Holzbewohnende Grosskäfer sind keine einheitliche Käfergruppe. Es sind dies hier ziemlich willkürlich zusammengewürfelte grosse Käfer, darunter unter anderem Bockkäfer, Hirschkäfer (Schröter, weil die Larven das Holz schroten, also grob zerkleinern) und Rosenkäfer. Gemeinsam ist ihnen neben ihrer Grösse die Abhängigkeit von Holz, oft Totholz oder absterbendes Holz, in dem ihre Larven oft mehrere Jahre verbringen.

Obwohl viele dieser Käferarten spektakulär gross sind, haben selbst naturinteressierte Personen sie noch kaum je zu Gesicht bekommen. Dies hängt neben der generellen Seltenheit der Arten an ihrer Lebensweise. Sie sind oft dämmerungsaktiv und verbringen den Tag gut verborgen in einem Versteck. Anzutreffen sind sie vor allem in der "warmen" Schweiz, so in den Kantonen Wallis, Tessin, Graubünden, Schaffhausen, in der Genfer Region, u.a.

Holzbewohnende Grosskäfer sind vor allem im Larvenstadium kaum mobil und die wenigen Vorkommen deshalb sehr verletzlich. Zentral ist deshalb, dass immer genügend für die Käfer geeignete Strukturen in der Nähe vorhanden sind für die Entwicklung der Larven. Auch die erwachsenen Käfer sind meist wenig ausbreitungsfreudig und legen höchstens ein paar hundert Meter zurück.

Das Aufspüren der grossen Käfer ist allerdings nicht ganz einfach. Um sie zu sehen, muss man zur richtigen Jahreszeit und bei der richtigen Temperatur am richtigen Ort und beim "richtigen" Baum sein… Mehr Glück hat der Naturinteressierte in der Regel mit dem tagaktiven und blütenbesuchenden Moschusbock oder dem etwas selteneren Kleinen Eichenbock, der ebenfalls auf Blüten angetroffen werden kann. Gute Käfermonate sind Mai bis August.

Zu wenige dicke, alte Bäume

Man könnte meinen, die Naturschutzmassnahmen, die zur Zeit im Wald getroffen werden, würden automatisch auch für die holzbewohnenden Käfer ausreichen. Dies ist jedoch meist nicht der Fall. Oft fehlen in unseren Waldungen die dicken und alten Bäume in genügender Anzahl, und wenn sie noch vorhanden sind, so fehlt oft die notwendige Besonnung der Stämme, da viele Arten wärmeliebend sind.

Für diese Arten ist unser Wald meist zu dunkel. Ausserdem sind die Käfer vielfach lokal schon ausgestorben, da ihnen die Bedingungen nicht mehr zusagten, und ihre ehemaligen Biotope sind somit heute "verwaist". Für den Förster ist ein "Käferbaum" in der Regel ein von Borkenkäfern befallener Nadelbaum und ein wirtschaftlicher Schaden. Deshalb ist dieser Begriff heute vielerorts negativ belegt. Für den Naturfreund kann "Käferbaum" jedoch eine ganz andere und freudige Bedeutung haben.

Die «richtige» Baumart ist entscheidend

Die Larven vieler Käferarten brauchen ganz bestimmte Baumarten und bestimmte lokalklimatische Bedingungen. Viele Arten leben auf Eichen, Weiden, Pappeln, Linden, Obstbäumen oder bei den Nadelhölzern auf der Waldföhre.

Besondere Bedeutung haben die Eichen. An ihnen leben Hunderte von Tierarten, darunter auch viele holzbewohnende Käferarten. So kommen an der Stiel- und der Traubeneiche der Hirschkäfer, der grosse Eichenheldbock, der kleine Eichenbock oder Spiessbock, der Sägebock und der Balkenschröter vor, um nur einige zu nennen – alles prächtige und im Vergleich zu den meisten Käfern geradezu riesenhafte Brummer. Eine alte Eiche weist immer auch verschiedene Totholzstrukturen und viele Nischen in der groben Borke auf, die für die Käfer wichtig sind.

Viele Arten leben auch im Baugebiet

Alleen, Baumreihen entlang von Bächen, Kopfweiden, Parkbäume (auch mitten in der Grossstadt!), aber auch extensiv genutzte baumbestandene Weiden oder alte Hochstamm-Obstgärten können besondere Käferarten ausserhalb des Waldareals beherbergen. Hier gibt es in der Regel mehr Sonne als im geschlossenen Wald, und dies ist für das Vorkommen von Käfern sehr wichtig.

Aber auch ausserhalb des Waldes sind die holzbewohnenden Käfer stark gefährdet, da der Zeitgeist nach "Sicherheit" ruft. Sobald ein Baum sichtbar zu kränkeln beginnt, wird er für viele Käfer erst richtig interessant. Diese absterbenden Bäume werden jedoch oft sofort weggeräumt und das Holz zu Hackschnitzeln verarbeitet, weil Sicherheitsbedenken von Behörden oder Anwohnern vorliegen.

Auch Bäume mit Höhlen gelten oft als krank, obwohl diese meist noch Jahrzehnte stehen bleiben könnten. Gerade hohle Bäume sind oft stabiler als "gesunde" (Röhreneffekt) und überleben Stürme besser. Besonders bei Baumpflegearbeiten oder Verjüngungsmassnahmen ist die Gefahr gross, dass für Käfer wertvolle Bäume oder Strukturen (z.B. Totholzäste) beseitigt werden. Nach Sturmereignissen werden Bäume meist sofort weggeräumt und zu Holzschnitzeln verarbeitet. Wenn dies uralte Baumriesen betrifft, so gehen kaum ersetzbare Käferhabitate verloren.
 

