Feuer ist weltweit eine der wichtigsten natürlichen Störungen. Es beeinflusst die Ökosysteme auf vielfältige Weise: So verändert es sowohl die chemischen und physikalischen Eigenschaften des Bodens als auch die Vegetation je nach Feuerintensität. Die Störung löst eine Veränderung in der Zusammensetzung der Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren aus. Dabei profitieren jene Arten unmittelbar von einem Brand, die einerseits die neuen, rauen Umweltbedingungen ertragen und andererseits sich rasch ausbreiten. In Regionen, wo Feuer ein wichtiger Bestandteil der Ökosysteme ist, haben sich Arten evolutiv an das Feuerregime angepasst.

Der Waldbrand von Leuk (Abb. 1) im Zentralwallis im August 2003 bot die Möglichkeit, die Auswirkungen des Feuers auf die Gliederfüsser sowie deren Sukzession nach dem Brand zu untersuchen.

Mit standardisierten Fallen wurde zwei, drei, fünf und zehn Jahre nach dem Brand das Vorkommen folgender Artengruppen (Abb. 2) erhoben:

  • Asseln (Isopoda)
  • Spinnen (Araneae)
  • Wanzen (Heteroptera)
  • Käfer (Coleoptera)
  • Netzflügler (Neuroptera)
  • Schwebfliegen (Syrphidae)
  • Bienen und Wespen (Aculeata ohne Formicidae)

Für die ökologische Gruppierung wurden die einzelnen Taxa in die folgenden funktionellen Gruppen eingeteilt: Pflanzenfresser (Herbivore: Teil Wanzen, Rüsselkäfer), Räuber (Prädatoren: Spinnen, Teil Wanzen, Laufkäfer, Netzflügler) und Bestäuber (Bienen, Schwebfliegen).

Die insgesamt 18 Fallenstandorte befanden sich auf drei unterschiedlichen Höhenstufen (1200 m, 1450 m, 1700 m) und in drei verschiedenen Habitattypen: im intakten Wald angrenzend an die Waldbrandfläche (= Kontrolle), am Rand und im Zentrum der verbrannten Fläche (Abb. 3).

Entwicklung der Artenzahlen

In den vier Erhebungsjahren wurden über 250'000 Individuen von 1923 Arten der untersuchten Gruppen gefangen. Das sind überraschend grosse Zahlen, wenn man bedenkt, dass nur an 18 Fallenstandorten in einem Gebiet von 300 ha gesammelt wurde. Als artenreichste Gruppe erwiesen sich die Käfer mit 654 Arten, gefolgt von den Bienen und Wespen mit insgesamt 555 Arten, den Wanzen mit 283, den Spinnen mit 218, den Schwebfliegen mit 123 und den Netzflüglern mit 54 Arten. Von den Asseln wurden mit 11 am wenigsten Arten gefunden.

Auf der Brandfläche wurden signifikant mehr Arten gefangen als im Wald. Die Hälfte aller Arten (n = 949) trat ausschliesslich in der Brandfläche auf (Abb. 4). Im Gegensatz dazu fanden sich nur 159 Arten (8.4%) ausschliesslich im Wald. 800 Arten (42%) kamen sowohl auf der Brandfläche als auch im Wald vor. Die Anzahl der Individuen (und damit in etwa auch die Biomasse) folgte einem ähnlichen Muster.

Über den gesamten Zeitraum hinweg erwies sich die mittlere Artenzahl pro Fallenstandort bei allen untersuchten Gruppen im Brandgebiet höher als im umgebenden Wald (Abb.5). Nur die flugunfähigen und am Boden lebenden Asseln (Zersetzer) und Spinnen (Räuber) bildeten eine Ausnahme. Diese beiden Gruppen zeigten zwei Jahre nach dem Brand eine niedrigere Artenzahl auf der Brandfläche, nach etwa fünf Jahren war sie dann aber bereits wieder gleichauf (Spinnen) oder gar höher (Asseln) als im intakten Wald.

