Als nach der Eiszeit die Schweiz wieder ergrünte, kehrten auch die Flusskrebse zurück. Der Dohlenkrebs (Austropotamobius pallipes) vom Westen, der Steinkrebs (Austropotamobius torrentium) vom Osten her. Mitten durch den Kanton Aargau verläuft heute noch die Demarkationslinie. "Das macht den Aargau zu einem besonderen Standort für die hiesige Krebsfauna", sagt Thomas Stucki, Mitarbeiter der kantonalen Fischereifachstelle.

Der Stafeleggbach gehört dem Dohlenkrebs. Er entspringt im Jura und fliesst via Sissele in den Rhein. Er ist überall ein wenig verbaut, bietet aber auf einem Grossteil der Strecke noch alles, was Krebse brauchen: sauberes Wasser, eine abwechslungsreiche Sohle und natürliche Ufer mit vielen Verstecken, in die sich die nachtaktiven Tiere tagsüber verkriechen können.

Verletzliche Population gegen Risiken wappnen

Seit seiner Dissertation über Flusskrebse ist Thomas Stucki einer der profundesten Kenner dieser Artengruppe. Unter anderem am Stafeleggbach setzt er heute sein Wissen um. Die Krebse sind hier noch zahlreich, doch die Population ist verletzlich. Bei Fischsterben durch Gülle oder Pestizide gehen jeweils auch die Krebse ein. Ein einziges Ereignis kann einen ganzen Bestand auslöschen.

"Wir versuchen daher, die Zuflüsse als Krebshabitate aufzuwerten und zu vernetzen", sagt Stucki. Bei Bedarf werden dort auch Tiere aus dem Stafeleggbach angesiedelt. Bei einem Fischsterben im Hauptbach würden zumindest die Tiere in den Seitengewässern überleben.

Eingeschleppte Krebspest

Drei Krebsarten waren vor 150 Jahren in der Schweiz heimisch. Den dritten, den Edelkrebs (Astacus astacus), hatten mittelalterliche Mönche als Fastenspeise in unsere Gewässer gebracht. Heute sind alle drei auf dem Rückzug.

Umgekehrt verläuft die Entwicklung bei den Neuankömmlingen: beim Galizierkrebs (Astacus leptodactylus) aus Südosteuropa sowie bei den Amerikanern Kamberkrebs (Orconectes limosus), Signalkrebs (Pacifastacus leniusculus) und Roter Sumpfkrebs (Procambarus clarkii). Sie machen den Einheimischen den Lebensraum streitig. Die Arten aus Übersee sind zudem Überträger der Krebspest.

Die Seuche war um 1880 zusammen mit den Kamberkrebsen nach Europa gekommen. Der Erreger - ein Pilz - fristet in seinem Herkunftsgebiet ein unauffälliges Dasein: Die amerikanischen Krebse werden von ihm zwar befallen, erkranken aber nicht. Diesseits des Atlantiks vernichtete er Ende des 19. Jahrhunderts den grössten Teil der Krebsfauna. Die Krebspest ist eine stete Bedrohung geblieben. Der Signalkrebs und der Rote Sumpfkrebs leben in der Schweiz zum Glück erst vereinzelt. Ganz wegbringen wird man sie wohl nicht mehr, doch ist schon viel geholfen, wenn eine weitere Ausbreitung verhindert werden kann.

Im aargauischen Mellinger Weiher gelingt dies durch gezielte Bewirtschaftung und Abwanderungssperren. Von den Fischereipächtern eingesetzte Hechte führen die Krebse auf ihrem Speisezettel. Desgleichen ein Gastwirt, der sie in Reusen fängt und so Rote Sumpfkrebse als Spezialität des Hauses anbieten kann. Sperren und Fangkörbe verhindern die Ausbreitung Richtung Reuss.

Tab. 1 – Krebsarten in der Schweiz

einheimische Artennicht einheimische Arten

Edelkrebs
Steinkrebs
Dohlenkrebs

Galizierkrebs
Kamberkrebs
Signalkrebs
Roter Sumpfkrebs

Aktionsplan für Flusskrebse

Die Lebensraumansprüche der Krebse decken sich weitgehend mit den Zielen von Bachrenaturierungen: naturnahe Ufer, eine reich strukturierte Sohle, eine wirksame Dosis Dynamik, sauberes Wasser. Der Nationale Aktionsplan Flusskrebse Schweiz des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) setzt die Priorität auf die Erhaltung noch bestehender vitaler Vorkommen. Diese "Genpool- Standorte" bilden die Quelle für mögliche Umsiedlungen, womit das Verbreitungsareal vergrössert und so die Populationen gesichert werden sollen.

Der wichtigste Genpool-Standort für den Dohlenkrebs ist die Lucelle (Lützel) samt ihren Zuflüssen JU/BL/SO, beim Steinkrebs sind es die Bäche am Tannenberg im Kanton St. Gallen. "Das BAFU koordiniert jetzt die Umsetzung der Massnahmen", sagt Daniel Hefti von der Sektion Fischerei und aquatische Fauna im BAFU. "Finanziell engagiert sich der Bund namentlich beim Schutz der Genpool-Standorte und bei der Bekämpfung des Signalkrebses."

Mit Brot und Kräuterbutter

Um den Edelkrebs zu erhalten, ist Bewirtschaftung der beste Weg. Die Art gedeiht gut in Weihern. Je grösser die Zahl der Kleingewässer ist, auf die sich eine Population verteilt, desto weniger können ihr Pestausbrüche in einzelnen Weihern anhaben. Ein Comeback des Edelkrebses in der Küche wäre deshalb in den Augen von Thomas Stucki durchaus förderlich. Er empfiehlt Kochen in Bouillon (15 Minuten) mit Brot und Kräuterbutter als Beilage. Serviert werden Schwanz und Scherenmuskeln, der Rest lässt sich, verfeinert mit Tomaten und anderem Gemüse sowie mit Cognac, zu einer exquisiten Suppe verarbeiten.