Der Klimawandel hat nicht nur Einfluss auf unsere Baumarten, sondern auch auf die an ihnen vorkommenden Schadorganismen. Die Bäume können einerseits von einer verlängerten Vegetationszeit oder höheren CO2-Gehalten der Atmosphäre profitieren. Andererseits können sie durch zunehmende extreme Witterungsverhältnisse wie Trockenperioden oder Stürme und einer damit verbundenen deutlichen Vitalitätsabnahme für Schadorganismen anfälliger werden.

Auch Insekten und Pilze werden artspezifisch auf den Klimawandel reagieren. Sie können bei verlängerter Vegetationszeit mehr Generationen innerhalb eines Jahres durchlaufen (z.B. Buchdrucker, Abb. 1), bei höheren Temperaturen ihre Entwicklung schneller abschließen (z.B. Buchenprachtkäfer) oder neue Lebensräume besiedeln (z.B. Eichenprozessionsspinner). Arten, die in ihrer Entwicklung an die Tageslänge gekoppelt sind, werden weniger deutlich profitieren (z.B. Nutzholzborkenkäfer).

Durch die milderen und feuchteren Wintermonate wird bei einigen Arten eine höhere Mortalität während der Überwinterung erwartet (z.B. Kiefernspanner). Dagegen werden Arten mit nicht winterharten Überwinterungsstadien deutlich profitieren (z.B. Läuse). Auch die pilzlichen Erreger werden möglicherweise durch die milderen Winter gewinnen, da sie während der Ruhepause der Bäume aktiv bleiben und Abwehr-mechanismen leichter überwinden können.

Derzeit lässt sich weder für die Baumarten noch für die verschiedenen Schadorganismen vollständig einschätzen, wie genau die einzelnen Arten auf den Klimawandel reagieren. Neben einer Anpassung der bereits bekannten Arten muss auch damit gerechnet werden, dass Arten, die bisher nicht als Forstschädlinge in Erscheinung getreten sind als solche auftreten und dass neue Arten zu uns einwandern.

Projekt "Klimaänderung und Forstschädlinge"

Auch in der Vergangenheit traten immer wieder Schädlingskalamitäten auf, die konsequente Gegenmaßnahmen erforderten. Die dadurch gewonnenen Erfahrungen werden aber mit den Veränderungen des Klimawandels zumindest teilweise ihre Gültigkeit verlieren. Die Forstwirtschaft muss ihre Waldschutzstrategien zur Vermeidung und Bekämpfung biotischer Kalamitäten anpassen. Dies wird, wie der Klimawandel selbst, einer dynamischen Entwicklung unterliegen.

Im Waldschutz-Klimaprojekt der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) werden Maßnahmen zur Erhaltung der Reaktionsfähigkeit entwickelt. Diese beruht auf rechtzeitigem Erkennen von Gefährdungssituationen durch effiziente Monitoring- verfahren und benötigt effektive Vermeidungs- und Bekämpfungsstrategien. Unterteilt ist das Waldschutz-Klimaprojekt in fünf Arbeitspakete (AP 1 bis 5), die aufeinander aufbauen und untereinander verknüpft sind (Abb. 2).

AP 1 Überwachungssysteme und Informationsplattform: Im AP 1 werden effiziente Überwachungssysteme für relevante Forstschädlinge und ein zeitnaher Informationstransfer über die Gefährdungssituationen an alle Waldbesitzer entwickelt. Dadurch wird ein kontinuierlicher Überblick über die aktuelle Gefährdungssituation, eine frühzeitige Schadensprognose und eine räumliche Eingrenzung der Gefährdungsgebiete ermöglicht. Das schafft einen zeitlichen Vorlauf für gezielte und situationsangepasste Gegenmaßnahmen. Die dabei entstehenden Zeitreihen lassen die Anpassungsdynamik der einzelnen Schadorganismen erkennen und liefern Hinweise für mittel- und längerfristige waldbauliche Maßnahmen. Die Informationen sollen die Waldbesitzer über eine Internet-gestützte Plattform erreichen.

AP 2 Verbreitung und Populationsdynamik wärmeliebender Schadinsekten: Verschiedene wärmeliebende Insektenarten werden mit dem erhöhten Wärme-angebot stärker in Erscheinung treten. Der Einfluss der relevante Faktoren wie Witterung, Standort, verschiedene Bestandesparameter und zugehörige Biozönose werden im AP 2 erforscht, das sich in einer ersten Phase des Schädlingskomplexes an der Eiche annimmt.

In den vergangenen Jahren etablierte sich in Franken der Eichenprozessionsspinner mit dauerhaft erhöhten Populationsdichten. Er erweitert sein Verbreitungsgebiet beträchtlich. Erfahrungen über Massenwechsel, Schadwirkung und Verbreitung fehlen in Bayern noch. Dort treten auch Schwammspinner, Eichenwickler und Frostspanner auf, deren Auswirkungen auf die Eichenwälder im Klimawandel, insbesondere beim Kombinationsfraß, bewertet werden müssen. Entsprechendes gilt auch für die Eulenspinnerarten und den Goldafter, die bisher allerdings nur lokal auftraten.