Käferschutz konkret

Alte Bäume sind praktisch unersetzbar, denn das braucht Jahrzehnte bis Jahrhunderte! Baumveteranen sollten deshalb nach Möglichkeit bis zum Zerfall stehen bleiben. Bäume mit grossem Potential für holzbewohnende Käfer sollte man zudem freistellen, damit sie genügend besonnt sind. Heruntergefallene Äste oder umgekippte Stämme sollten vor Ort belassen oder in Stammnähe aufgeschichtet werden. "Sturmopfer" in hohem Alter und mit besonderen Käfervorkommen sollten nach Möglichkeit nicht zu Hackschnitzeln verarbeitet werden, sondern in der Nähe in einem sonnigen Waldrand aufgeschichtet werden (Abb. 10). Dies gilt insbesondere für die Stammteile.

  • Blüten
    Viele tagaktive Käferarten nutzen sonnige Blütensäume, die bis im Hochsommer stehen bleiben (Abb. 11). Hier finden sie Pollennahrung und Paarungsplätze. Diese Blüten sollten natürlich möglichst in der Nähe der Larvenbäume sein, damit die Käfer sie auch erreichen können. Blumenreiche Waldwegsäume, die spät geschnitten werden, sind ebenfalls sehr wertvoll. Besonders gerne besucht werden etwa Strauchholunder, Pastinak, Kerbel, Möhre, Spierstaude, Knoblauchhederich usw.
  • Baumhöhlen mit Mulm
    Baumhöhlen mit Mulm (Abb. 12) sind wertvolle Habitatstrukturen. Mulm ist nichts anderes als von Tieren, Bakterien, Pilzen usw. abgebaute Holzsubstanz, die locker und erdartig im Stamm vorhanden ist. Unter den Käfern gibt es viele Mulmspezialisten, die auf dieses Material angewiesen sind. Besondere, spezialisierte Käferarten benötigen als Larve oft grosse Mengen von Mulm, und dies während Jahren und Jahrzehnten. So konnte erst kürzlich einer der seltensten Grosskäfer der Schweiz, der Eremit oder Juchtenkäfer, im Kanton Baselland in eben einer solchen Mulmhöhle wiederentdeckt werden. Neben Käfern besiedeln auch Hornissen, Vogelarten, Fledermäuse usw. diese wertvollen Baumhöhlen.
  • Baumstrünke oder Stubben
    Baumstrünke sind wichtige Strukturen im Lebensraummosaik von Käfern. Auch die Larven des Hirschkäfers leben darin. Wichtig sind auch hier die ausreichende Besonnung und das Vorhandensein von weissfaulem Holz. Wenn Bäume, die seltene Käfer beherbergen, zwingend gefällt werden müssen, können diese auch 2 bis 3 Meter über Boden abgeschnitten werden. So kann der Stamm wenigstens zum Teil als Käferhabitat weiterdienen. Für diese Fällarbeit braucht es jedoch wegen der Unfallgefahr ausgebildete Fachleute.
     
  • Spezialfall Safteiche
    In der Schweiz sind Safteichen äusserst selten. Das sind alte Eichen in sonniger Lage mit einer Wunde, aus der Eichensaft austritt (Abb. 13). Der Baumsaft zieht Käfer, aber auch Hornissen, Schmetterlinge usw. geradezu magisch an. Hier lassen sich in der Dämmerung Hirschkäfer als Saftlecker und andere Käfer beim Rendezvous beobachten. Es sind also Paarungsplätze und Orte, wo die bekannten Revierkämpfe der Hirschkäfer-Männchen stattfinden.
  • Chance Holzlagerplatz
    Lagerplätze von Wert-, Brenn-, Schnitzel- oder Abfallholz können sehr interessante Käferbeobachtungsplätze sein (Abb. 14). Durch die oft sonnige Lage der Holzlager an Waldwegen werden nämlich Käfer zur Eiablage angelockt. Leider wird das Holz aber bald einmal genutzt und verarbeitet oder verbrannt, was für viele Käferlarven den Tod bedeutet. Der Holzlagerplatz wird so zur Käferfalle.
  • Hackschnitzel- und Rindenhaufen

Auf alten Holzlagerplätzen befindet sich manchmal eine dicke Rindenschicht am Boden. In der Tiefe dieser Schicht herrschen oft hohe Temperaturen, die ideal für die Entwicklung von Käferlarven sind, z.B. für den seltenen Nashornkäfer (Abb. 9). Dieser Blatthornkäfer, ein wahrlich auffälliges Tier, entwickelt sich auch in Hackschnitzelhaufen, sofern diese nicht zu früh genutzt werden.

Aktiv werden für unsere Käfer

Begegnungen mit unseren grössten Käfern haben einen Hauch von Märchen. Diese archaisch anmutenden, zauberhaften Wesen scheinen aus einer anderen, längst vergangenen Welt zu stammen. Sie eignen sich auch als Flagschiffarten des Naturschutzes für den Lebensraum lichter, totholzreicher Wald. Von der Förderung dieses Lebensraumes profitieren viele weitere, oft auch unspektakulärere Arten.

Das Vorkommen der holzbewohnenden Grosskäfer und ihre Verbreitung ist in der Schweiz sehr schlecht bekannt. Es sind also noch zahlreiche spannende Begegnungen und Entdeckungen möglich! Eine gute Taschenlampe, Geduld und viel Spürsinn sind dabei empfehlenswert. Viele Arten sind wärmeliebend und dürften von der laufenden Klimaerwärmung profitieren. Damit diese Tiere aber eine Chance haben, braucht es Leute, die sich für sie einsetzen. Ich hoffe deshalb, Sie schon etwas mit dem "Käfervirus" angesteckt zu haben.

 

(TR)