Wer dem Klang einer Geige oder einer Gitarre lauscht, hört nicht die Saiten, sondern die Schwingungen der Resonanzdecke aus Fichtenholz, die diese wie ein vibrierendes Trommelfell in die Luft überträgt. Bis zum heutigen Tag gibt es weder ein anderes Holz noch ein synthetisches Produkt, das die Fichte beim Bau von qualitativ hochwertigen Instrumenten ersetzen könnte.

Nicht nur beim Klang der Violine oder der Gitarre ist die Fichte "tonangebend", auch bei anderen Instrumenten mit Resonanzkörper ist sie das Holz erster Wahl: Klavier, Cembalo, Bratsche, Cello, Kontrabass, Cymbal, Harfe, Zither sowie bestimmte Orgelpfeifen. Fügt man dieser Liste noch alle anderen Instrumente aus Laubhölzern an, wird schnell klar, dass der Wald die wichtigste Rohstoffquelle der Musik ist!

Eigenschaften von Klangholz

Als Klangholz, Tonholz oder Resonanzholz bezeichnet man Holz, das sich für den Bau von Musikinstrumenten eignet. Entscheidend ist, dass die Resonanzdecke bei geringem Kraftaufwand leicht in Schwingung gerät und gleichzeitig dem Druck des Steges widersteht. Dazu bedarf es eines Holzes, das über teilweise widersprüchliche Eigenschaften wie Elastizität und Widerstandskraft verfügt. Fichtenholz vereint diese Merkmale am besten.

Manchmal werden auch andere Hölzer als Klanghölzer bezeichnet, wenngleich ihre klanglichen Eigenschaften nicht gleich bedeutsam sind. Dies gilt insbesondere für das "geflammte" Ahornholz, dessen dekorative Eigenschaften auch für den Resonanzboden, die Zargen und den Hals der Instrumente aus der Geigenfamilie geschätzt wird.

Ein idealer Klangholzstamm ist möglichst rund und gerade, so wie ein gerader Kreiszylinder. Er ist auf mindestens 5 Metern frei von sichtbaren Astnarben, Verletzungen und faulen Stellen. Er sollte mindestens 55 cm dick sein (für bestimmte kleinere Bauteile reichen 45 cm). Das Holz muss sehr regelmässig gewachsen sein, also aus gleich breiten Jahrringen bestehen, die bei einer Geige maximal 2 mm, bei einem Cello bis zu 4 mm breit sein dürfen. Klangholz besteht aus geraden Fasern, ist nicht gedreht und der Anteil des dunkleren, im Sommer gebildeten Spätholzes ist klein.

Erfahrene Förster und Klangholzhändler erkennen einige Merkmale des Klangholzes bereits am stehenden Baum im Wald. An der Waldstrasse oder im Hof der Sägerei wird dann noch deutlicher sichtbar, ob sich ein Stamm für den Instrumentenbau eignet. Beim Klangholzhändler haben die Instrumentenbauer schliesslich die besten
Informationen anhand der vorbereiteten Klangholzbrettchen.
 

Tabelle 1 - Beobachtung der Eigenschaften von Klangholz
am stehenden Stamm:
  • auf mindestens 5 Metern Länge keine sichtbare Astnarben
  • rund, gerade, nicht hängend (möglichst gleichmässiger Zylinder)
  • keine Verletzungen, keine Fäulnis
  • Durchmesser mindestens 55 cm (45 cm für bestimmte Erzeugnisse)
zusaätzlich am gesägten Stamm:
  • regelmässiges Wachstum (regelmässige Jahrringbreite )
  • gerade Faser (kein Drehwuchs)
  • geringer Anteil an Spätholz
  • kein Druckholz
  • Jahrringbreite maximal 2 mm (Geige) resp. 3–4 mm (Cello)
zusätzlich am Brettchen:
  • leichtes Holz < 450 g/dm3, sehr gut: < 380 g/dm3)
  • viele Markstrahlen (Reflexe auf dem Radialschnitt)
  • keine Harztaschen

Weil viele Forstleute nicht mit der Thematik vertraut sind, wird Klangholz bei der Waldbewirtschaftung zu wenig als solches wahrgenommen, und der Mehrwert bleibt oft ungenutzt.

