Großraubtiere kehren zurück, durch selbstständige Einwanderung sowie unterstützt durch Ansiedlung. Sie besiedeln Gebiete, aus denen sie seit mehr als 100 Jahren verschwunden sind. Ursache für diese Entwicklung ist letztendlich unser geändertes Naturverständnis, das sich in einer höheren Wertschätzung für Bär, Wolf und Luchs sowie strengeren rechtlichen Bestimmungen zu deren Erhaltung manifestiert.

Der stärkere Schutz hat in den Gebieten, wo diese Arten noch vorgekommen sind, zu Populationswachstum und Abwanderung geführt und in den Ausbreitungsgebieten verhindert, dass die Vorboten gleich wieder eliminiert wurden. Wiederansiedlungsprogramme haben diese Ausbreitung beschleunigt bzw. in sonst nicht erreichte Gebiete vorangetrieben.

Ausbreitungspotential

Von den drei Arten haben Wölfe das größte Ausbreitungspotential. Das liegt an ihrer vergleichsweise hohen Produktivität und an dem große Distanzen überbrückenden Abwanderungsverhalten der Jungtiere beiderlei Geschlechter. Zuwanderer aus dem Apennin haben in den Westalpen innerhalb der letzten 20 Jahre einen Bestand von 35 Rudeln aufgebaut. Wölfe aus Polen haben in der Lausitz Fuß gefasst. Vorboten einer weiteren Ausbreitung werden in anderen Regionen Deutschlands, in der Schweiz und Österreich festgestellt. Bei den Bären wandern nur Männchen weite Strecken auf der Suche nach einem Streifgebiet, die Ausbreitung verläuft daher weitaus langsamer. Zwei Aussetzungs- bzw. Bestandsstützungsprojekte hat es in Mitteleuropa gegeben, wobei das eine in Österreich nicht erfolgreich verlaufen ist, das andere im Trentino aber gut vorankommt. Alle Luchsvorkommen in Deutschland, Tschechien, Frankreich, der Schweiz, Slowenien und Österreich gehen auf Aussetzungen zurück, mit durchaus unterschiedlichen Erfolgsgeschichten.

Konfliktpotential

Oft wird die Frage gestellt, ob Bär, Wolf und Luchs in der heutigen Kulturlandschaft überhaupt Lebensraum vorfinden. Die Antwort für die großen Beutegreifer ist ein klares Ja, sie kommen und vermehren sich, wenn wir sie lassen. Die Frage ist also vielmehr, ob wir mit ihnen zu Rande kommen, denn Konfliktpotential ist gegeben. Wirtschaftliche Schäden stehen im Mittelpunkt der Debatte, die Gefährlichkeit wird ebenfalls heiß diskutiert. Schafe und Ziegen sind unter den Nutztieren am meisten gefährdet und Wölfe zeichnen in Hinblick auf Nutztierrisse das größte Gefahrenpotential aus. Als Allesfresser mit großer Kraft und Geschicklichkeit interessiert sich der Bär nicht nur für Schafe, seine Schadenspalette umfasst unter anderem auch das Zerlegen von Bienenstöcken, Plündern von Fischfuttervorräten, Zerstören von Kanistern und Motorsägen auf der Suche nach Bioschmieröl, Obstklauben in Gärten oder Ernten von Mais- und Haferfeldern. Der Luchs ist der zurückhaltendste, selbst Schafe stehen nur selten auf seinem Speisezettel.

Schadenszuordnung und Abgeltung

Großraubtiere verursachen Schäden. Der Schutz der Großraubtiere ist ein gesellschaftliches Anliegen und es ist nicht zumutbar, dass die Geschädigten bzw. potentiell Geschädigten Kosten und Mehraufwand für Verluste und Vorbeugungsmaßnahmen alleine tragen müssen. Die Gesellschaft, d. h. die öffentliche Hand, ist daher aufgerufen, Schäden auszugleichen und Präventionsmaßnahmen zu unterstützen. Das ist die einfache Rechnung zur Erreichung der vielbeschworenen Akzeptanz von Großraubtieren durch die lokale Bevölkerung. In der Praxis ist es bei weitem nicht so einfach, einen Konsens zu erreichen. Schon allein die Frage, was ein abgeltungswürdiger Schaden ist, ist nicht so leicht zu aller Zufriedenheit zu beantworten. Ein Schafriss ist ein klarer Fall, eine zerlegte Bienenhütte ebenso – vorausgesetzt Wolf, Luchs oder Bär stehen als Verursacher fest. Das kann schon die erste Hürde sein, denn auch Hunde und Füchse interessieren sich für Nutztiere. Noch schwieriger wird es in Fällen, wo der Nachweis der Beteiligung von einer der Großraubtierarten am Schadensgeschehen kaum möglich ist, z. B. im Fall von Panikschäden, Abstürzen oder spurlosem Verschwinden von Weidetieren auf der Alm. Wie verhält es sich mit Wildtierrissen oder der oft befürchteten Jagdwertminderung? Wild ist dem Gesetz nach herrenlos, aber die Art der Bewirtschaftung und der emotionale Zugang der Jäger entspricht dem nicht. Wie sind die Schäden zu beurteilen, wenn eine Bewirtschaftungsform Schäden geradezu herausfordert, wie z. B. freie Schafbeweidung in deckungsreichem Gelände oder Konzentration von Rotwild in ungeeignetem Winterhabitat durch Fütterung? Akzeptanz ist nur zu erreichen, wenn die Fragen offen diskutiert und klare Regelungen gefunden werden.

Schadensprävention

Schadensabgeltung sollte nicht unabhängig von Schadensvorsorge gesehen werden. Wirkungsvolle und in vielen Einsätzen erprobt Präventionsmaßnahmen sind verschiedene Arten von Zäunungen, Behirtung und der Einsatz von Herdenschutzhunden. Prävention bedeutet Mehraufwand und kann Schäden nicht immer verhindern. Schadensvorbeugung kann auch tiefgreifende Umstellung in der Bewirtschaftung erfordern, z. B. Herdenzusammenlegung und Weideführung durch einen Hirten in alpinen Almregionen. Wie viel Umstellung ist zumutbar bzw. kann guten Gewissens von Almbauern eingefordert werden? Wenn Herdenschutzmaßnahmen nicht genügend greifen und von einzelnen Individuen überwunden werden, ab wann und unter welchen Voraussetzungen kann eine selektive Entnahme ins Auge gefasst werden?

Von den drei Großraubtierarten erfordert der Wolf, was das Schadenspotential und die Notwendigkeit von Prävention betrifft, die größte Aufmerksamkeit. In der Debatte um die Schäden von Großraubtieren schwingen auch immer andere Problemfelder mit wie z. B. der generelle Konflikt zwischen Stadt und Land oder die allgemeine Unzufriedenheit der Bauern mit der Agrarpolitik. Das Management der großen Beutegreifer ist, besonders in den neu besiedelten Gebieten, eine Herausforderung für Politik, Verwaltung, Interessensvertretungen und NGOs. Die Bewältigung der Schadensproblematik ist entscheidend für die Möglichkeit einer Koexistenz von Bär/Wolf/Luchs und Mensch in der mitteleuropäischen Kulturlandschaft.