen unter einem Zentimeter Durchmesser oft bis zu 20 cm erreichte, fanden sich an den stärkeren Ästen oft abgeriegelte Nekrosen ohne nennenswerte Ausbreitung in den Holzkörper.
Die Bäume setzen sich demnach gegen das Vordringen des Triebsterbens zur Wehr. Auch die häufige Beobachtung nahezu unbefallener Eschen inmitten stark geschädigter lässt auf Unterschiede in der Abwehrkraft oder vielleicht sogar auf Resistenz hoffen.

Aufgrund der offensichtlichen Bedeutung von Chalara fraxinea als derzeit dominantes Pathogen des euro­päischen Eschentriebsterbens ist davon auszugehen, dass die Krankheit durch Pflanzgut weiter verbreitet werden kann. Es ist jedoch zurzeit nicht sinnvoll, die Auspflanzung von Eschen generell zu unterbinden oder nicht zu empfehlen, da zentrale Aspekte der Infektionsbiologie noch nicht bekannt sind. Dessen ungeachtet ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten: Das Pflanzgut sollte nicht nur durch den Produzenten, sondern auch nach dem Auspflanzen mehrmals jährlich genau auf Rindenverfärbungen oder Zurücksterben kontrolliert werden. Befallene Pflanzen sollten sofort entnommen und entsorgt werden.

Literatur

Cech, T. L., Hoyer-Tomiczek, U. 2007: Aktuelle Situation des Zurücksterbens der Esche in Österreich. Forstschutz Aktuell, Wien, (40): 8-10.
Kirisits, T., Matlakova, M., Mottinger-Kroupa, S., Halmschlager, E. 2008: Verursacht Chalara fraxinea das Zurücksterben der Esche in Österreich? Forstschutz Aktuell, Wien, (43): 29-34.