Die Vogelkirsche (Prunus avium) ist die am stärksten vertretene Kirschbaumart in Europa. Sie ist die Urform der Süßkirschen in unseren Gärten. Weitere bei uns heimische Prunus-Arten sind die Sauerkirsche oder Weichsel, die Gemeine Traubenkirsche, die Felsenkirsche oder Steinweichsel und die Schlehe, auch bekannt als Schwarzdorn. Sie liefern zwar teilweise ebenfalls wertvolles Holz, spielen aber als Nutzholzlieferanten nur eine untergeordnete Rolle. Zum einen sind sie weniger häufig, zum anderen meist von geringer Dimension. Die Nachfrage nach Kirschbaumholz ist oft höher als das Angebot. Daher ist die Wertschöpfung bei guter Stammqualität in der Regel sehr hoch.

Holzbeschreibung

Die Kirsche gehört zu den Kernholzbäumen. Splint- und Kernholz sind allerdings im frischen Zustand meist nicht deutlich zu unterscheiden. Der Splint ist etwa zweieinhalb bis fünf Zentimeter breit und von gelblicher bis rotweißer Farbe. Die Farbgebung des Kernholzes ändert sich unter dem Einfluss von Licht stetig. Das gelbliche oder hellrötlichbraune Holz wird unter Lichteinfluss dunkel rötlichbraun bis goldbraun. Zwischen Splint- und Kernholz tritt gelegentlich eine Grünstreifigkeit auf. Zwischen dem Holz der Wildkirsche und dem der Süßkirsche gibt es keine nennenswerten Unterschiede.

Die Gefäße im Frühholz bilden einen fast geschlossenen Porenring (Abb. 1). Die Spätholzgefäße verteilen sich dagegen locker im Grundgewebe. Damit gehört die Kirsche zu den halbringporigen Hölzern. Die Jahrringe sind zueinander klar abgegrenzt, was die Fladern oder Streifen auf der Längsfläche verursacht (Abb. 2). Zudem hat das Holz dichtgestellte aber gleichmäßige Holzstrahlen (Abb. 3). Als Besonderheit können noch dunkle feine Linienzüge das Holzbild beeinflussen. Das Holz hat von sich aus keinen charakteristischen Geruch.

Holzeigenschaften

Das Holz der Kirsche kann aufgrund seiner Rohdichte als mittelschwer bezeichnet werden (Tab. 1). Es bringt gute Festigkeits- und Elastizitätseigenschaften mit (Tab. 2). Im Innenbereich lässt es sich uneingeschränkt verwenden, für den Außenbereich ist es dagegen nicht geeignet.

Zu schnelles Trocknen des Holzes kann zu Verwerfungen und Bildung stärkerer Endrisse führen. Nach der Trocknung weist das Kirschbaumholz in der Regel ein gutes Stehvermögen auf (Tab. 3). Es ist im Allgemeinen problemfrei zu bearbeiten. Erschwert ist lediglich das Spalten des Holzes. Aufgrund der feinporigen Struktur lassen sich problemlos geschlossene Oberflächen herstellen. Beim Kontakt mit Eisen und Wasser können leichte Verfärbungen auftreten.

Eine gezielte Farbveränderung des Holzes kann durch das Dämpfen herbeigeführt werden. Dabei entsteht eine gleichmäßig mahagoniartige, dunkelrote Farbe. Der mit dem Alter des Holzes natürlich auftretende rötlich-goldbraune Farbton kann künstlich mit Hilfe der Verwendung von Alkalien erzeugt werden.

Verwendungsbereiche des Holzes

Wichtigstes Qualitätskriterium für die Verwendung von Kirschbaumholz ist die Farbe. Besonders auf eine möglichst helle und gleichmäßige Färbung sowie einen geringen Splintanteil wird Wert gelegt.

Bereits seit dem 16. Jahrhundert wird das Holz der Kirsche im Möbelbau verwendet. Auch heutzutage wird es hauptsächlich für Möbel gebraucht. Dafür wird das Kirschbaumholz überwiegend als Furnier, daneben aber auch als Massivholz eingesetzt. Es findet sich in vielen Gegenständen des alltäglichen Lebens wieder, z.B. in Form von Schränken, Schreibtischen, Kleinmöbeln sowie Sitz- und Polstermöbeln. Im hochwertigen Innenausbau werden repräsentative Geschäfts- und Büroräume mit Parkett, Wand- und Deckenverkleidungen oder mit Einbaumöbeln aus Kirschenholz ausgestattet.

Die schöne Farbgebung des Holzes ermöglicht eine unendliche Kombinationsmöglichkeit mit anderen Holzarten. Kunsttischler verwenden den Kontrast gerne bei Ornamenten oder Einlegearbeiten. Aber auch für Bildhauer-, Schnitz- und Drechslerarbeiten ist das Holz prädestiniert (Abb. 4). Zu den zahlreichen Verwendungsbereichen des Kirschbaumholzes gehören auch der Musikinstrumentenbau (Xylophone, Pianos, Holzblasinstrumente) oder die Herstellung von Zier- und Gebrauchsartikeln wie Bürstenrücken, Messerhefte- und griffe, Schmuck und Zierkästen.

Die schmackhafte Kirsche

Eine uns allen bekannte und nicht nur bei Kindern beliebte Nutzung der Kirsche ist natürlich der Verzehr der leckeren Früchte. Den ersten reifen Kirschen (Abb. 5) im Frühsommer wurden vitalisierende und heilende Wirkungen zugesprochen. Die zeitlich begrenzte Verfügbarkeit der Kirschen führte schon früh zu adäquaten Methoden, die Früchte haltbar zu machen. Neben der Saftgewinnung und Sirupbereitung wurden diese auch eingekocht.

Aus den Kirschkernen, die bis zu 35 Prozent fettes Öl, aber auch schädliche Blausäureglykoside enthalten, wurde mancherorts das Kirschkernöl gepresst. Heute werden daraus eher die in der Naturheilkunde häufig angewendeten Kirschkernkissen hergestellt.

Zur Herstellung vieler Obstbrände werden unter anderem auch Kirschen mittels Destillationsverfahren verarbeitet. Der echte Wildkirschenbrand ist dagegen eine Rarität. Die erntefrische Wildkirsche hat verhältnismäßig wenig Fruchtfleisch im Verhältnis zu einem relativ großen Stein. Um die 15 Kilogramm entsteinte Kirschen ergeben nach der Maischung in den Gärbehältern etwa 0,7 bis ein Liter Destillat.

Literatur

Artikel aus LWF Wissen 65:

Das komplette LWF Wissen 65 "Beiträge zur Vogelkirsche" ist ebenfalls als PDF (5,7 MB) kostenlos erhältlich.