Im Gegensatz zu diesen bodenlebenden Arten kamen die Schwebfliegen (Bestäuber) zu Beginn in hoher Artenzahl vor, zeigten aber nach zehn Jahren Beobachtungszeit wieder ähnlich wenig Arten wie im Wald. Bei der zweiten Bestäubergruppe (Bienen und Wespen) bleibt unklar, ob die Artenzahl nach zehn Jahren ebenfalls wieder zurückgeht, da die Artbestimmung des letzten Jahres zum Zeitpunkt dieser Publikation noch nicht abgeschlossen war. Bei den anderen Gruppen, insbesondere bei den Wanzen und den räuberischen Netzflüglern, blieben die Artenzahlen über den ganzen Untersuchungszeitraum auf den Brandflächen deutlich höher als im angrenzenden Wald, und sie zeigten noch keine Tendenz zur Abnahme. Überraschend ist, dass es praktisch nie einen Unterschied zwischen der Artenvielfalt am Rand und im Zentrum der Brandfläche gab. Offenbar war die Wirkung des Feuers in beiden Bereichen ähnlich stark, und die Wiederbesiedlung von den angrenzenden Gebieten her erfolgte sehr schnell.

Auch bei den funktionellen Gruppen ergab sich dasselbe Muster: Die Pflanzenfresser und die Bestäuber – mit Verzögerung auch die Räuber – erreichten in der Brandfläche deutlich höhere Artenzahlen als im Wald. Die Bestäuber, die von den zahlenmässig dominierenden Bienen geprägt sind, und die Prädatoren zeigten dabei nach fünf bzw. zehn Jahren bereits eine Tendenz zur Abnahme, die Pflanzenfresser hingegen nicht.

Schlussfolgerung

Ökologische Störungen wie Feuer schaffen Habitate, die im Wallis eher selten geworden sind. Offene Waldlandschaften und trockene Strauchhabitate kamen in der Vergangenheit häufiger vor, einerseits infolge von Feuer und anderen Störungen und andererseits durch die intensivere menschliche Nutzung des Waldes (z.B. Holz- und Streunutzung, Waldweide). Dies gilt nicht nur für das Wallis, sondern auch für die ganze Schweiz sowie Europa.

Die auf der Brandfläche gefundene Artenzahl war im Mittel doppelt so hoch wie im intakten Wald. Dies hat vor allem zwei Gründe:

  • Erstens hat das Feuer in grosser Menge neue Ressourcen (Nahrung, Lebensraum, Nistmöglichkeiten) geschaffen. Die Bestäuber und allgemein die Herbivoren (z.B. die Heuschrecken) haben vor allem von der Zunahme der Artenvielfalt und der Biomasse der Pflanzen und dem damit verbundenen hohen Blütenangebot profitiert, was sich wiederum positiv auf die Prädatoren auswirkte. Viele xylobionte Käfer benötigen als adulte Tiere Nektar und Pollen sowie für die Eiablage sonnenbeschienenes Totholz, in dem sich dann auch die Larven entwickeln. Die offene Brandfläche mit den vielen toten Bäumen und dem grossen Blütenangebot bot deshalb für diese Gruppe ein ideales Habitat.
  • Zweitens hatte das Feuer die bestehenden Konkurrenzverhältnisse unter den Arten zerstört, was die Koexistenz von konkurrenzstarken (Klimax-)Arten und konkurrenzschwachen (Pionier-)Arten erlaubte. Unter diesen Bedingungen ist eine maximale Diversität möglich.

Die Untersuchungen der Biodiversitätsentwicklung nach dem Brand in Leuk haben bestätigt, dass Waldbrand als ökologische Störung ein wichtiger Treiber sowohl für die Erhaltung der Artenvielfalt als auch für auf Brand spezialisierte Arten ist.

(TR)