Vom Jura bis zu den Karpaten

Das seit Jahrhunderten traditionell verwendete Fichten-Klangholz stammt aus den Gebirgswäldern Zentral- und Westeuropas. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich vom Jura bis zu den rumänischen Karpaten. Es umfasst Teile folgender Länder: Frankreich, Schweiz, Liechtenstein, Deutschland, Österreich, Italien, Slowenien, Tschechien, Slowakei, Polen, Rumänien und Ukraine.

Weil die Vegetationszeit im Gebirge wegen der niedrigen Temperaturen nur drei bis fünf Monate beträgt, haben die Bäume wenig Zeit, einen Jahrring auszubilden. Dieser ist entsprechend dünn und hat wenig Spätholz. Optimal sind Standorte, die eine regelmässige Wasserzufuhr während der Vegetationszeit gewährleisten und auch während Trockenperioden feucht bleiben (regelmässiges Wachstum). Sie sind mehr oder weniger windgeschützt (kein Druckholz, keine Risse oder Harztaschen) und nicht allzu steil (kein Druckholz).

Die für das Wachstum des Klangholzes günstigste Höhenlage hängt vom Klima und von der Topografie ab. Im Jura und in den Alpen liegt sie zwischen 1000 und 1900 m ü. M.; in den Karpaten und in Böhmen auf 800-1200 m ü. M. und im Erzgebirge auf 650-900 m ü. M. In diesen Höhenlagen ist die Luft frischer als im Tiefland und Trockenjahre wie 2003 wirken sich weniger aus, so dass die Bäume trotzdem regelmässige Jahrringe bilden.

In der Schweiz kommt Klangholz im westlichen Jura, am gesamten Alpennordhang, in Graubünden und stellenweise im Tessin und Wallis vor (Abb 3). Eine vertiefte Analyse von sechs bekannten Klangholz-Gebieten zeigt unter anderem, dass Klangholz hauptsächlich an Nordhängen wächst (Abb. 5).

 

Einer aus hundert

Klangholzbäume werden in der Regel nicht speziell gesucht, sie fallen im Rahmen der jährlichen Durchforstungen und Verjüngungshiebe an. Während dieser Arbeiten können Förster oder Klangholzhändler die gesuchten Qualitätseigenschaften erkennen und das für den Instrumentenbau geeignete Holz aussortieren. Aber Klanghölzer sind selten: "In den besten Wäldern des Juras oder der Alpen ist es bereits ein gutes Resultat, wenn 1% der Fichtenstämme den Anforderungen der Klangholzhändler genügen", sagt der Forstingenieur und Violinist Philippe Domont, der an der Geigenbauschule Brienz seine eigene Geige baute.

"Klangholz muss immer radial gesägt werden, damit die Jahrringe in der Resonanzdecke stehen. Nur so kann diese den Druck des Steges über Jahrzehnte bis Jahrhunderte ohne Deformation halten", ergänzt Domont. Beim Radialschnitt entstehen ausserdem Bretter, die bei wechselnder Luftfeuchtigkeit nur wenig "arbeiten", so dass sich der Resonanzkörper kaum verzieht. So bleibt der Klang der Geige stabil und für den Musiker berechenbar.

 

 

Verkaufspotenzial auf dem globalen Markt

Die Bergforstbetriebe der Schweiz sind dazu prädestiniert, hochwertiges Holz und insbesondere Klangholz zu produzieren. Die Produktion von Klangholz drängt sich nicht nur wegen der privilegierten geografischen Lage auf, sondern auch aufgrund der hohen Personalkosten. Die Kosten zwingen Schweizer Produzenten dazu, hochwertige Holzprodukte auf den Markt zu bringen. Die Produktion von bestem Klangholz lässt sich auf ideale Weise mit dem typischen Image der Schweiz als Lieferant von Qualitäts- und Präzisionsprodukten verbinden.

Der von einem Klangholzhändler für einen hochwertigen Fichtenstamm bezahlte Preis variiert zwischen Fr. 350.–/m3 (kleine Durchmesser für Spaltschnittprodukte) und Fr. 800.–/m3. Für die gute Qualität "Gitarre" oder "Cello" (mehr als 60 cm Durchmesser) beträgt der Preis bis zu Fr. 1200.–/m3. Dies ist der drei- bis achtfache Wert qualitativ guten Bauholzes. Die potenzielle Nutzung von Klanghölzern in der Schweiz wird pro Jahr auf 1500–3000 m3 geschätzt. Somit errechnet sich jährlich ein Mehrwert von ein bis zwei Millionen Franken.

