Die Eiche (Quercus spp.) wurde in der Schweiz während Jahrhunderten intensiv gefördert, vor allem in den ehemals häufigen Mittelwäldern und auf Waldweiden zur Schweinemast. Heute dominiert sie nur noch auf gut 2% der Schweizer Waldfläche. Trotz ihrer vergleichsweise geringen Häufigkeit ist die Eiche in den letzten Jahren vermehrt ins Zentrum waldpolitischer und waldplanerischer Überlegungen gerückt. Die Gründe dafür sind, dass sie wichtige Beiträge zur Erhaltung der Biodiversität liefert und ihr aufgrund ihrer Trockenheitstoleranz ein hohes Potenzial im Rahmen der Anpassung an den Klimawandel zugeschrieben wird.

Sowohl für die Bewirtschaftung hinsichtlich Naturschutzzielen als auch für die Planung von Strategien zur Anpassung an den Klimawandel ist die Frage nach dem natürlichen Potenzial der Eiche in der Schweiz und in Mitteleuropa zentral. Aufgrund der intensiven Bewirtschaftungsgeschichte ist diese Frage nicht einfach zu klären. Vielmehr werden derzeit zwei gegenläufige Entwicklungen diskutiert: Einerseits wird die lichtbedürftige und konkurrenzschwache Eiche ohne eine intensive Förderung zunehmend von schattentoleranteren Arten wie der Buche verdrängt. Andererseits ist zu erwarten, dass viele Waldstandorte in Mitteleuropa im Zuge des Klimawandels trockener und wärmer werden, was die relative Konkurrenzkraft der Eiche begünstigt, sodass sie sich vermehrt gegen weniger trockenheitstolerante Arten wie die Buche durchsetzen könnte.

Eine Möglichkeit, um das natürliche Potenzial der Eiche zu beurteilen, liegt in der langfristigen Beobachtung der natürlichen Dynamik in Eichenwäldern. Eichenreiche Naturwaldreservate bieten optimale Voraussetzungen für solche Beobachtungen, weil keine lenkenden Eingriffe durch den Menschen erfolgen. Wissenschaftler der ETH Zürich und der Forschungsanstalt WSL gingen folgenden Fragen nach:

  1. Wie korrelieren Niederschlag und Temperatur mit dem jährlichen Durchmesserzuwachs der Eiche? Unterscheiden sich diese Korrelationen entlang eines Bodenfeuchtegradienten?
  2. Wie hat sich die Eichenmortalität seit der Gründung der Reservate entwickelt? Welche Einflussgrössen korrelieren mit der Eichenmortalität?

Der ersten Frage gingen sie mittels Jahrringdaten auf den Grund, der zweiten mittels Inventurdaten aus den Naturwaldreservaten des WSL/ETH-Netzwerks. Für die vorliegende Studie wurden jene Reservate berücksichtigt, in denen bereits mindestens drei Inventuren stattgefunden haben und deren Eichenanteil bei der letzten Inventur mindestens 10% betrug. Sie decken ein breites Spektrum der eichenfähigen Standorte in der Schweiz ab, wobei neben typischen Eichenstandorten auch Standorte im Buchenoptimum vertreten sind.

Forschung in Naturwaldreservaten

Mit dem Ziel vor Augen, eine solide Basis für die Erforschung der natürlichen Walddynamik zu schaffen, initiierte Hans Leibundgut (1940–1979 Professor für Waldbau an der ETH Zürich) Ende der 1940er-Jahre ein Netzwerk von Naturwaldreservaten in der Schweiz. Seit 2006 führen die WSL und die ETH die Forschung in diesem Reservatsnetzwerk mit finanzieller Unterstützung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) gemeinsam durch. Das Netzwerk umfasst heute 49 Naturwaldreservate. Insgesamt gibt es in der Schweiz bereits über 800 Naturwaldreservate.

www.waldreservate.ch

Die wichtigsten Resultate in Kürze

  • In elf der zwölf Untersuchungsgebiete nahm der Eichenanteil im betrachteten Zeitraum ab (Abb. 2). Es handelt sich vorwiegend um Traubeneichen, in wenigen Fällen auch um Flaumeichen.
  • Die Grundflächen der Bestände nahmen in zehn der zwölf Untersuchungsgebiete monoton zu (Abb. 3).
  • Das Eichenwachstum wurde am stärksten durch den Sommerniederschlag limitiert: In Jahren mit hohem Sommerniederschlag wurde ein deutlich erhöhtes Jahrringwachstum festgestellt.
  • Der Zuwachs reagiert stärker auf den Niederschlag als auf die Temperatur.
  • Die Eichenmortalität lag in den einzelnen Inventurperioden zwischen 0% und 25% pro Jahr, wobei die Bäume umso eher abstarben, je geringer ihr Durchmesser, je grösser die Bestandesgrundfläche und je grösser der mittlere Niederschlag in der Inventurperiode waren. Feuchte Phasen erhöhten hauptächlich die Mortalität kleiner Eichen. Dies lässt sich durch einen indirekten Konkurrenzeffekt erklären, da bei feuchter Witterung üblicherweise eine grössere Blattfläche ausgebildet wird. Unter den dichteren Kronen leiden insbesondere kleine Bäume, die das Kronendach nicht erreichen oder keine volle Krone ausbilden können. Dieser Effekt wirkt sich vor allem bei lichtbedürftigen Baumarten wie der Eiche aus.
  • Die Ergebnisse geben keinen Anlass zur Annahme, dass die Eiche der Buche im Mittelland klimatisch bedingt bald den Rang streitig machen würde.

Details siehe Originalartikel (PDF)

Schlussfolgerung

Naturwaldreservate bieten reiches Material für die Untersuchung der Konkurrenz-, Zuwachs- und Mortalitätsprozesse der einheimischen Baumarten, wie das Beispiel unserer Studie an Eichen zeigt. Für die untersuchten Standorte liessen sich keine Hinweise auf eine natürliche Begünstigung der Eiche im Zuge des anthropogenen Klimawandels finden. Der berücksichtigte Zeitraum ist dafür eventuell zu kurz und die Klimaveränderung noch nicht genügend ausgeprägt, als dass bereits ein Signal sichtbar wäre.

Während die Zuwachsreduktionen in trockenen Sommern vor einer abschliessenden Beurteilung noch mit der Reaktion konkurrierender Arten verglichen werden sollten, zeigte sich bei der Mortalität ein stark negativer Einfluss der Konkurrenz insbesondere auf kleine und mittelgrosse Eichen. In den zunehmend dichteren Beständen wurde die Eiche von schattentoleranteren Arten wie der Buche verdrängt.

Für die Förderung der Eiche scheint somit eine reine Unterschutzstellung, wie sie in Naturwaldreservaten geschieht, auf buchenfähigen Standorten zumindest derzeit kontraproduktiv zu sein. Solange sich die Konkurrenzverhältnisse nicht zugunsten der Eiche verschieben, bietet sich als Alternative die gezielte Förderung der Eiche in Wirtschaftswäldern oder Sonderwaldreservaten an.