Die aus Nordamerika stammende Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina) hat sich in Europa kontinuierlich ausgebreitet. In Wäldern behindert sie gebietsweise die Verjüngung heimischer Baumarten. Aus diesem Blickwinkel erscheint die Suche nach umweltverträglichen und wirksamen Methoden zur Reduzierung dieser Baumart sinnvoll. Nachfolgend wird über Praxisversuche zum Einsatz des Violetten Knorpelschichtpilzes (Chondrostereum purpureum) gegen die Traubenkirsche in Waldbeständen des nordostdeutschen Tieflandes berichtet.

Herkunft und Verwendung der Spätblühenden Traubenkirsche

Die ursprünglich im östlichen Nordamerika beheimatete Baumart gelangte im 17. Jahrhundert nach Europa. In Deutschland ist das Vorkommen seit 1685 sicher belegt (Wein, zit. bei Kowarik 2003, Starfinger 2004). Anfangs wurde die Traubenkirsche lediglich als Ziergehölz in europäischen Gärten und Parks angepflanzt (anthropogene Ausbreitung). Ab 1890 integrierte man sie in planmäßige forstliche Anbauversuche (Klein 1903). Dabei konnte P. serotina aber wegen mangelhafter Stammbildung die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen (Göritz 1976, Kowarik 2003). Noch immer wird der Baum jedoch vielerorts zur Böschungsbegrünung und Rekultivierung sowie als belebendes Element im Straßenbegleitgrün gern genutzt. Nicht selten sind aber gerade solche Pflanzungen Ausgangspunkte für eine weitere unkontrollierte Verbreitung.

Ausbreitungssituation in Europa

Das aktuelle Hauptvorkommen der Spätblühenden Traubenkirsche reicht in Europa von Holland über die norddeutsche Tiefebene bis nach Polen (Sturm 2005). Gebietsweise hat sich die Traubenkirsche auf größerer Fläche etabliert. Sehr dichte Gebüsche sind vor allem dort entstanden, wo in den Beständen ein mechanischer Rückschnitt durchgeführt wurde (starkes vegetatives Regenerationsvermögen, ausgeprägte Fähigkeit zur Bildung von Stockausschlägen). Bei flächendeckendem Auftreten behindert P. serotina massiv die natürliche Verjüngung einheimischer Baumarten bzw. verdrängt diese.


In den Wäldern Brandenburgs ist die Spätblühende Traubenkirsche mittlerweile auf einer Fläche von etwa 30.000 ha verbreitet (Müller, J. und Müller, K. 2002, 2003). In den Berliner Forsten sind es nach Angaben des Landesforstamtes gegenwärtig ca. 10.000 ha. Die natürliche Ausbreitung wird maßgeblich durch Vögel, ferner auch durch Säugetiere, forciert.

Bisherige Maßnahmen zur Reduzierung der Traubenkirsche

Die Bekämpfung von P. serotina erweist sich als schwierig. Eine erfolgreiche Anwendung waldbaulicher Methoden, insbesondere das Ausdunkeln mit Schattbaumarten (Buche!), wird durch die standörtlichen Gegebenheiten begrenzt. Die mechanische Entfernung der Bäume durch Stubbenrodung mit Pferd, Schlepper oder Bagger ist mit hohem finanziellen Aufwand verbunden und kann daher nicht befriedigen. Ein alleiniges Abschneiden der Stämme führt aufgrund des überaus starken Regenerationsvermögens nicht zum Erfolg. Chemische Pflanzenschutzmittel (Herbizide) zur punktuellen Applikation (Schnittflächenbehandlung) stehen zwar zur Verfügung, ihre Anwendung ist aber aus ökologischen Gründen limitiert. In den Berliner Wäldern ist jeglicher Einsatz chemischer Präparate seit vielen Jahren unzulässig (Waldbaurichtlinie 1992, FSC und Naturland Zertifizierung).

Die biologische Alternative

Eine Alternative zu den genannten Methoden könnte in der Anwendung biologischer Verfahren bestehen. Zum Einsatz des Violetten Knorpelschichtpilzes als "Mykoherbizid" in der Forstwirtschaft liegen bereits Publikationen mehrerer Autoren vor (z. B. De Jong u. a. 1998, De Jong 2000, Scheepens und Hoogerbrugge 1988, Wall 1990).

