Möglichst viele verkaufsfähige Bäume in bester Qualität und das spätestens ab einem Alter von acht Jahren zu produzieren, ist das Ziel des Weihnachtsbaumanbaus. Treiben die Bäume unzureichend oder gar nicht aus, bedeutet das für den Produzenten gravierende Verluste. Häufig versucht man, diese Ausfälle mit Frostschaden, Sonnenbrand, Mikroorganismen- oder Insektenbefall usw. zu erklären. Bei falscher Ansprache der Schadursache wird durch die daraus folgenden Behandlungen die Situation der Bäume oft noch weiter verschlechtert. Bei den meisten Schadbildern handelt es sich aber um das Resultat additiver Einflussgrößen.

Belastung beginnt auf Zellebene

Pflanzliche Zellen können Temperaturschwankungen, intensive Sonneneinstrahlung, Wassermangel und / oder eine hohe Salzdosis mittels eigener Schutz- und Entgiftungsmechanismen teilweise ausgleichen. Bei zusätzlichen belastenden Einflüssen über längere Zeit kommt es jedoch zur Erschöpfung des Reparaturmechanismus. Die Folge sind chronische Schädigungen, physiologische und morphologische Veränderungen sowie eine zunehmende Anfälligkeit gegenüber Parasiten. Die Schäden sind grundsätzlich das Resultat verschiedener Einflussgrößen.

Vorrangig stehen damit herbizide Hemmstoffe des Einweiß- und / oder Zellstoffwechsels in Zusammenhang. Diese senken das Wasserpotential, verändern den pH-Gradienten im Zellsaft und reduzieren den Tugor (= Druck des Zellsaftes auf die Zellwand) und die Festigkeit der Zellen. Zudem reichern sich insbesondere bei intensiver Sonneneinstrahlung Radikale an, die die Zellmembranen zerstören. Daraus resultierende Folgen sind beispielsweise:

  • Brechung der Apikaldominanz (Verbuschung, Zwiesel);
  • Störung des Pflanzenwachstums und Verminderung der Wuchsleistung;
  • Reduktion der kambinalen Aktivität sowie gestörte Bildung vom Phloem- und Xylemzellen;
  • erhöhte Empfindlichkeit gegenüber weiteren Belastungen.

Bäume, die einer Stressbelastung ausgesetzt sind, aktivieren Phytohormone, die die Alterung der Pflanze bedingen. Die Meristeme werden unzureichend ausgebildet, die Ruhephase wird vorzeitig eingeleitet. Gleichzeitig vermindert sich durch ein gestörtes und verzögertes Wachstum der Wurzelspitzen die Bildung der Cytokinine, was die Zahl und Ausbildung von Haupt- und Seitenknospen reduziert und den Knospenaustrieb im Frühjahr hemmt oder gar verhindert. Auslöser von Mangelerscheinungen sind unter anderem auch herbizide Stoffe, die die Eiweißbildung und Zellteilung hemmen, z.B. Sulfonylharnstoffe. Ähnlich wie diese Sulfonylharnstoffe verhalten sich die Wirkstoffe Flufenacet und Metosulam, die zunehmend für die "Pflege" von Sämlingen und Kulturen eingesetzt werden. Die Koniferen besitzen keine Mechanismen, um diese Wirkstoffe zu entgiften.

Insgesamt führen die jährlichen Belastungen der Pflanzen zu einer beschleunigten Alterung der Zellen und damit einer unzureichenden Ausbildung der Knospen-Meristeme vor der Herbstperiode.

Belastungen für Pflanzen reduzieren

Weihnachtsbaumproduzenten sollten negativ wirkende Einflüsse von Beginn der Sämlingskultur an niedrig halten. Besonders geachtet werden sollte dabei auf folgende Punkte:

  • Guter Bodenkontakt nach der Verschulung: Er gewährleistet eine gute Wasserversorgung der verschulten Jungpflanzen. Eine zu starke Verdichtung des Bodens ist wegen Sauerstoffmangel für die Wurzeln zu vermeiden.
  • Vermeidung von Wassermangel: Die Pflanzen dürfen erst nach erfolgreichem Anwachsen vorsichtig gedüngt werden, Kontakt mit unverträglichen Herbiziden ist ab dem Stadium der Sämlingskultur nach Möglichkeit auszuschließen.
  • Vermeidung extremer Einstrahlung: Die Jungpflanzen können mit einem Vlies abgedeckt werden, um die Bildung schädlicher Radikale in den Zellen zu verhindern. Der Anbau von Getreide zwischen den Reihen (Abb. 2) schützt die Jungpflanzen vor übermäßiger Sonnen- und UV-Strahlung, Bewindung und Austrocknung.
  • Vermeidung von Herbizidkontakten: Es gibt keine ausgewiesene Resistenz der Koniferen gegenüber Herbiziden. Deshalb ist die mechanische Pflege zu bevorzugen bzw. sind die Pflanzen bei einer Herbizidanwendung abzuschirmen.
  • Reduzierung des Kältestresses: Früh- und Spätfröste können zu gravierenden Schäden führen. Der Anbau geeigneter Herkünfte aus niederen Höhenlagen verhindert ein vorzeitiges Austreiben. Der Kontakt mit herbiziden Hemmstoffen, die die "Kältehärtungs-Schutzstoffe" der Pflanze schädigen können, ist zu vermeiden. Der Abdeckschutz ist für die Jungpflanzen eine sinnvolle, zusätzliche Maßnahme.
  • Kultur- und standortsangepasste Düngung: Temperaturempfindliche Triebbildungen können mit Hilfe einer optimalen, den Kulturen angepassten Düngung (nach Nadel-, keinesfalls nur nach Bodenanalyse) vermieden werden. Eine zu späte, suboptimale und auch überhöhte N-Düngung bei geringen Kaliumgaben muss vermieden werden.
Tab. 1: Optimale Nährstoffverhältnisse in den Nadeln:
N / KN / CaN / MgN / PN / FeN / BN / Zn
> 0,55> 0,55> 0,13> 0,13> 0,0100,0020,003
  • Regelmäßige Nadelanalysen: Bodenanalysen sind unzureichend, da zerstörte Wurzelspitzen aus der Bodenlösung keine Nährstoffe aufnehmen können.
  • Vorprüfung in Frage kommender Herkünfte: Die Eignung vorgesehener Herkünfte für die eigenen Anbaustandorte sollte vor ihrem Anbau geprüft werden.
  • Anbau standortsangepasster Herkünfte: Durch geeignete Herkünfte soll eine zu späte, unzureichende Ausbildung und Aushärtung der Meristeme verhindert werden.

Die Klimaerwärmung wird die Abhärtungsphasen in ihrer Länge und Intensität verändern. Sie haben sich meist verkürzt; auf warme, zumeist trockene Sommer folgen schnell zu feuchte Herbstmonate, eine kurzzeitige Frostperiode sowie eine Enthärtungsphase, bei der sich nach kurzer Erwärmung ein schneller Temperatursturz in den Monaten Februar / März anschließt.

Nur voll ausgebildete Knospen-Meristeme, wie sie die genannten Behandlungshinweise gewährleisten, überstehen diese Belastungsphasen schadfrei.