Der Anhang II der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie enthält Tier- und Pflanzenarten, deren Lebensräume im Rahmen des Europäischen Netzes Natura 2000 vorrangig zu erhalten sind. Da sich unter diesen Arten nicht wenige Waldarten und solche befinden, die zumindest auch in Wäldern vorkommen, ist die Kenntnis, ihrer Verbreitung und ihrer Lebensraumansprüche wichtig. Denn daraus werden unter anderem - z. T. konkrete - Ansprüche an die Waldbewirtschaftung in den FFH-Gebieten abgeleitet.

Fledermäuse

Bei den Wirbeltieren der FFH-Richtlinie liegt der eindeutige Schwerpunkt bei den Fledermäusen, die mit 6 Arten vertreten sind. Drei davon sind ausgesprochene Waldarten. Das Große Mausohr (Myotis myotis) ist mit über 200.000 Exemplaren die häufigste Fledermaus in Bayern. Es ist in Mitteleuropa eine "Dachstuhlfledermaus", allenfalls Männchen verirren sich vereinzelt in Baumhöhlen oder Nistkästen. Das Mausohr jagt überwiegend in Wäldern, und dort ausschließlich in hallenwaldartigen, einschichtigen Bestände (Buchen-Hallenwälder, Fichten-Altdurchforstungen). Dort sucht sie ausschließlich bodenlebende Insekten, besonders Laufkäfer. Das Große Mausohr ist also in Mitteleuropa ein Kulturfolger (Dachstühle) und in seinen Lebensraumansprüchen alles andere als ein Naturnähezeiger des Waldes.

Erheblich anspruchsvoller ist die Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteini), die hauptsächlich in Nordbayern beheimatet ist und deren Jagdstrategie und Lebensraumansprüche das genaue Gegenteil wider spiegeln. Sie braucht strukturreiche, stufige Wälder für eine erfolgreiche Jagd und ihre Wochenstuben gründet sie in Baumhöhlen, sowie in Nistkästen. Da sie aufgrund von Parasiten das Quartier sehr häufig wechselt - dabei aber ihrem Jagdgebiet treu bleibt - ist sie auf eine gewisse Dichte natürlicher oder künstlicher Höhlen angewiesen.

Deutlich seltener als die beiden vorigen ist die Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus). Über ihre Lebensraumansprüche ist wesentlich weniger bekannt. Sie wählt ihre Quartiere hinter abblätternder Rinde grobborkiger Bäume wie Eiche oder Kiefer und überwintert in Mauerspalten und -fugen sowie in entlegenen Stollen. Dies erschwert die Erfassung dieser Art. Zwischen Winterquartier und Sommerlebensraum wandert sie - ähnlich dem Mausohr - hunderte von Kilometern, so dass Rückschlüsse vom Winterquartier auf den umliegenden Wald (Sommerlebensraum) nicht möglich sind.

... und weitere Säugetierarten

Weitere Säugetierarten des Anhanges II sind drei in Wiederausbreitung begriffene Arten:

  • Luchs (Lynx lynx),
  • Fischotter (Lutra lutra) und
  • Biber (Castor fiber).

Zumindest letzterer zeigt in Bayern insgesamt kaum Naturnähe an, ist aber eine Leitart für eine sinnvolle Ufernutzung. Auch die Ansprüche des Luchses an den Wald sind wenig speziell, am wichtigsten erscheinen ruhige Aufzuchtstätten für die Jungen, die er in großen zusammenhängenden Waldgebieten findet (Fichtelgebirge, Bayerischer Wald, Bayerische Alpen).

Amphibien und Fische

Die beiden bei uns heimischen Amphibienarten des Anhanges II kommen im Wald ebenso wie im Offenland vor. Beide bevorzugen im Wald eher sonnige Gewässer. Während der Kammmolch (Triturus cristatus) ca. 2 m tiefe, krautreiche Weiher bevorzugt, lebt die Gelbbauchunke (Bombina variegata) in kleinen Gewässern aber auch Fahrspuren. Entscheidend für die Gewässereignung ist neben der Besonnung vor allem das Fehlen von Fischen. Anders als der Kammmolch, der zum Teil ganzjährig im Weiher verbleibt und sonst dessen unmittelbares Umfeld besiedelt, streift die Gelbbauchunke weit umher. Es gibt aber kaum Wissen über die konkreten Ansprüche beider Arten an den Wald als Landlebensraum.

Unter den Fisch- und Muschelarten sind überwiegend Arten aufgeführt, die in Waldbächen heute einen Verbreitungsschwerpunkt haben, denn außerhalb des Waldes sind ihre natürlichen Lebensräume durch Begradigung und Stoffeinträge oft vernichtet: Bachneunauge (Lampetra planeri), Mühlkoppe (Cottus gobio), Flußperlmuschel (Margaretifera margaretifera) und Bachmuschel (Unio crassus). Die seit Jahren im Staatswald erfolgende Rücknahme von Fichtenbestockungen an Bachufern ist eine wichtige Maßnahme zu ihrem Schutz.

