Als Unterschlupf für die Nacht, für unwirtliche Tage in der Winterzeit und zur Aufzucht der Jungen, richtet sich jedes Eichhörnchen in der Regel mehrere Nester, so genannte Kobel, her (Abb. 2). Diese Baue, deren Herstellung etwa drei bis fünf Tage dauern, werden gewöhn­lich meist in mehr als 5 m Höhe im Kro­nenraum von Nadel- und Laubbäumen angelegt, so gut wie immer angelehnt an den Stamm oder an einen Hauptschaft, dies an Stellen, wo das Nest von Seitenästen gestützt wird, das heisst vornehm­lich an Astquirlen oder in einer Gabel. Bei Laubbäumen fallen sie im winterkahlen Zustand ins Auge.

Dabei sieht mancher Eichhörnchen-Kobel von seiner Lage und seinem Profil her aus der Ferne und oberflächlich betrachtet wie ein Elster-Nest aus. Doch sind deren Nester – stets mit Reisig mehr oder weniger locker überdacht – im Durchschnitt etwas grösser, zugleich sper­riger und bestehen aussen in jedem Fall nur aus kahlen Ästchen und Reisern, wodurch sie zumindest oben bis zu einem gewissen Grad durchscheinend sind. Beim Eichhörnchen kommt es vor, dass es belaubte Zweigstücke einbaut; in einem solchem Fall zeugt allein schon das alsbald dürre Laub von seiner Urheberschaft.

Rindenbast ist beim Kobelbau besonders beliebt

Das eigentliche Nest, innen also, ist ein selten mehr als 20 bis 25 (30) cm mes­sendes kugeliges bis leicht flach-ovales dichtes Gebilde aus dürrem Gras, Moos, eventuell etwas Laub und – wo irgendwie möglich – aus Bastfasern; ein Stück Schnur oder Wollfäden, ein Fetzen Papier, Flechten, mitunter Federn oder Haare sowie dünne Streifen der schilfrig sich ablösender Borke der Waldrebe (Clematis vitalba) oder Ähn­liches mögen untermischt sein.

Bezeichnend jedoch ist die Vorliebe für Bastfasern als Bau- und Polstermaterial, zumal beim Haupt- oder Brutkobel der Weibchen. So heisst es schon 1876, dass sich im Unterschied zu den so genannten Sommernestern "die wenigen vollendeten, in denen es auch seine Junge beherbergt, durch besondere Grösse und kugelige Gestalt auszeichnen und Rindenfasern seine Auspolsterung bilden".

Die Präferenz der Eichhörnchen für Rindenbast geht oft so weit, dass der innere Nestteil eines Kobels zu 80 bis 100% daraus besteht. Dieses Polsterzeug beschaffen sich die Tiere in aller Regel von absterbenden oder toten Ästen, vorzugs­weise der Linde, gelegentlich aber auch von Weiden, Ulmen und von der Eiche.

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass tote Rinde nicht etwa von sich aus in Stücken von der Unterlage abfällt; vielmehr bedarf es einer aktiven Mitwirkung; die so genannten Rinden­sprengerpilze (z. B. Vuilleminia comedens) heben allenfalls oberflächliche Teile der Rind an. Nie wird gesunde Rinde verwendet; es handelt sich also nicht um ein Schälen im üblichen patho­logischen Verständnis. Das derartige, manchmal verübte partielle Entrinden gesunder Bäume durch unser Eich­hörnchen steht also nie im Zusammen­hang mit dem Kobelbau.

Auffällige Schäden an exotischen Nadelbäumen mit faseriger Rinde

Gelegentlich verwendet das Eichhörnchen auch die Borke bestimmter Nadelbäume als Polstermate­rial, nämlich solche mit einer faserigen Beschaffenheit. Anders als bei den Laubgehölzen holt es sich dieses grundsätzlich von den lebenden Bäumen. In allererster Linie wird hierzulande der Riesenmammutbaum (Sequoiadendron giganteum, Abb. 4) angenommen, nach den eigenen Beob­achtungen bisweilen auch die Japanische Sicheltanne (Cryptomeria japonica), der Riesenlebensbaum (Thuja pli­cata), ferner das Chinesische Rotholz (Metasequoia glybtostroboides) sowie die Sumpfzypresse (Taxo­dium distichum), allesamt exotische Baumarten. Dem Rindentyp nach sind es solche mit einer von Natur aus faserig oder strei­fenweise vom Schaft sich lösenden so genannten "Ringelborke".

Durch die Tätigkeit des Eichhörnchens ändert sich verständlicherweise die Ober­fläche der bearbeiteten Stellen, die meist im unteren Stammteil liegen. Eine ansonsten unscheinbar faserig, das heisst einiger­massen glatt beschaffene Borke, ist dann zerschlissen und faserig-rau bis borstig (Abb. 4). Beim Anblick solcher Gegebenheiten rätselt der Betrachter gewöhnlich über die Ursache des veränderten Erscheinungs­bildes. Selten zieht jemand das Eichhörn­chen in Betracht.

Zwar behacken und zerspleissen manchmal auch Spechte die Rinde beziehungsweise Borke gesunder Bäume, was ebenfalls kaum bekannt ist. Aber dies geschieht im Allge­meinen plätzeweise, während das Eichhörnchen eher flächig und verti­kal orientiert vorgeht. Des Weiteren sind die durch Spechtarbeit losgelösten Rin­denteile weniger in Faserrichtung geord­net und bleiben bei Baumarten mit fase­rig strukturierter Rinde fast alle am Schaft. Da Spechte dabei ihr Objekt in erster Linie mit mehr oder weniger horizontal ausgeführten Tangentialhieben bearbeiten, findet man an solchen Stellen meist die eine oder andere Schlagspur von diesen Quer- und Schrägschlägen; zudem gehen zumeist einige davon tiefer in die Borke oder Rinde als die Eingriffe beim Eich­hörnchen, welches das Material abzerrt.

(TR)