"Es gibt eine Studie zum Energieholzpotential im Kanton Zug. Diese schätzt meiner Ansicht nach das nutzbare Potential zu niedrig ein", erklärt Freddy Abächerli, Geschäftsführer des Maschinenrings Zuger Berggebiet. Die Studie hätte nämlich das Siedlungs- und Landschaftspflegeholz nicht erfasst und zudem nicht berücksichtigt, dass Energieholz infolge ineffizienter Logistik oft zu lange im Wald lagere und dabei teilweise verrotte. Abgesehen davon schlummerten im Privatwald ungenutzte Reserven. Diese Reserven liessen sich jedoch nur mobilisieren, wenn die Besitzer für die Bereitstellung von Energieholz anständig entlohnt würden. Voraussetzung dafür sei wiederum, den Rohstoff möglichst effizient zu nutzen.

Aus dem Gedanken der bestmöglichen Nutzung nachhaltiger Ressourcen haben Mitglieder des Maschinenrings Zuger Berggebiet die Verora GmbH gegründet und das Projekt der Pyreg-Forschungs- und Entwicklungsanlage auf dem Hof von Franz Keiser ins Leben gerufen.

Der Landwirt Keiser ist Teilhaber der Verora GmbH und betreibt die Pyreg-Anlage des Unternehmens im Rahmen einer Leistungsvereinbarung. Sein Sohn ist für die Wartung der Anlage zuständig. Zusammen mit Abächerli entwickeln die beiden die Anlage weiter, erneuern laufend Anlagenteile und bauen die Versorgungskette aus.

Beste Ausbeute durch Sieben

Das von verschiedenen Partnern angelieferte Wald- und Landschaftspflegeholz wird auf dem Hof sortiert und gehackt. Ein Rüttelsieb trennt anschliessend das Hackgut in drei Fraktionen: in eine grobe zur Trocknung als Anfeuerholz, in eine mittlere (20–45 mm) für qualitativ hochwertige Hackschnitzel, und in eine feine (0–20 mm) für die Verkohlung in der Pyreg-Anlage. Die Anteile der drei Fraktionen am Gesamtvolumen variieren je nach Hackqualität des Holzes: Beim Stammholz fallen mehr Schnitzel an, bei feinem Astmaterial mehr Siebreste.

Derzeit läuft die Pyreg-Anlage noch im Entwicklungsstadium, wird oft gewartet und umgebaut. Später soll sie übers Jahr zwischen 70 und 80% der Zeit in Betrieb sein und dabei 2500 m3 Hackschnitzel-Siebreste in 600 bis 800 m3 Pflanzenkohle umwandeln. Bei dieser Auslastung produziert die Anlage 100 bis 150 kWh Abwärme, die z.T. für die Trocknung von rund 4000 Srm (Schüttraummeter) Hackschnitzel genutzt werden soll. In Planung ist auch die Beheizung von drei entfernten Wohnhäusern in der Nähe des Hofes.

Vom Siebrest zur Kohle

Der Feinanteil des gesiebten Hackgutes passiert zunächst die Dosieranlage und wird von dort aus den beiden Reaktoren der Pyreg-Anlage zugeführt. Unter Luftabschluss erfolgt dort der Verkohlungsprozess bei 500 bis 700 °C, wobei eine Doppelschneckenwinde das Material innerhalb von 15 bis 20 Minuten durch die Reaktorröhre befördert. Während dieser Zeit verkohlt das Pflanzenmaterial. Beim Austritt aus dem Reaktor löscht eine Sprühanlage die frische Pflanzenkohle mit einem Wasserfilm ab, bevor diese dem Kohlesilo zugeführt wird.

Das bei der Verkohlung entstehende Brenngas gelangt in eine 1200 °C heisse, flammenlose Brennkammer, wo die Schadstoffe des Gases ausglühen und eine Mineralkristall-Schlacke sowie heisse Abluft zurückbleiben. Die Abluft strömt in die Reaktoren zurück und beheizt dort den Verkohlungsprozess.

Die überschüssige Abwärme aus der Verkohlung und der Abgasreinigung dient, wie erwähnt, der Trocknung der Hackschnitzel.

Stoffkreisläufe

"Pflanzenkohle ist im Boden abbaustabil, saugt Wasser und Nährstoffe auf wie ein Schwamm und gibt sie später wieder ab", erklärt Abächerli. Dank dieser Eigenschaft habe Pflanzenkohle besonders bodenverbessernde Eigenschaften. In Verbindung mit organischen Abfällen nutzen sie die Indios seit Jahrhunderten zur Herstellung von Terra Preta. Kohle wird gerne als Zusatzstoff bei der Kompostierung eingesetzt. "Mit diesen Kohle-Humuskomposten kann man tote und kranke Böden zum Beispiel bei Stadtbäumen sanieren", so Abächerli weiter.

Darüber hinaus findet Pflanzenkohle in der Tierhaltung Anwendung. So verwenden die Mitglieder-Betriebe der Verora GmbH Pflanzenkohle als Einstreu- und Futterzusatz.

