Am 26. Dezember 1999 richtete der Sturm "Lothar" in der Schweiz grosse Schäden an. Bund und Kantone haben für die Sturmbewältigung etwa 630 Mio Fr. bereitgestellt, die Holzpreise sind massiv gesunken, und gesamthaft haben sich die Betriebsergebnisse der Schweizer Waldwirtschaft weiter verschlechtert. Der verbreitete Eindruck, "Lothar" sei für den Wald ebenso wie für die Waldwirtschaft eine Katastrophe gewesen, hat ein Team von ÖkonomInnen an der Eidg. Forschungsanstalt WSL bewogen, sich mit der Frage nach den wirtschaftlichen Auswirkungen von Naturereignissen im Wald zu befassen.

Intakte Holzvorräte und Schutzfunktion

"Lothar" hat 13.8 Mio. m3 Holz geworfen. Dies entspricht knapp 4 Prozent des Schweizerischen Holzvorrates und wächst in rund anderthalb Jahren wieder nach. Betrachtet man den Einzelfall, so ergibt sich ein anderes Bild: Es gibt Waldeigentümer, bei denen der Sturm praktisch den gesamten Wald gefällt hat. Diese sind aber in der Minderheit. Die Mehrheit der Waldeigentümer war von den direkten Folgen von „Lothar“ nur wenig bis mässig betroffen.

Der Wald dient jedoch nicht nur zur Holzproduktion, sondern auch wesentlich zum Schutz vor Naturgefahren. Die Studie kommt zum Schluss, dass die Schutzleistungen des Waldes durch "Lothar" lediglich in geringem Ausmass beeinträchtigt wurden. Dies, weil einerseits der Sturm hauptsächlich die produktiven Wälder des Mittellandes traf und andererseits geworfene (ungeräumte) Waldbestände weiterhin Schutzwirkung entfalten.

Aus Sicht des Naturschutzes stellen Windwürfe vorwiegend positiv bewertete Naturphänomene dar, die dynamische Entwicklungen im Wald auslösen und die Lebensraum- und Artenvielfalt im Wald tendenziell erhöhen. Die Studie zieht damit die Schlussfolgerung, dass "Lothar" die Waldleistungen (Holzproduktion, Schutz vor Naturgefahren und Naturschutz) übers Ganze gesehen wenig beeinträchtigt hat.

Bezüglich ökonomischen Auswirkungen ist zudem zu beachten, dass der geworfene Waldbestand im Unterschied zu zerstörten Produktionsanlagen in anderen Branchen zu einem grossen Teil verwertbar ist. So können die wirtschaftlichen Verluste, die aus der Zerstörung der Waldbestände resultieren, teilweise kompensiert werden.

Der Preis ist kein Naturereignis

Anders sieht es aus, wenn die Marktdynamik und die daraus resultierenden Holzpreise einbezogen werden. "Lothar" hat fast das Dreifache einer durchschnittlichen Jahresnutzung geerntet. Eine solche Menge sprengt die Aufnahmefähigkeit des inländischen Marktes bei weitem. Es war deshalb vorherzusehen, was passieren würde, wenn all dieses Sturmholz innert kürzester Frist geräumt und vermarktet würde: Die Preise und Erlöse würden fallen, und zwar deutlich.

Niedrige Holzpreise treffen dabei nicht nur jene Waldeigentümer, bei denen Sturmholz im Wald liegt, sondern alle, die Holz verkaufen wollen. Der Holzpreis ist aber kein Naturereignis; er ist davon abhängig, wie sich alle Beteiligten nach dem Sturm verhalten. Je höher die Bereitschaft ist, das Sturmholz auch zu tiefen Preisen zu verkaufen, desto tiefer fällt der Preis. Dabei trägt die Subventionierung der Sturmholzaufbereitung tendenziell zum Preiszerfall auf dem Holzmarkt bei.

Die AutorInnen der Studie empfehlen daher, bei künftigen Sturmereignissen das Holz nicht zu verschleudern. Die grosse Herausforderung für die Waldwirtschaft besteht darin, ihre Marktposition zu verbessern. Eine unabdingbare Voraussetzung dafür ist, dass die Waldwirtschaft nicht länger bereit ist, Sturmholz zu nicht kostendeckenden Preisen zu räumen und zu vermarkten. Dies ist allerdings nur möglich, wenn auch der Wille da ist, Sturmholz liegen zu lassen.