Groß sind die Flächen, die der Orkan Kyrill in vielen Regionen hinterlassen hat. Vielfältig können die Gefahren sein, denen die jungen Bäume aus aktiver Wiederaufforstung und natürlicher Wiederbewaldung in den ersten Jahren ausgesetzt sind. Häufig sind es Mäuse, die auf vergrasten Kyrill- und Kulturflächen für Probleme durch Rinden- und Wurzelfraß sorgen. Folgen sind ein gestörter Stofftransport im Baum, Stabilitätsprobleme, Ausfälle einzelner Pflanzen oder im schlimmsten Fall ganzer Kulturen. Deshalb bildeten die Nager einen Schwerpunkt zweier Waldschutzseminare für Waldbesitzer und Forstleute sowie für die Interessengemeinschaft Waldbesitzerinnen auf Windwurfflächen im nördlichen Sauerland.

"Wir haben es auf Kyrillflächen häufig mit Herausforderungen zu tun, die wir in einer dauerwaldartigen Bewirtschaftung so nicht mehr kennen", leitete Jörg Proppe von der Forstlichen Fortbildung des Landesbetriebes das Seminar ein. Dabei müsse jede Fläche nicht nur waldbaulich individuell geplant werden, sondern brauche möglicherweise auch eine besondere Aufmerksamkeit im Hinblick auf bestimmte Waldschutzgefahren. Eine vorausschauende waldbauliche Strategie, z.B. mit beschattenden und robusten Baumarten des Vorwaldes, müsse dabei am Anfang und der Einsatz von Chemie gegen Pflanzen und Tiere immer am Ende aller möglichen Methoden stehen. Besonders große Umsicht erfordert der Einsatz von Rodentiziden gegen Mäuse. Deren Biologie und Biotopanforderungen, die Fraßgewohnheiten relevanter Wald-Arten und geeignete Waldschutzmethoden für Kulturflächen erläuterte Norbert Geisthoff, Mitarbeiter des Waldschutzmanagements des Landesbetriebes.

Licht fördert Gras und Mäuse

Die Gefährdung der Kulturflächen durch Mäuse hängt vor allem vom Grad ihrer Vergrasung ab. Denn Gräser bilden die Hauptnahrung der Mäuse während der Vegetationszeit. Wenn sich der Bestand im Dickungsalter schließt, verschwinden durch Lichtmangel erst das Gras und dann die Mäuse. Das Biotop hat sich zu ihren Ungunsten verändert; die Mäuse wandern ab. Doch bis es dazu kommt, durchleben die Gehölze eine gefährliche Zeit, insbesondere in der Vegetationsruhe im Winter. Dann nämlich wechseln einige Mausarten von der krautigen zur holzigen Kost mit teilweise erheblichen Schäden an den Gehölzen bei Massenvermehrungen. Dabei sind es vor allem Erd- und Rötelmaus (ggf. auch Feldmaus) und die Schermaus, die den Erfolg einer angelegten Kultur erheblich beeinträchtigen können.

Als "plump und gedrungen mit relativ kurzem Schwanz und kleinen Ohren" beschreibt Norbert Geisthoff die Erscheinung der Nager aus der Unterfamilie der Wühl- oder Kurzschwanzmäuse. Anders als die zumeist Samen fressenden Langschwanzmäuse mit großen Ohren und fast körperlangem Schwanz (z.B. Wald- und Gelbhalsmaus) ernähren sich Erd-, Feld-, Rötel- und Schermaus häufig von ober- bzw. unterirdischen Pflanzenteilen. Spitzmäuse und der Maulwurf sind für Forstpflanzen unschädlich.

