Die Gemeine Kiefernbuschhornblattwespe (KBB, Diprion pini L.) kommt im gesamten Verbreitungsgebiet ihrer Hauptfraßpflanze Pinus sylvestris bis in etwa 1.300m über NN vor. Massenvermehrungen spielen sich jedoch vorwiegend im Tiefland auf schlechten Standorten ab.

Charakteristisch für Kalamitäten durch die KBB ist die plötzliche enorme Zunahme der Populationsdichte und ihr häufig ebenso schneller Zusammenbruch in unregelmäßig langen Abständen. Meist kommt es selbst nach Kahlfraß im Folgejahr zur Wiederbegrünung des Bestandes. Nur wiederholter Fraß führt zu merklichen Zuwachsverlusten. Das Absterben von Bäumen bleibt jedoch auch dann in Grenzen. Hingegen schwächt mehrjähriger Nadelverlust die Widerstandskraft der Kiefern so stark, daß Sekundärschädlinge nicht mehr abgewehrt werden können. Bevorzugte Massenwechselgebiete In der Bundesrepublik Deutschland sind das Oberrheintal, Franken und die Lüneburger Heide.

Befallsmerkmale und Diagnose

Die Larven der KBB fressen Nadeln aller Jahrgänge in allen Altersklassen. Bevorzugt werden sonnige Bestandesränder und exponierte Kronen in lückigen Baumhölzern. Massenvermehrungen werden meist im August oder September entdeckt, wenn der Fraß von Larven einer zweiten Generation den Nadelverlust durch die erste Generation verstärkt (Abb. 2). Häufig sind dann unter kahlgefressenen Kronen massenhaft Larven des 3. bis 5. Stadiums auf der Suche nach neue Nahrungsquellen zu finden. Zuvor kündigt sich bereits im Juli das verstärkte Erscheinen einer zweiten Generation durch zahlreiches Vorkommen von sogenannten Sommerkokons (Abb. 3) am Unterwuchs und der Borke von Kiefern an. Nach dem Schwärmen sind Eigelege (Abb. 4) und Larvenfamilien (Abb. 5) dieser gesellig fressenden Art auch an den Rändern von Kulturen und Dickungen zu finden.

Außer der KBB kommen gelegentlich auch verwandte Arten an Kiefern zur Massenvermehrung. Deshalb muß auf eine sorgfältige Diagnose besonders Wert gelegt werden.

Biologie

Die KBB hat variable Generationsverhältnisse und kann bis zu 5 Jahren überliegen, d. h. im Kokon ausdauern, ohne zu schlüpfen. In höheren Lagen (Gebirgstyp) kommt pro Jahr nur eine Generation zur Ausbildung (univoltine Entwicklung). Nur in warmen Gebieten und bei besonders günstiger Witterung kommt es dort zu Massenvermehrungen durch die Entwicklung einer zweiten Generation. Populationen des Tieflandtyps sind zumindest partiell bivoltin. Ihre Neigung zum Überliegen ist gering, die Bereitschaft zu Massenvermehrungen groß. Eine direkte Entwicklung ohne Überwinterung ist nur dann möglich, wenn das letzte fressende Larvenstadium schon im Juli erreicht wird. Später wird der Anteil überwinternder Individuen laufend größer. Bei direkter Entwicklung werden die Kokons in der Krone, am Stamm oder am Unterwuchs gebildet, bei Überwinterung stets in der obersten Bodenschicht.

Die Wiederaufnahme der Entwicklung nach der winterlichen Ruheperiode kündigt sich durch das Erscheinen des Puppenauges an (Abb. 6, links Eonymphe, rechts Pronymphe mit Puppenauge). Sie erfolgt schubweise. Infolgedessen erscheinen die Imagines in deutlich getrennten Schlüpfwellen. Bereits im Spätherbst bilden diejenigen Tiere Puppenaugen aus, die im folgenden April und Mai schlüpfen. Die Entwicklung der Pronymphen, die im Mai auftreten, ist Mitte Juni abgeschlossen.
Individuen, die im Juni bis Anfang Juli Puppenaugen bilden, schlüpfen in einer 3. Welle Ende Juli bis Anfang August.

