Der Götterbaum (Ailanthus altissima) ist ein in China, Nordkorea und Nordvietnam heimischer, zweihäusiger und sommergrüner Baum aus der vor allem in den Tropen und Subtropen verbreiteten Familie der Bittereschengewächse (Simaroubaceae). Die Gattung Ailanthus weist ein grosses Verbreitungsgebiet auf, das von den Tropen bis weit in die gemässigte Zone reicht. Fossile Funde aus dem Tertiär belegen die Existenz der Gattung Ailanthus für Nordamerika, Europa, Kasachstan und Westsibirien.

Heute ist diese Baumart auf sämtlichen Kontinenten ausser der Antarktis verbreitet: Kurz nach 1740 gelangte sie als Ziergehölz nach Europa, einige Jahrzehnte später erfolgten Pflanzungen in Nord- und Südamerika, Südafrika, Australien und Neuseeland. Vor allem in Städten trug der rauchharte Baum zu einer Verbesserung der Luftqualität bei (rauchhart = wenig empfindlich gegen Luftschadstoffe).

Mitte des 19. Jahrhunderts gab es eine weitere Anbauwelle in Europa, diesmal um Seide zu produzieren: die eingeführten Bäume dienten als Nahrungsquelle für den ebenfalls eingeführten Götterbaum-Spinner (Samia cynthia). Der Exot wurde auch als schattenspendender Baum in Steinbrüchen gepflanzt (z.B. im Raum Biasca im Tessin) sowie als Erosions- und Windschutz (z.B.in Ost-Österreich). Darüber hinaus ist er bei Imkern sehr beliebt, denn sein Honig gilt heute in Europa als Spezialität.

Auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin spielt der Baum eine bedeutende Rolle, beispielsweise zur Behandlung von Asthma, Epilepsie und Augenkrankheiten. Derzeit prüft die Heilmittelforschung zudem die Eignung diverser Inhaltsstoffe gegen Malaria, Krebs und HIV. Das dichte Holz der Götterbäume (nahezu Eschenqualität) wird vor allem im Ursprungsland China als Wert- und Energieholz genutzt

Grosses Invasionspotenzial

Der Götterbaum wächst sehr schnell; seine Jahrestriebe erreichen Längen von bis zu 2 m pro Jahr. Und er hat eine grosse Reproduktionsfähigkeit, sowohl generativ als auch vegetativ (siehe Kasten). Wenn solche Arten auf invasionsempfindliche Habitate mit geeigneten Wuchsbedingungen gelangen, ist der Erfolg einer biologischen Invasion sehr wahrscheinlich – auch im Wald.

Besonders anfällig sind in Wäldern Störungsflächen mit freiliegenden Mineralböden, die beispielsweise nach Waldbränden oder auch waldbaulichen Eingriffen entstehen. Weiterhin besiedelt der Götterbaum Magerwiesen sowie Wälder, die durch Pathogene oder extreme Klimaereignisse massiv geschwächt sind und hohe Mortalitätsraten aufweisen. So hat diese Baumart im US-Bundesstaat Pennsylvania ehemals von Eichen dominierte Standorte erfolgreich besiedeln können, nachdem der Schwammspinner (Lymantria dispar) diese zum Absterben gebracht hatte und durch die darauffolgenden Einschläge grosse Lücken entstanden waren.

In der Südschweiz dringen Götterbäume vor allem in Edelkastanienbestände ein, die zunehmend Stresssymptome aufweisen (Abb. 2). Waldbrand, häufiger auftretende Sommerdürren, der Kastanienrindenkrebs (Cryphonectria parasitica) und der unterdessen fast flächendeckende Befall mit der Edelkastanien-Gallwespe (Dryocosmus kuriphilus) machenviele Wälder lichter, was dem Gast aus China zugutekommt. Insbesondere im Tessin breitet sich der Baum entlang von Strassen und Eisenbahnlinien schnell aus (Abb. 3).

In der Nordschweiz sind Vorkommen in Wäldern noch sehr selten. Der Götterbaum konnte sich hier jedoch in Städten und entlang von Verkehrswegen auf Ruderal- und Brachflächen etablieren, nachdem er über Jahrzehnte als Zier- und Strassenbaum gefördert wurde.

Heute wird der Götterbaum in vielen Ländern als Problem-Baumart betrachtet, beispielsweise in Australien, Dänemark, Deutschland, Kanada, Liechtenstein, Österreich, der Schweiz, Spanien, Südafrika, Ungarn und den USA. In der Schweiz steht der Götterbaum seit über zehn Jahren auf der Schwarzen Liste der invasiven Neophyten. Die zu erwartende Klimaerwärmung dürfte diesen Prozess weiter verstärken, einerseits, weil andere Baumarten durch die klimatischen Veränderungen geschwächt werden, und andererseits, weil sich die bioklimatischen Grenzen des thermophilen Götterbaums verschieben.