Die Erdmaus kommt typischerweise auf vergrasten Kulturflächen oder lichten Schirmflächen vor. Dort legt sie Gänge im dichten Grasfilz an. Ihr Nest baut sie zumeist oberirdisch oder oberflächennah. In der Nähe von Äckern und in Mäusejahren sehr massiv kann die optisch ähnliche Feldmaus auftreten. Auch ihr Schaden ähnelt dem der verwandten Erdmaus. Die tiefen Nagereien, oft bis zur kompletten Ringelung oder zum völligen Abknicken des Stängels, sind in der Regel bodennah, weil Erd- und Feldmaus normalerweise nicht klettern. Die Rötelmaus dagegen ist kletterfähig und schädigt durch ihren plätzeweisen Fraß auch bis in mehrere Meter Höhe. Zumeist sind die Benagungen nicht tief und daher für den Baum besser auszuheilen. Probleme entstehen bei mehrjährigem Fraß oder wenn Pilze über die Wunden eintreten. Die Rötelmaus höhlt zudem Knospen aus. Sie kommt in kraut- und buschreichen Verjüngungen vor. Die deutlich größere Schermaus lebt in unterirdischen Gängen (der terrestrische Typ) und schädigt ausschließlich durch intensiven Wurzelfraß an den Gehölzen.

Regelmäßige Massenvermehrungen

Ein weiteres Indiz für hohe Mäusezahlen ist der überdurchschnittliche Eulen- und Greifvogelnachwuchs in diesem Jahr. Hatten die Raubvögel aufgrund der hohen und langen Schneelage im vergangenen Winter noch Schwierigkeiten beim Beutefang, reagieren ihre Bestände jetzt mit größeren Gelegen und mehr überlebenden Jungvögeln auf das gute Nahrungsangebot. Zwar fallen etliche Mäuse den Eulen und Greifvögeln, Füchsen, Wildkatzen und anderen Fressfeinden zum Opfer. Weil ihre Bestandesentwicklung aber immer zeitversetzt zur Beute verläuft, darf die Bedeutung der Räuber trotzdem nicht überschätzt werden. "Sie können nicht zu einer wesentlichen Verminderung bei hohen Mäusepopulationen beitragen", sagt der Waldschutzberater Geisthoff. Dennoch seien sie Teil eines integrierten Waldschutzkonzeptes. So kann die Anwesenheit der Greifvögel und Eulen durch den Bau (ausreichend hoher) Sitzstangen auf den Kulturflächen gefördert werden (bei Rodentizid-Einsatz entfernen).

"Mäuse machen etwa alle zwei bis fünf Jahre Massenvermehrungen durch", erklärt Geisthoff. In diesem Jahr rechnen er und seine Kollegen insbesondere bei Rötel- und Feldmäusen mit hohen Populationsdichten. Durch innerartliche Konkurrenz und Stress, Nahrungsmangel oder Krankheiten fänden diese Massenwechsel aber auch schnell wieder ein jähes Ende. Damit es in der Zwischenzeit nicht zu erheblichen Verlusten in Kulturen kommt, kann eine aktive Bekämpfung der Mäuse notwendig sein. Dabei stehen grundsätzlich auch biotechnische (Göttinger Fangwanne) und mechanisch-technische (Schlagfallen) Bekämpfungsmethoden oder die mechanische (Mahd) bzw. chemische (Herbizideinsatz) Behandlung des Grases zur Auswahl.

Bekämpfungsnotwendigkeit prüfen

Vor dem Einsatz von Rodentiziden ist die Einschätzung der tatsächlichen Gefährdungssituation durch Erd-, (Feld-) und Rötelmaus anhand von Prognoseverfahren, aufgetretenen Nageschäden und weiterer Indizien wie Löcher, Kotplätze oder Laufgänge vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Um den Besatz von Mäusen vor den entstehenden Schäden zu erkennen, rät Geisthoff schon im Herbst zu standardisierten Prognoseverfahren mit Steckhölzern oder Probefängen. "Bei mehr als zehn Prozent gefangener Kurzschwanzmäuse ist ein Einsatz mit Rodentiziden sinnvoll", erklärt er die kritische Zahl beim Probefang auf normalen Waldstandorten.

