Die Waldschnepfe (Scolopax rusticola) ist ein weit verbreiteter Bewohner unserer Wälder. Wer sich im Frühling während der Dämmerung im Wald aufhält, kann ihren spezifischen Gesang allerorts hören. Dennoch ist über den Bestand der Waldschnepfe und über ihre Bestandsentwicklung wenig bekannt. Mit Hilfe eines citizen science Ansatzes soll sich das ändern.

2015 trat in Baden-Württemberg das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz (JWMG) in Kraft, das als übergeordnete Ziele den Erhalt gesunder und stabiler Wildtierpopulationen und auch deren nachhaltige Nutzung definiert. Beides setzt voraus, dass die heimischen Wildtierbestände und ihre Entwicklung dauerhaft beobachtet werden. Dies gelingt nur, wenn ein entsprechendes Monitoring etabliert ist. Bei seltenen oder gefährdeten Arten existieren entsprechende Monitoringsysteme häufig schon, während andere Arten wie der Kormoran oder das Schwarzwild aufgrund ihres Konfliktpotentials ohnehin "unter Beobachtung" stehen und entsprechende Daten zu Bestandsentwicklung und -größe verfügbar sind. Häufig ist die Datenlage jedoch bei solchen Arten unzureichend, die weder selten noch übermäßig häufig sind und die kein Konfliktpotential in sich tragen. Die Waldschnepfe (Scolopax rusticola) ist ein Beispiel solch einer Art.

Abb. 2: Links ein Rotschenkel (Tringa totanus), rechts zwei Säbelschnäbler (Recurvirostra avosetta) sowie ein Kiebitzregenpfeifer (Pluvialis squatarola). Alle drei Arten sind typische Vertreter der Limikolen und können an den Küsten bei der Suche nach Mollusken, Krebstieren und Insekten im Schlick beobachtet werden.

Sonderling unter den Watvögeln

Alljährlich kehrt der etwa taubengroße Watvogel aus seinen Überwinterungsgebieten an der französischen Atlantikküste und dem Norden der iberischen Halbinsel im Frühjahr nach Baden-Württemberg zurück, um hier sein Brutgeschäft zu verrichten

Watvögel, auch Limikolen genannt, sind Regenpfeiferartige (Charidriformes). Der überwiegende Teil der vielgestaltigen Ordnung ist an die Nahrungssuche im seichten Wasser angepasst. Dies zeigt sich in der teils abenteuerlichen Form von Schnäbeln und Beinen.

Als einzige heimische Limikole ist die Waldschnepfe nicht an Uferbereiche oder Flachwasserzonen gebunden, sondern an den Lebensraum Wald. Im Schutz der Bodenvegetation sucht sie im feuchten Boden nach Regenwürmern und Insekten. Bewegt sie sich zu Fuß im Unterholz, ist sie dank ihres Gefieders in der trockenen Laubstreu ausgezeichnet getarnt (Abb. 3).

Strukturreiche Waldbestände mit Freiflächen, Lücken und einer Deckung bietenden Bodenvegetation werden bevorzugt. In dieser Umgebung ist die Anwesenheit des Bodenbrüters selbst dann nicht auszumachen, wenn das Weibchen sich im Familienverband mit den Jungvögeln auf Nahrungssuche begibt. Im Gegensatz zu Singvögeln, die ihr Revier mit lautem Gesang markieren, ist die Waldschnepfe außerhalb der Paarungszeit zudem vollkommen stumm. Nur während der Paarungszeit lässt sich die sonst so unscheinbare Waldschnepfe überhaupt gezielt beobachten.

Abb. 3: Waldschnepfen sind mit ihrem Gefieder hervorragend getarnt und verharren bei Störung regungslos am Waldboden.