Risiken im Schutzwald

Die derzeit zu beobachtende Ausbreitung verursacht bereits heute vielerorts Probleme: Im Schutzwald behindert sie die Verjüngung der vorhandenen Schutzwaldbaumarten, und die Vielfalt der Baum- und Krautarten nimmt tendenziell ab. Aufgrund seiner grossen Verjüngungskapazität, auch im Übergangsbereich zum Halbschatten von ungestörten Waldbeständen, und dem gebietsweise beobachteten hohen Kernfäule-Befallsgrad könnte er die Schutzwirksamkeit von Bergwäldern stark beeinträchtigen.

Ausserhalb des Waldes kann der Baum im urbanen Gebiet erhöhte Unterhaltskosten und Schäden an Bauten verursachen (Abb. 4). Auch hier ist seine Kontrolle durch die enormen Wachstumsraten und das hohe Vermehrungspotenzial mit einem hohen Aufwand verbunden. Grün Stadt Zürich hat den Götterbaum 2014 daher von der Liste der empfohlenen Stadtbäume gestrichen.

Inwieweit der Götterbaum den Schweizer Wald gefährdet, lässt sich mit dem derzeitigen Wissensstand nur schwer abschätzen: Die mit der Baumart verbundenen Risiken scheinen grösser zu sein als die zweifellos auch vorhandenen Chancen. Aufgrund der aktuellen Problematik und auch um diese Frage beantworten zu können, hat die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) die Forschungsarbeiten zum Thema Götterbaum ausgeweitet.

Forschung intensivieren

Bei Avegno TI im unteren Maggiatal haben Forschende der WSL Bellinzona 2013 eine neue Dauerbeobachtungsfläche eingerichtet, um die Wachstumsdynamik und den Kernfäulebefall von älteren Götterbäumen zu untersuchen (Abb. 5 und 6). Im Sommer 2013 erfolgten die ersten umfassenden jahrringanalytischen Untersuchungen von Götterbäumen im Tessin. Diese Arbeiten bestätigten u.a. mit dendroökologischen Methoden die hohe Trockenheitstoleranz des Götterbaums, ein entscheidender Konkurrenzvorteil gegenüber einheimischen Baumarten. Die Forscher wiesen eine hohe Variabilität des Kernfäulebefalls nach – an einigen Standorten waren nur einzelne Individuen, an anderen hingegen fast die Hälfte der Bäume betroffen.

An Standorten mit weitgehend fäulefreien und stabilen Götterbäumen dürften diese wie einheimische Arten zum Schutz vor Naturgefahren beitragen. In abgelegenen Gebieten schliesslich, in denen eine Kontrolle des Götterbaums ohnehin nicht mehr praktikabel erscheint, muss die Praxis nach waldbaulichen Möglichkeiten suchen, mit denen sich der Götterbaum in die bestehenden Waldökosysteme integrieren lässt. Das oben erwähnte grosse Nutzungspotenzial zeigt, dass die neue Baumart zumindest gebietsweise auch Chancen bieten könnte.

Um differenzierte Managementstrategien zu entwickeln, bedarf es weiterer Forschung zum genauen Vorkommen des Götterbaums, zu dessen Wechselwirkungen mit anderen Arten und verschiedenen Standortsbedingungen sowie zu den Möglichkeiten, seine Ausbreitung zu regulieren. Im April 2014 startete das vom Bundesamt für Umwelt unterstützte Projekt "Vorkommen, Ökologie und Kontrolle von Götterbäumen in der Südschweiz", das unter der Federführung der WSL Bellinzona und in Zusammenarbeit mit den Kantonen Tessin und Graubünden sowie der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften Zollikofen und der Universität Neapel durchgeführt wird.

In dem Projekt sollen die notwendigen Grundlagen erarbeitet werden, um den Umgang mit dem invasiven Götterbaum in der Schweiz zu verbessern. Neben den oben erwähnten Punkten ist darin ein Versuch vorgesehen, der die Wirkungen mechanischer Kontrolle (Ringelung), biologischer Kontrolle (Pilze und autotoxische Stoffe) und chemischer Kontrolle (Biozide) miteinander vergleicht. Die Forschenden werden Strategien zur Nutzung und Kontrolle des Götterbaums in der Schweiz erarbeiten.

(TR)