Zum Schutz vor Infektionen, insbesondere vor dem verstärkt auftretenden Hanta-Virus, sollten auch beim Probefang Handschuhe getragen werden. Für die Mittelausbringung muss der Anwender einen Sachkundenachweis besitzen und die Verbote bzw. Auflagen der forstlichen Zertifizierungssysteme (FSC und PEFC) beachten. Zugelassene Präparate für Erd-, Feld- und Rötelmausbekämpfung basieren auf den Wirkstoffen Zinkphosphid (wirkt sofort) und Chlorphacinon (wirkt nach mehrmaliger Aufnahme). Die Mittel werden üblicherweise verdeckt in Köderstationen angeboten. Dort, im Schutz vor Wetter und Feinden, suchen die Mäuse die Köder gezielt auf. Andere Tiere können so nicht an die Rodentizide gelangen. "Als Köderstationen können auch kurze Rohrstücke dienen", erklärt Norbert Geisthoff. "Es müssen nicht die gekauften Stationen sein." Die Köderstationen (etwa 10 je Hektar) sollten allerdings frühzeitig, schon während der Vegetationszeit, auf die Fläche gebracht werden, damit die Mäuse sich an sie gewöhnen und in ihr Gangsystem einbauen. Die eigentliche Beköderung findet im Normalfall erst beim Verschwinden der krautigen Vegetation im Herbst statt. "Wenn die Mäuse Hunger haben", erklärt Geisthoff und rät zur Auswahl nur eines Präparates: "Mischen hat sich nicht bewährt."

Die Stationen müssen regelmäßig kontrolliert und Köder so lange nachgelegt werden bis keine Annahme mehr erfolgt. Bei hohen Mausdichten ist auch das offene Ausbringen einzelner Präparate möglich. Grundsätzlich zu beachten ist, dass auch Mäusebiotope in der Nachbarschaft, von denen eine Wiederbesiedlung möglich wäre, in einem Bereich von etwa 60 Metern mit beködert werden.

Schermaus in Schach halten

Schiefe Bäume, auch stärkeren Durchmessers, die sich ohne großen Kraftaufwand aus dem Boden ziehen lassen ("Ziehprobe"), langgestreckte Erdhügel mit seitlicher Öffnung (Maulwurf senkrecht) und oft sehr oberflächennahe, gewölbte Gangsysteme deuten auf eine Besiedlung der Kulturfläche durch die Schermaus hin. Diese große Wühlmaus schädigt an Gehölzen durch reinen Wurzelfraß in der Vegetationsruhe. Obwohl sie in der Regel keine ausgeprägten Massenvermehrungen durchmachen, können Schermäuse, insbesondere auf bearbeiteten Kulturflächen und bei Maschinenpflanzungen, für erhebliche Ausfälle an Laub- und Nadelbäumen sorgen. Schermäuse leben in Familienverbänden und sind relativ standorttreu.


Auch diese Art wird nur im Winter bekämpft, wenn sie ihre Vorräte eingetragen hat. Für die Bekämpfung größerer Schermausvorkommen scheidet der Fallenfang aus, der darüber hinaus auch viel Erfahrung erfordert. Bodenbearbeitungen und Herbizideinsätze in bestehenden Kulturflächen können die Nager durch den Verlust der Nahrung schon während der Vegetationszeit an die Gehölzwurzeln "zwingen". Die Behandlung der Schermaus mit speziellen Rodentiziden erfolgt ausschließlich in den Gangsystemen über Köderstationen möglichst im Zentrum der Schermausbaue. "Die Köderstationen müssen absolut luft- und lichtdicht eingebaut werden", sagt Norbert Geisthoff. "Sonst werden sie in kürzester Zeit durch die Maus verwühlt." So dient auch die der Beköderung vorausgehende "Verwühlprobe" im geöffneten Gangsystem der Feststellung, ob der Bereich durch Schermäuse überhaupt besiedelt ist. Die Köderstationen werden zunächst mit befestigten Kontrollködern (z.B. Apfelstücken) und erst nach der Auswertung der Fraßspuren mit dem eigentlichen Giftködern bestückt. Letztere werden so lange erneuert, bis keine Abnahme mehr erfolgt. Allerdings mahnt der Waldschutzberater auch im Folgejahr zu weiteren Kontrollen durch die Ziehprobe. Daher sollten die Köderstationen auch zunächst in den Gängen belassen werden. Denn Flächen können sich durch Zuwanderungen, dann oberirdisch, recht schnell neu besiedeln.