Die fertige Wespe (Imago) nagt sich ein rundes Schlüpfloch (Abb. 3). Beide Geschlechter schlüpfen zur gleichen Zeit. Die männlichen Blattwespen unterscheiden sich deutlich von den weiblichen: Neben der geringeren Größe sind besonders die gekämmten Fühler auffallend, die der ganzen Familie den Namen geben ("Buschhorn"blattwespen). Sie sind im Gegensatz zu den trägen Weibchen, die nur im Sonnenschein fliegen, sehr lebhaft und besitzen ein gutes Flugvermögen.

Unmittelbar nach dem Schlüpfen findet die Paarung statt, und die Weibchen, auch unbegattete, beginnen mit der Eiablage; im Frühjahr an vorjährigen Nadeln, im Sommer an Maitriebnadeln. 6-12 terminale Nadeln eines Triebes tragen meist den ganzen Eivorrat eines Weibchens (40 bis 150 Stück). In der Regel wird nur eine Nadel des Nadelpaares mit der Legesäge aufgeschlitzt. In den Längsspalt werden 4 bis 25 Eier lückenlos aneinander gereiht abgelegt und mit Kittmasse vermengt mit herausgefeiltem Nadelgewebe abgedeckt (Abb. 4). In Abhängigkeit von der herrschenden Witterung schlüpfen die Eilarven nach 1 bis 5 Wochen und beginnen im engen Familienverband mit dem Schartenfraß an Nadeln (Abb. 5). Ältere Larven fressen, ebenfalls gemeinschaftlich, die Nadeln von der Spitze zur Basis und lassen nur die Mittelrippe stehen. Im letzten Stadium werden die Nadeln von je einer Larve bis auf einen kurzen Stumpf verzehrt. Vom 2. Stadium an wird auch die Rinde der Triebe benagt.

Die Kotkrümel haben eine charakteristische rhombische Form (Abb. 7). Je nach dem Wetter dauert die Fraßperiode 21 bis 60 Tage, wobei selbst innerhalb einer Familie große individuelle Unterschiede herrschen. Zahlreich sind die natürlichen Feinde der KBB.

Unter ihnen befinden sich parasitische Hautflügler (Abb. 8) und Raupenfliegen, sowie räuberische Insekten, Vögel und Kleinsäuger. Um eine genaue Schadensprognose stellen zu können, ist das Erkennen parasitierter, kranker und auch aus ungewisser Ursache vertrockneter Eonymphen im Kokon unerläßlich.

Überwachung der Populationsdichte und Prognose der weiteren Entwicklung

Das Ausmaß der plötzlich auftretenden Entnadelung und die Massen der nach Kahlfraß abbaumenden Larven verleiten zu voreiligen Bekämpfungsmaßnahmen. Häufig machen jedoch ein schneller Zusammenbruch der Massenvermehrung und die dann geringen Folgeschäden jedes menschliche Eingreifen überflüssig. Der Einsatz eines breitenwirksamen Insektizids kann sogar zu einer Erhöhung des Risikos für den Bestand führen, wenn durch Beseitigung z. B. der empfindlichen Schlupfwespen eine schnelle Vermehrung der Blattwespen ermöglicht wird.

Solche Fehlentscheidungen sind zu vermeiden, wenn durch möglichst genaue Ermittlung der Populationsdichte und des Gesundheitszustandes des Schädlings eine weitgehend gesicherte Vorhersage des zukünftigen Fraßes, d. h. der Anzahl fressender Larven pro Krone, erfolgt. Die Prognose kann auf der Grundlage der pro m² Bodenfläche bzw. pro Krone gefundenen Kokons oder der Anzahl Eigelege pro Krone gestellt werden. Beim Probesuchen nach im Boden befindlichen Kokons wird auf einer Fläche von 2,5 m² unter einem Baum mit durchschnittlich ausgebildeter Krone die Moos und Streudecke, die Humusschicht sowie der Mineralboden bis zu einer Tiefe von etwa 5cm gründlich durchsucht. Zur Ermittlung der Sommerkokons und Eigelege sind Probefällungen nötig. Zur Anzahl der in der Krone gefundenen Kokons sind die im Kronenbereich am Boden und die am Stamm nachgewiesenen Kokons zuzuzählen. Den Gesundheitszustand der Kokons erkennt man nach Aufschneiden der Hülle, den der Eier nach Abheben des Schaumdaches unter dem Stereomikroskop.