Leicht zu beobachten, schwierig zu erfassen

Im Mai und Juni können die Balzflüge der Männchen am Abend während des Sonnenuntergangs an Waldlichtungen und entlang von Waldwegen und Waldrändern beobachtet werden (Abb. 1). Auf Höhe der Baumwipfel fliegend, folgen sie diesen Strukturen und geben den als "puitzen und quorren" umschriebenen Balzgesang von sich. Doch auch hier, auf dem sogenannten Schnepfenstrich, macht es die Waldschnepfe ihren Beobachtern nicht leicht, denn die konkrete Anzahl der balzenden Hähne lässt sich nur schwer bestimmen. Da die Männchen nicht an feste Balzplätze oder -reviere gebunden sind, kann es vorkommen, dass dasselbe Tier am gleichen Abend in mehreren Waldgebieten balzt und bei Zählungen mehrfach erfasst wird.

Auch balzen häufig mehrere Männchen an derselben Waldlichtung, dann können allein aufwändige Synchronzählungen Abhilfe schaffen. Da weder die Geschlechter noch die Individuen optisch oder akustisch unterschieden werden können, ist es äußerst schwierig, die tatsächliche Bestandsgröße zu ermitteln. Und selbst wenn die Anzahl balzender Männchen bestimmt werden könnte, ließe sich der Gesamtbestand der Waldschnepfe daraus nicht unbedingt ableiten, denn Waldschnepfen gehen keine feste Paarbindung ein und das Geschlechterverhältnis ist unbekannt.

Waldschnepfen zu beobachten ist also, zumindest während der Balz, gar nicht so schwer. Eine genaue Bestandsgröße und einen Trend zu bestimmen hingegen, ist mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Aus diesem Grund wird die Waldschnepfe in Baden-Württemberg nicht in den bestehenden Programmen des Brutvogelmonitorings erfasst. Daten liefern allerhöchstens lokale Erhebungen oder Einzeluntersuchungen. Auf dieser Basis wird die Waldschnepfe bei uns als "mittelhäufige Art" eingestuft und der Brutbestand auf 1.900 bis 4.900 Tiere geschätzt.

In der roten Liste der heimischen Brutvögel wird von lokalen Abnahmetrends berichtet und die Waldschnepfe mittlerweile auf der Vorwarnliste geführt. Ob dieser Rückgang auf bestimmte Gebiete beschränkt ist und worin seine Ursachen liegen, lässt sich jedoch nicht abschließend sagen. Ein Blick auf die Entwicklung der Waldschnepfe in der benachbarten Schweiz bietet allerdings Grund zur Sorge. Dort ist die Art innerhalb der letzten 25 Jahre aus Gebieten unterhalb von 900 m.ü.N.N. beinahe vollständig verschwunden.

Ehrenamtliche Erfassung

2018 wurde beim Arbeitsbereich Wildtierökologie der Abteilung Wald und Gesellschaft in einer Vorstudie begonnen, die Grundlagen für ein von der Jägerschaft unterstütztes Monitoring zu erarbeiten. Diese Vorstudie diente dazu, eine geeignete Erfassungsmethodik zu erproben und Rahmenbedingungen für ein ehrenamtliches Monitoring zu identifizieren. Auf Grund der beschriebenen Herausforderungen beschränkte sich die Untersuchung auf die Erfassung balzender Männchen während der Abendstunden. Sollen Freiwillige aus der Jägerschaft, der interessierten Bevölkerung und aus ornithologischen Kreisen für ein solches Monitoring gewonnen werden, muss die Erfassung möglichst niederschwellig aufgebaut und mit einem geringen Zeitaufwand verbunden sein.

Für eine effiziente Gestaltung der Waldschnepfenerfassung sollte die Vorstudie deshalb die Frage nach der notwendigen Erfassungsdauer, dem idealen Zeitfenster für die Zählung und der Eignung der ausgewählten Beobachtungsstandorte beantworten. Letzte wurden mittels eines zuvor erstellen Lebensraummodells identifiziert. Ein weiteres Ziel der Studie war die Bestimmung der Entdeckungswahrscheinlichkeit der Waldschnepfe. Diese detection probability, also die Eignung der gewählten Methode die Anwesenheit der Zielart zu detektieren, wirkt sich direkt auf die Anzahl der notwendigen Zählungen aus, die für ein aussagekräftiges Monitoring notwendig sind. Im Idealfall liegt die Entdeckungswahrscheinlichkeit bei 100% womit eine einmaligen Erfassung ausreichend wäre, um die Anwesenheit/Abwesenheit der Art mit absoluter Sicherheit bestimmen zu können.

