Mit weltweit etwa 925 Arten sind Fledertiere nach den Nagetieren die artenreichste Säugetier-Ordnung. Die 759 Arten der Unterordnung Fledermäuse besiedeln Lebensräume von den Tropen bis hin zur kühl-gemässigten Zone. In scharfem Kontrast zu deren erfolgreicher stammesgeschichtlichen Entwicklung steht die Tatsache, dass in Mitteleuropa ein grosser Teil der Fledermausarten gefährdet ist. Bei Fledermausarten wie dem Grossen Mausohr (Myotis myotis), dessen Kolonien in Mitteleuropa vorwiegend Dachstöcke beziehen, waren Bestandeseinbussen besonders auffällig.

Als wichtigste Gründe für die Gefährdung des Grossen Mausohrs und vieler weiterer Fledermausarten gelten Quartierzerstörungen und ein durch den Kulturlandschaftswandel bedingter Rückgang der Nahrungsressourcen.

Nahrung und Jagdgebiet

Die Nahrung des Grossen Mausohrs besteht in Mitteleuropa hauptsächlich aus grossen Bodenarthropoden, von denen Laufkäfer mit etwa 50 bis 80 Prozent den grössten Anteil bilden. Die Jagdgebiete liegen vor allem in Wäldern. Einschichtige Wälder mit bestandesbildender Oberschicht und fehlender Strauchschicht werden hierbei bevorzugt, da das Grosse Mausohr seine Beute vor allem vom Boden aufnimmt.

Das in Mitteleuropa zu beobachtende Nahrungsspektrum des Grossen Mausohrs erscheint ungewöhnlich eng, denn insektivore Fledermäuse haben im Allgemeinen eine opportunistische Ernährungsweise. In Spanien und Portugal haben Laufkäfer in der Nahrung des Grossen Mausohrs einen geringeren Stellenwert als in Mitteleuropa – hier jagt das Grosse Mausohr zudem hauptsächlich im Offenland.

Landschaftswandel und Ernährungsspezialisierung

In der Kirche von Tegerfelden in der Nordschweiz wurde Kot einer zwischenzeitlich erloschenen Kolonie des Grossen Mausohrs gefunden, der dort seit etwa 1880 vor äusseren Einflüssen geschützt lag. Dadurch ergab sich die aussergewöhnliche Möglichkeit, Einblicke in die Nahrungsökologie dieser Fledermausart vor über hundert Jahren zu gewinnen. So konnte auch untersucht werden, ob die heutige Spezialisierung des Grossen Waldohrs auf Laufkäfer als Hauptbeutegruppe und auf Jagdhabitate im Wald bereits schon Ende des 19. Jahrhunderts vorhanden war oder ob sie eine Folge des Landschaftswandels Mitte des 20. Jahrhunderts sein könnte.

Die Untersuchung hat gezeigt, dass das Grosse Mausohr vor der grossräumigen Intensivierung der Landwirtschaft Mitte des 20. Jahrhunderts häufiger im Offenland jagte als heute, weil das Beuteangebot im damaligen Offenland vermutlich grösser war. Zugleich fand das Grosse Mausohr in den Nieder- und Mittelwäldern des ausgehenden 19. Jahrhunderts vermutlich weniger Jagdhabitate mit einem genügend verfügbaren Beuteangebot.

Qualität der Jagdhabitate fördern

Das Grosse Mausohr wird in den mitteleuropäischen Wäldern voraussichtlich auch in Zukunft genügend zur Jagd geeignete Flächen mit ausreichendem Beuteangebot vorfinden. Hierfür muss gewährleistet sein, dass ausreichend grosse Waldflächen weiterhin als Hochwälder bewirtschaftet werden. Prädestiniert dafür sind Buchenwälder auf produktiven Standorten, welche aufgrund ihrer Hallenstruktur und ihrer vergleichsweise hohen Laufkäferbiomasse für das Grosse Mausohr eine hohe Jagdhabitatqualität aufweisen. Bewirtschaftungskonzepte, wie zum Beispiel der Dauerwald mit ungleichaltrigen, stufigen Bestandesstrukturen, können die Artenvielfalt im Wald erhöhen, sind jedoch flächendeckend angewandt nicht im Sinne des Grossen Mausohrs.

Neben dem Erhalt eines ausreichenden Jagdhabitats- und Beuteangebots im Wald muss für den Schutz des Grossen Mausohrs auch eine ökologische Aufwertung der landwirtschaftlichen Nutzfläche angestrebt werden. Das aktuelle Agrar-Umweltprogramm der Schweiz geht diesbezüglich in die richtige Richtung und zeigt für andere Arten bereits Erfolge. Eine Steigerung des Angebots an grossen Laufkäfern im Offenland kann einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität und möglicherweise zur erneuten Ausbreitung der mitteleuropäischen Mausohrpopulation leisten.