Die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten von Pflanzenkohle will die Verora GmbH mehrstufig nutzen: Zunächst soll die Pflanzenkohle als Futterzusatz dienen, dann als Stalleinstreu und schliesslich über weitere Etappen die Bodenfruchtbarkeit für gute Nutzpflanzenerträge verbessern.

Aufgrund ihrer Eigenschaft, Stoffe zu binden, dient Pflanzenkohle in geschlossenen Produktionskreisläufen auch der Reduktion von Treibhausgasen, z.B. von CO2. In der Schweiz laufen erste Pilotprojekte für den Verkauf von CO2-Zertifikaten an Landwirte, die Pflanzenkohle verwenden, um Treibhausgase zu reduzieren.

Gefragte Ware

Die Verora GmbH verkauft Pflanzenkohle derzeit für Feldversuche an landwirtschaftliche Betriebe, wobei die Nachfrage bereits die angebotene Menge übersteigt. Den Preis hat das Unternehmen auf durchschnittlich 300 CHF pro Kubikmeter angesetzt und orientiert sich dabei an den Preisen der anderen Produzenten von Pflanzenkohle.

Abächerli nennt zwei Faktoren, welche die Preise für reine Pflanzenkohle in Zukunft beeinflussen: Die Füllmenge und die Qualität der Pflanzenkohle. "Weil in Big Bags abgefüllte Kohle nach dem Einfüllen zusammensackt, wollen wir mit einer normierten Abfüllmethode sicherstellen, dass unsere Kunden immer die gleiche Abfüllmenge erhalten", sagt Abächerli. Die Qualität der Kohle hängt wiederum vom Kohlenstoffgehalt ab. Je höher dieser ist, desto wirksamer ist das Material. Bei Verora-Pflanzenkohle liegt der Kohlenstoffgehalt zwischen 75 und 80%.

Finanzierung

Trotz guter Nachfrage muss sich noch zeigen, inwieweit Herstellung von Pflanzenkohle wirtschaftlich ist. Derzeit wird die Pyreg-Anlage aus Eigenmitteln, Privatdarlehen sowie mit Geldern der Klimastiftung Schweiz finanziert. Die Klimastiftung Schweiz knüpft ihre Förderbeiträge an zwei Bedingungen: Erstens muss Abwärme für die Trocknung von Hackschnitzeln genutzt werden, um deren Heizwert zu verdoppeln; zweitens muss der Betrieb der Pyreg-Anlage mittelfristig wirtschaftlich sein. "Das erste Kriterium erfüllen wir, beim zweiten sind wir auf dem halben Weg", so Abächerli.

Um die Anlage wirtschaftlich betreiben zu können, muss die Verora GmbH einerseits die Herstellungskosten in den Griff bekommen und andererseits in der Lage sein, neben der Pflanzenkohle auch getrocknete Qualischnitzel in der geplanten Menge zu vermarkten. "Heizen mit Qualischnitzeln, die einen Heizwert von 1 000 bis 1 200 kWh/m3 erreichen, scheint vor allem für kleinere Hackschnitzelheizungen interessant zu sein", meint Abächerli. Die Erfahrungen der ersten Qualischnitzelkunden zeigten, dass ihre Feuerungen damit störungsfreier und mit geringeren Gesamtkosten laufen.

Verbesserungsbedarf gibt es auch bei der Logistik. "Vor allem das Gegenfahrprinzip funktioniert noch nicht, und viele Rohholzlieferanten fahren ohne Ladung vom Hof in Neuheim", meint Keiser. Der Landwirt ist aber überzeugt: "Wenn man die Logistik der Waldholzgewinnung besser an die Verarbeitungs- und Trocknungsprozesse anpasst, kann man Energieholz aus dem Wald kostengünstiger nutzen." Abächerli fügt hinzu: "Eine optimierte Mobilisierung des Waldholzes würde den Waldbesitzern mehr Geld einbringen, und dies würde letztlich das Potenzial bei Waldhackschnitzeln deutlich erhöhen."

Chronologie des Pyreg-Projektes

2011 Anfang Dezember liefert die Pyreg GmbH die Anlage. Die Verora GmbH installiert im Anschluss die übrigen Anlagenteile: Beschickung, Kohleentnahme, Wärmetauschung und Trocknungsanlage für Hackschnitzel.

2012 Ende Juni bewilligt die Gemeinde Neuheim den Pilotbetrieb der Anlage für drei Jahre. Mitte Oktober erhält die Verora GmbH das European Biochar Certificate für die Produktion von Pflanzenkohle.

2013 Ende April erteilt die Schweiz als erstes europäisches Land die Bewilligung für den Einsatz von Pflanzenkohle als Bodenverbesserer in der Landwirtschaft. Bedingung: Die Kohle muss zertifiziert sein und aus naturbelassenem Holz hergestellt werden. Im Sommer erreicht die Anlage 65% der wirtschaftlich notwendigen Leistung im Dauerbetrieb. Weitere Leistungsverbesserungen folgten im darauffolgenden Winter.