Im Frühjahr 2018 meldeten sich insgesamt 56 Personen bei der FVA, um eine erste Waldschnepfenerfassung im Mai und Juni durchzuführen. Die Teilnehmenden aus Ornithologie, Jägerschaft und dem Forst erklärten sich bereit, an einem geeigneten Beobachtungsstandort, an einer Lichtung, oder auf einem Waldweg, die Waldschnepfenbalz für zwei Stunden während der Abenddämmerung zu protokollieren. Diese Zählung wurde an 76 Standorten durchgeführt und pro Standort dreimal wiederholt. Mit der Absicht einen vergleichbaren Datensatz zu generieren, wurden die Rahmenbedingungen der Erfassung an das seit 2017 in der Schweiz durchgeführte Waldschnepfenmonitoring angelehnt.

Auf Grund der positiven Resonanz und der hohen Motivation der Teilnehmenden wurde die Erfassung 2019 mit der gleichen Methodik wiederholt. In diesem Jahr wurde die FVA von 87 Freiwilligen unterstützt. Von Ihnen wurden an 157 Beobachtungsstandorten Waldschnepfen kartiert (Abb. 4). Die Auswertung ist noch nicht abgeschlossen, doch schon jetzt zeigt sich der hohe Wert der ehrenamtlich erhobenen Daten.

An 56 (2018) bzw. 117 (2019) Beobachtungspunkten konnte die Art im Rahmen der Vorstudie mindestens einmal nachgewiesen werden. Die geleistete Arbeit der Teilnehmenden summierte sich im Jahr 2018 dabei auf insgesamt 241 Zählnächte und 498 Stunden Feldarbeit. 2019 waren es über 1000 Stunden Feldarbeit in 505 Zählnächten. Bei 80% der Zählungen wurde die vorgeschriebene Dauer von zwei Stunden eingehalten oder überschritten, im Jahr zuvor waren es 74% der Zählungen, wobei auf lediglich 9 der insgesamt 76 Flächen die Zählung weniger häufig als dreimal durchgeführt wurde. 2019 wurde diese Vorgabe auf 125 der 158 Flächen erfüllt.

Insgesamt konnten 2270 Beobachtungen (Überflug, Balzgesang) registriert und minutengenau protokolliert werden. Im Mittel gelangen pro Beobachtungstandort und Zählabend 4,5 Beobachtungen, das Maximum lag 2018 bei 18 und 2019 bei 25 Beobachtungen. Die zeitliche Verteilung der Beobachtungen in Relation zum Sonnenuntergang ist Ausgangspunkt, um die idealen Startzeit zukünftiger Erfassungen bestimmen zu können. Dieser hängt darüber hinaus jedoch mit der vorgesehenen Dauer der Erfassung und der Anzahl an Wiederholungen zusammen.

Die Auswertung der Daten aus 2018 zeigt einen deutlichen Schwerpunkt der Balzaktivität ca. 30 min nach Sonnenuntergang (SD 20 min) (Abb. 5). Das Balzgeschehen erstreckte sich über rund 19 min (IQR 35 min). Mit der gewählten Methodik einer zweistündigen Erfassung mit Erfassungsbeginn ca. 45 min vor Sonnenuntergang, konnten 2019 an 118 Standorten Waldschnepfen nachgewiesen werden. Tabelle 1 zeigt, bei wie viel Prozent der Standorte weiterhin Nachweise gelängen, würde die Dauer der Erfassung und der Beginn der Zählung verändert.

Es zeigt sich, dass bei einer Dauer von 60 min und einem Beginn kurz vor Sonnenuntergang bei immerhin 93% der Standorte nach wie vor Waldschnepfennachweise gelängen. Würde die Erfassungsdauer um 15 min verlängert und der Beginn auf 20 min vor Sonnenuntergang vorverlegt, läge die Erfassungsquote bei 97% der ursprünglichen Präsenznachweise. Die mehrmalige Zählung am selben Erfassungspunkt erlaubt die Berechnung der Entdeckungswahrscheinlichkeit. Diese lag im Mittel der beiden Jahre bei 84,5%, einem sehr hohen Wert, der dennoch unter dem in der Schweiz ermittelten Wert von nahezu 100% liegt. Dort wird aufgrund der Ergebnisse nur eine Zählung pro Standort und Jahr durchgeführt. Auf Grundlage unserer vorläufigen Ergebnisse wäre in Baden-Württemberg voraussichtlich mehr als eine Erfassung notwendig.