Nach Abzug der kranken Individuen liegt bei der Eidichtebestimmung direkt die Anzahl der pro Krone fressenden Larven fest, bei der Kokonsuche müssen noch die Fragen geklärt werden, wann das Schlüpfen erfolgt und wieviele Eier abgelegt werden. Während die Larven in Sommerkokons sich stets ohne Ruheperiode zur Imago entwickeln, muß bei im Boden liegenden Kokons mit einem unterschiedlich langen Überliegen gerechnet werden. Die Individuen, die beim nächsten Schlüpftermin erscheinen, sind eindeutig am Puppenauge zu erkennen, der Anteil der Weibchen wird nach der Kokongröße bestimmt. Die Kokons der Männchen sind im Mittel kleiner als die der Weibchen (Abb. 9).

Durch gutächtliches Sortieren der Kokons der Größe nach läßt sich die pro Krone zu erwartende Anzahl Weibchen hochrechnen und nach Multiplikation mit der mittleren Eizahl pro Weibchen (120 Stück) die Eidichte vorhersagen. In kritischen Fällen muß sich dann eine Gesundheitskontrolle der Gelege anschließen. Zur Diagnose des Nadelverlustes durch den Fraß der erwarteten Anzahl von Larven ist die Nadelmasse der Durchschnittskrone zu ermitteln (wiegen oder schätzen). Der Fraßgrad errechnet sich aus dieser Nadelmasse abzüglich des Nahrungsbedarfs der Larven. Eine Larve benötigt zur vollständigen Entwicklung ungefähr 1,5 g Nadeln. Nicht immer werden die für eine solche fundierte Prognose nötigen Unterlagen rechtzeitig zu ermitteln sein.

Dann muß man sich mit folgendem Erfahrungswert begnügen: Kahlfraß ist zu erwarten, wenn 20 gesunde schlüpfbereite Kokons (Männchen und Weibchen) pro m² gefunden werden. Bei der endgültigen Prognosestellung ist zu beachten, daß durch vorhergegangenen Fraß schwach benadelte Kiefern von eierlegenden Weibchen gemieden werden. Dies führt zu einer Entlastung bereits gefährdeter Bestandesglieder oder Areale. Andererseits bevorzugt die KBB aufgelichtete Bestände, so daß menschliches Zutun (z. B. frische Durchforstung, Wegebau usw.) die Gefahr vergrößern kann. Da der Fraß der 1. Generation vor dem Austrieb erfolgt, ist er weniger gefährlich als der der 2. Generation, dem auch die Maitriebnadeln zum Opfer fallen.

Bekämpfung

Zur Bekämpfung der KBB stehen nach dem Pflanzenschutzmittelverzeichnis, Teil 4: Forst, eine ganze Reihe schnell wirksamer, aber z. T. auch giftiger und bienengefährlicher Präparate zur Verfügung. Hiervon muß der Häutungshemmer Dimilin 25 WP ausgenommen werden, der keiner Giftabteilung zugeordnet wurde und nicht bienengefährlich ist. Allerdings scheint seine Wirkung gegenüber der KBB geringer zu sein als gegenüber anderen Kiefernschädlingen wie z. B. der Forleule.

Biologische Präparate zur Niederhaltung der KBB wurden bisher nicht entwickelt.
Die Ausbringung der Mittel kann nur vom Luftfahrzeug aus erfolgen. Solche Einsätze müssen von der nach Landesrecht zuständigen Behörde genehmigt werden.