Als Sekundärschädlinge werden die Prachtkäferarten im Zusammenhang mit den an den Wirtsbaumarten vorkommenden Schadkomplexen erforscht. Der Buchen-prachtkäfer, dem eine besondere Bedeutung beigemessen wird, wird innerhalb des AP 2 in einem eigenen Forschungsansatz intensiv untersucht. Dabei sollen die räumliche Verbreitung, die auslösenden Faktoren, die Dynamik des Befallsverlaufs sowie das Auftreten von Folgeschädlingen analysiert werden.

Die Ergebnisse des AP 2 gehen in die Arbeitspakete 1 und 4 ein und dienen dort der Entwicklung artspezifischer Monitoringsysteme sowie Vermeidungs- und Bekämpfungsverfahren.

AP 3 Klimafolgen und pilzliche Schaderreger: Die Grenzbereiche der klimatischen und standörtlichen Faktoren werden anhand einer umfassenden Literaturstudie sowie Umfragen exemplarisch für ausgewählte Pilzarten herausgearbeitet. Sie sollen Rückschlüsse auf günstige Standortsbedingungen für das Vorkommen, die Verbreitung und die zukünftige Bedeutung der Erreger ermöglichen. Die Studien umfassen im Besonderen drei Aspekte:

  • Analyse etablierter Wirt-Parasit-Interaktionen und ihrer möglichen Verschiebung; untersucht wird das Vorkommen und die Verbreitung von Hallimasch-Arten, die neben dem Wurzelschwamm derzeit als forstlich bedeutendste Schadpilze an Fichte, Tanne und Douglasie vorkommen
  • Analyse bereits in Deutschland auftretender thermophiler Pilzarten; sie könnten zukünftig eine größere Bedeutung erlangen (z.B. Erreger des Diplodia-Triebsterbens)
  • Recherche des Schaderregerspektrums ausgewählter Baumarten; auch die Literatur aus den Verbreitungsregionen der entsprechenden Schädlinge wird ausgewertet

Im Bezug auf das Eschentriebsterben sollen auf der Grundlage waldkundlicher und standörtlicher Untersuchungen Erkenntnisse gewonnen werden, aus denen Managementstrategien zur Eingrenzung und Vorbeugung der Erkrankung abgeleitet werden können.

AP 4 Strategie und Vorsorge: Wegen der Veränderung der Waldschutzrisiken in Folge des Klimawandels müssen die bisher verwendeten Managementmaßnahmen angepasst sowie neue Strategien und Behandlungskonzepte für neu auftretende Schädlinge ebenso wie für nicht einheimische Baumarten entwickelt werden. Grundlagen für die Strategieentwicklung liefern das bereits vorhandene Wissen zur Klimasensibilität bestimmter Arten (z.B. Buchdrucker) und die Ergebnisse aus den Arbeitspaketen 1 bis 3. Die festgestellten Handlungsnotwendigkeiten fließen in Handlungskonzepte, die den Schadholzanfall minimieren und die Waldfunktionen schützen sollen, mit ein. Dabei werden insbesondere Möglichkeiten des vorbeu-genden Waldschutzes mit Hilfe waldbaulicher Maßnahmen geprüft. Die erarbeiteten Konzepte werden über Informationsmaterialien und Multiplikatoren vermittelt.

Im Hinblick auf die Borkenkäfer, die auch in Zukunft zu den wirtschaftlich bedeutendsten Schädlingen in Bayerns Wäldern gehören werden, werden biotechnische Verfahren zur Befallsvermeidung durchleuchtet. Anhand von Abschreck- und Ablenkstoffen (Repellentstoffen) soll eine Zerstreuung (Dispersion) der Käfer herbeigeführt werden. Dies soll den Aufbau einer Massenvermehrung verhindern bzw. zeitlich verzögern. Damit ließe sich z.B. nach Sturmereignissen Zeit für notwendige Aufarbeitungsmaßnahmen gewinnen. Wie diese Stoffe formuliert und ausgebracht werden sollen, muss noch erforscht werden. Ein solches Präparat kann die bereits bewährten Bekämpfungsverfahren ergänzen und betroffenen Waldbesitzern einen zusätzlichen Zeitkorridor zur Befallsabwehr eröffnen.

AP 5 Genetik Eschentriebsterben: Im AP 5 werden vom Amt für Saat und Pflanzenzucht (ASP) die genetischen Aspekte des Eschentriebsterbens beleuchtet. Es wird geklärt, ob ein Zusammenhang zwischen Krankheitsbefall und Herkunft bzw. Genotyp besteht. Zudem soll eine Methode etabliert werden, mit der der Pilzbefall anhand genetischer Marker erkannt werden kann.

Ergebnisse für den Waldbesitzer

Der Klimawandel wird Waldbesitzer und Forstleute mit neuen Waldschutzproblemen konfrontieren. Mit dem Waldschutz-Klimaprojekt der LWF werden potentielle Risiken aufgezeigt, in ihren Auswirkungen auf die Waldbewirtschaftung abgeschätzt und Lösungsstrategien über Waldbau- und Waldschutzmaßnahmen auf dem aktuellen Stand des Wissens erarbeitet. Diese Informationen über die biotischen Auswirkungen des Klimawandels helfen Waldbesitzern und Forstleuten die notwendigen waldbaulichen Entscheidungen gegründet auf einer breiteren Wissensbasis zu treffen.