Der zu den einheimischen Pilzarten zählende Violette Knorpelschichtpilz lebt überwiegend an abgestorbenem Substrat. Er erscheint bereits im Frühstadium der Holzzersetzung an frisch gefällten Stämmen oder Stubben von Laubbäumen, seltener auch an Nadelhölzern (Kreisel 1961, De Jong u. a. 1998).

Chondrostereum purpureum verursacht im besiedelten Holz Weißfäule (Kreisel 1961, Ryman und Holmåsen 1992, Gerhardt 2001). Der Pilz kann neben seinem Vorkommen als Totholzbewohner auch als Erreger des sogenannten "Milch-", "Silber-", oder "Bleiglanzes" auf lebenden Bäumen in Erscheinung treten (Schwächeparasit). Der Violette Knorpelschichtpilz produziert ein phytotoxisches Stoffwechselprodukt, welches mit dem Saftstrom bis in die Wurzeln und Zweigspitzen der infizierten Bäume transportiert wird.

Grundsätzlich bieten Baumstümpfe ein geeignetes Substrat für die Anwendung biologischer Mittel. Immerhin stellen die Schnittflächen nahezu ideale Eintrittspforten für Mikroorganismen dar (De Jong u. a. 1998). Durch eine gezielte künstliche Beimpfung der frischen Stubben mit einem ausgewählten Wund- bzw. Schwächeparasiten kann die noch wirksame Abwehrreaktion des lebenden Pflanzengewebes gebrochen werden.

Die Etablierung des Pilzes im pflanzlichen Gewebe hängt von mehreren Faktoren ab. Namentlich bei zu geringer Luftfeuchtigkeit kann die Vitalität des Myzels und damit das Einwachsen in das Substrat massiv beeinträchtigt werden. Erste Symptome ("Bleiglanz" an Blättern) sind bisweilen schon nach 3 Monaten zu beobachten.

In den Niederlanden sowie in Kanada wurden bei der Anwendung von C. purpureum bereits gute Erfolge mit wässrigen Suspensionen bzw. Emulsionen in Öl erzielt. Bei Freilandversuchen in den Niederlanden starben ca. 90 % der behandelten Stümpfe innerhalb von zwei Jahren ab (Scheepens und Hoogerbrugge 1988). Die in den Berliner Wäldern durchgeführten Freilandversuche lassen zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine endgültige Beurteilung der Effektivität des Verfahrens für die Anwendung in der forstlichen Praxis zu. Aus den bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen wird aber deutlich, dass C. purpureum bei sachgerechter Applikation auch unter den im nordostdeutschen Tiefland herrschenden klimatischen Bedingungen in der Lage ist, bei P. serotina umfangreiche Absterbeprozesse mit bis zu 80 % der behandelten Stubben hervorzurufen. Außerdem ließ sich zeigen, dass verschiedene Applikationsmethoden den Infektionserfolg quantitativ als auch qualitativ beeinflussen.

Gesetzliche Grundlagen und Sicherheit des Verfahrens

In Deutschland ist die Anwendung des Violetten Knorpelschichtpilzes als Pflanzenschutzmittel über § 6a Absatz 4 des Pflanzenschutzgesetzes geregelt (Liste des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit).

Da C. purpureum auf zahlreichen Baumarten als Erreger der Bleiglanzkrankheit vorkommen kann, wurde frühzeitig die Frage nach dem Risiko einer Weiterverbreitung des Pilzes auf lebende Bäume, speziell Obst- und Ziergehölze, aufgeworfen (Infektion über frische Schnittwunden). Im Ergebnis einer umfassenden Analyse des Infektionsgeschehens (De Jong u. a. 1990, 1998) wird empfohlen, zu Obstplantagen einen Sicherheitsabstand von 500 m einzuhalten. Bei Beachtung dieser Distanz besteht kein zusätzliches Befallsrisiko. Die intakte Rinde vermag der Pilz nicht zu durchdringen. Da der Violette Knorpelschichtpilz von Natur aus sehr häufig vorkommt und im besiedelten Substrat relativ kurzlebig ist, sind bei der Anwendung des Pilzes als Mykoherbizid keine ökologischen Nebenwirkungen auf die lokale Pilzflora oder andere natürlich vorkommende Organismen zu erwarten (De Jong u. a. 1998).