Insekten

Aus der großen Fülle wirbelloser Tierarten liegt der Schwerpunkt der FFH-Richtlinie eindeutig bei den Totholzkäfern. Der Hirschkäfer (Lucanus cervus) ist ebenso wie der Eichenbock (Cerambyx cerdo) ein Eichenbewohner, und besitzt daher ein großes, weit nach Osten reichendes Verbreitungsgebiet. Beide Arten habe eine lange Entwicklungsdauer und lieben besonnte Starkeichen. Die Ausbreitungsfähigkeit ist ebenfalls bei beiden recht beschränkt. Während der Hirschkäfer in Nordbayern noch einige lokale Verbreitungsinseln besitzt, ist der Eichenbock in Bayern bis auf ein Vorkommen ausgestorben. Auch der Eremit (Osmoderma eremita) bevorzugt besonnte Starkeichen, nimmt jedoch auch mit einer großen Zahl weiterer Baumarten vorlieb. Seine Larve entwickelt sich mehrjährig im Mulm dieser Bäume.

Anders als die vorigen Arten hat der Alpenbock (Rosalia alpina) seinen Verbreitungschwerpunkt in Südbayern. Neben der Buche, seinem wichtigsten Wirtsbaum, kommt er gelegentlich auch an Ulme vor. Da auch er besonnte Stammregionen bevorzugt, siedelt er häufig in höheren Stammbereichen und kann hier übersehen werden.

Der Scharlachkäfer (Cucujus cinnabarinus) schließlich bevorzugt eher das Weichlaubholz, unter dessen vermulmender Rinde er verborgen lebt. In den Salzach-Auen fand man ihn unter der Rinde relativ junger, abgeschnittener Aspen. Sein heutiges Vorkommen in Deutschland scheint auf Bayern beschränkt zu sein.

Neben weiteren, sehr seltenen oder zum Teil auch bereits verschollenen Totholzkäfern und einer verschollenen Wasserkäfer-Art sind noch zwei wirbellose Tiere des Anhanges II erwähnenswert. Neben dem Hochmoor-Laufkäfer (Carabus menetriesi pacholei) ist dies der Kleine Maivogel (Euphydryas maturna). Dieser Schmetterling besitzt in Bayern nur noch eine Handvoll Vorkommen und hat sehr spezielle Ansprüche an seinen Lebensraum. Einziger Wirtsbaum ist in Mitteleuropa - anders als im skandinavischen Teil des Verbreitungsgebietes! - die Esche. Bei hoher Wärme wird gleichzeitig hohe Luftfeuchtigkeit verlangt. In Frage kommen hierfür hauptsächlich Quellterrassen des Jura und Auwälder. Die Larven ernähren sich zunächst nur von der Esche, wechseln dann aber auf verschiedene Pflanzenarten artenreicher Streuwiesen. Männlicher und weiblicher Falter saugen an wieder anderen, geschlechtsspezifisch unterschiedlichen Pflanzen der Streuwiesen.

Für den Rückgang des Maivogels kommt also eher die Vernichtung artenreicher Streuwiesen durch Intensivierung oder Umbruch in Betracht als der Rückgang der Esche, die auf den genannten Standorten sowohl im Jura als auch im Auwald nicht selten ist. Dennoch wird der Maivogel seitens mancher Autoren zum "Charaktertier der Mittelwaldes" erkoren, und die Flächenverluste dieser Betriebsart für seinen Rückgang verantwortlich gemacht. Hierzu besteht sicherlich noch erheblicher Forschungsbedarf. Im österreichischen Teil des Verbreitungsgebietes - mit dem das jüngst wiederentdeckte Vorkommen an der Saalach in Verbindung steht - laufen derzeit Untersuchungen zu den Lebensraumansprüchen und Gefährdungsursachen der Art.

Pflanzenarten

Die Tierarten der FFH-Richtlinie werden durch einige wenige Pflanzenarten ergänzt. Neben drei Moosarten ist hier für den Wald hauptsächlich der Frauenschuh (Cypridepedium calceolus) zu nennen. Hauptgefährdungsfaktor dieser Art lichter Wälder auf Kalkstandorten dürfte die Sammelleidenschaft von "Orchideenliebhabern" und Gartenbesitzern sein.

Fazit

Über die Auswahl der Arten des Anhanges II der FFH-Richtlinie läßt sich streiten. So könnten die Ansprüche des Großen Mausohrs und der Bechsteinfledermaus an den Wald - hier Hallenwald, da Plenterstruktur - widersprüchlicher fast nicht sein. Wichtiger für die Belange der Forstwirtschaft ist jedoch, dass aus der Biologie der Arten heraus keine fachlich unbegründeten Schlüsse gezogen werden. Wenn das Vorkommen bestimmter Arten gar Naturferne signalisiert, und Fördermaßnahmen den z.B. seit Jahren mit hohem finanziellen Aufwand eingeleitete Waldumbau (z.B. Reichswald-Programm) entgegenlaufen würden, oder künstlich Hallenwälder statt strukturreicher Wälder zu erhalten, müssen diese kritisch hinterfragt werden.