Ist das aktuelle Resonanzholz qualitativ so gut wie in der Zeit von Stradivarius?

Nur wenige Produkte sind mit so vielen Legenden umgeben wie die Geigen, namentlich diejenigen von Stradivari (1644 - 1737). Viele Behauptungen und Erklärungen – vor allem über die Fabrikations-Geheimnisse des alten Meisters – wurden bis heute ohne wissenschaftliche Grundlage oder Prüfung über Jahrhunderte übertragen.

Professionell geführte Blindversuche unter Einbezug von Wissenschafltern, Musikern und Geigenbauern (in neuerer Zeit z.B. Fritz, 2012) führen aber regelmässig zum Schluss, dass moderne Geigen von ausgewiesenen Berufsleuten als durchaus gleichwertig beurteilt werden, auch wenn ein Teil der Stradivari-Geigen weiterhin als sehr gut beurteilt wird. Unzählige Bücher und Artikel haben bis heute versucht, die "Geheimnisse" von Stradivari und seinen italienischen Zeitgenossen (Herkunft des Holzes, Behandlung des Holzstammes, Lackrezept, Form der Wölbung, usw.) zu enthüllen. Dabei ging oft immer noch vergessen, dass diese Fragen auf einer falschen Hypothese basierten, nämlich auf der angeblichen Überlegenheit der Stradivarius-Geigen.

Auch bezüglich Holzqualität ist aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht davon auszugehen, dass sich die Qualität des Fichtenholzes aus dem Gebirge verschlechtert hätte. Immer wieder wird unter den "Geheimnissen" die "kleine Eiszeit" zitiert (verschiedene Kälteperioden zwischen ungefähr 1300 et 1850, mit durchschnittlichen jährlichen Temperaturabnahmen von weniger als 1 °C). Die für die Geigenbauer zur Verfügung stehende Auswahl an Klangholz war in der Tat im europäischen Alpenraum immer genügend – und zwar in beliebigen Höhenlagen, in denen unterschiedliche Klimata der letzten Jahrhunderten anzutreffen sind. Deshalb sind Projekte zur Modifizierung der Holzqualität aufgrund der Hypothese "Stradivari hatte leichtere, also bessere Hölzer dank der kleinen Eiszeit" für Geigenbauer nicht relevant – auch wenn solche Projekte interessante Kenntnisse über die Behandlung des Material Holz schaffen können.
 

Der Gebirgswald auf dem Instrument

Die Decke einer Geige besteht fast immer aus zwei Zwillingsbrettchen. Diese sind perfekt symmetrisch, da sie demselben Teilstück des Baumstammes entnommen sind. In der Mitte des Instruments werden sie zusammengefügt, wobei die äusseren Jahrringe des Baumes, das heisst die jüngeren, im Zentrum zu liegen kommen. Häufig sind die Jahrringe am Rande des Instruments breiter als in der Mitte, weil der Baum zu diesem Zeitpunkt jünger war und schneller gewachsen ist.

Es ist einfach, die Jahrringe des Baumes auf dem Instrument zu zählen. Eine Geigenhälfte weist mindestens 50 Jahrringe auf, nicht selten sind es mehr als 100 und zuweilen sogar über 200. Zählt man 50 Jahre hinzu (wegen des Abfalls beim Ausschneiden der Brettchen), so erhält man ungefähr das Mindestalter, das der Baum beim Fällen erreicht hatte.

Literatur

  • Domont, Ph. (2000): Mise en valeur des bois de résonance en Suisse. Projet No. 5.162. Rapport final à l’intention du Fonds pour les recherches forestières et l’utilisation du bois. c/o Direction fédérale des forêts, Berne. (PDF, 1.1 MB, mit Zusammenfassung in deutsch).
  • Domont, P. (2001): "Sans forêts de montagne, pas de musique..." In: Silviva (éd.): Tourisme durable grâce à la gestion durable des forêts de montagne. Dossier d’information Journée internationale de la forêt, Birmensdorf: Silviva, S. 21-24.

(TR)