On air – bioakustisches Monitoring

Mit Hilfe der gewonnenen Daten und der Erfahrung aus der Vorstudie konnte ein Projekt "Methodenentwicklung für das Waldschnepfenmonitoring in Baden-Württemberg" angestoßen werden. In Kooperation mit der Schweizerischen Vogelwarte Sempach und dem Nationalpark Schwarzwald wird die FVA in den kommenden Jahren die Grundlagen eines landesweiten Monitorings erarbeiten. Aufgrund des großen Interesses in der Jägerschaft und auch bei Ornithologen wird ein Erfassungsnetzwerk etabliert, in dem sich Interessierte als Bürgerwissenschaftler einbringen und Daten erheben können. Die Methodik dieser citizen science-Erfassung wird auf der Auswertung der hier vorgestellten Vorstudie beruhen.

Diese Art des Monitoring kann helfen, um Trends bezüglich der Balzaktivität und des Vorkommens der Waldschnepfe nachzuvollziehen. Um genauere Erkenntnisse, beispielsweise zur Habitatwahl oder auch zur Bestandsgröße gewinnen zu können, sind jedoch weitere Schritte notwendig. Bestandteil des Projekts ist deshalb die Erprobung der Bioakustik. Analog zum Einsatz von Fotofallen bei Säugetieren, lassen sich Vögel mittels akustischer Aufnahmegeräte erfassen. Im Wald installierte autonome Aufnahmegeräte, inzwischen im Hosentaschenformat verfügbar, nehmen hierfür in vorgegebenen Zeitintervallen über Tage und Wochen hinweg akustische Signale der Umwelt auf (Abb. 6).

Im Zuge der Auswertung werden im Nachgang relevante Aufnahmen herausgefiltert und analysiert. Vielfach wurde diese Methodik in der Vergangenheit bei Fledermäusen genutzt, dort werden bereits einigermaßen zuverlässige Algorithmen zur automatischen Arterkennung angewandt. Doch auch im Zusammenhang mit Vögeln gewinnt die Bioakustik zunehmend an Bedeutung.

So lässt sich mittels sogenannter soundscapes die Diversität der Avifauna in verschiedenen Lebensräumen vergleichen. Auch die Erfassung einzelner Arten und gar die Identifikation einzelner Tiere wurden bereits erprobt. In der Schweiz sind erste erfolgreiche Versuche unternommen worden, Waldschnepfenmännchen anhand ihrer individuellen Rufe zu erkennen. Wäre dies in einem breit angelegten Monitoringprogramm anwendbar, ließe sich zumindest der Bestand der männlichen Waldschnepfen sehr genau bestimmen. In Programmen wie dem geplanten Waldschnepfenmonitoring kann die Bioakustik außerdem eingesetzt werden, um bislang nicht kartierte Gebiete mit geringem Aufwand abzudecken. Im Gegensatz zu gängigen ornithologischen Kartierungsmethoden ist die Bioakustik, abgesehen von der zentral stattfindenden Auswertung, unabhängig von Vorwissen und Artkenntnis des Anwenders.

Die Ergebnisse des Projekts werden 2022 der obersten Jagdbehörde in Form eines Monitoringkonzepts vorgelegt. Auf dieser Basis kann das Waldschnepfenmonitoring in die Praxis umgesetzt werden und das Land den im JWMG gesetzten Aufgaben, dem Gewinn wildtierökologischer Kenntnisse und deren Beachtung sowie dem Erhalt gesunder und stabiler Wildtierpopulationen, nachkommen. Das Monitoring der Waldschnepfe, für die die Jägerschaft gemäß JWMG Verantwortung trägt, die aber auch für Naturschutz und Ornithologie von Bedeutung ist, ist ein Versuch, wie eine Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure im Monitoring einer bislang wenig beachteten Art funktionieren kann.