In Deutschland gibt es circa 1.400 xylobionte Käferarten. Davon zählen 115 Arten zu den "Urwaldreliktarten". Sie kommen nur (noch) reliktär in Mitteleuropa vor. Ihnen ist gemeinsam, dass sie eng an Strukturkontinuität bzw. Habitattradition der Waldbestände sowie an die Kontinuität der Alters- und Zerfallsphase gebunden sind und hohe Ansprüche an Totholzqualitäten und –mengen stellen. In den kultivierten Wäldern Mitteleuropas sind diese Arten akut vom Aussterben bedroht oder bereits verschwunden.

"Urwaldreliktarten" in Bayern

Von den 115 deutschen Urwaldreliktarten sind 86 Arten historisch und rezent für Bayern belegt. Von 20 Arten existieren nur Nachweise vor 1950. Diese gelten als ausgestorben oder verschollen. Damit bleiben 66 aktuell in Bayern nachgewiesene Arten übrig. In den bayerischen Naturwaldreservaten wurden 22 Reliktarten, also ein Drittel, gefunden. An der Spitze steht dabei das Naturwaldreservat "Eichhall" im Heisterblock des Spessarts mit acht Arten (vgl. Tabelle).

Reservate mit mehreren Reliktarten sind gekennzeichnet durch eine ungebrochene Habitattradition aufgrund ihrer besonderen Nutzungsgeschichte:

  • die Bau- und Wertholzproduktion mit teilweise über 400-jährigen Umtriebszeiten der Traubeneiche im "Eichhall" im Hochspessart,
  • Reliktbestockungen aus der Hute- und Mittelwaldzeit in der "Fasanerie",
  • Bis 275-jährige Alpendost-Fichtenwaldbestände im "Wettersteinwald" und
  • Buchen-Starkholzzucht mit teilweise über 300-jährigen Altbuchen im "Waldhaus".

Die Letzten ihrer Zunft?

Der Anteil der Naturwaldreservate beträgt nur 0,27 Prozent der Waldfläche. Dennoch beherbergen sie ein Drittel des Gesamtbestandes der in Bayern nachgewiesenen "Urwaldreliktarten" xylobionter Käfer. So ist

  • der Raubplattkäfer (Cryptolestes abietis (Wank.)) nur aus dem NWR "Wettersteinwald" belegt,
  • der einzige autochtone bayerische Fundort des Schwarzkäfers (Neatus picipes Hbst.) im NWR "Mooser Schütt" westlich Neuburg an der Donau und
  • Trox perrsii Fairm., der in Bayern als ausgestorben oder verschollen galt, 2003 im NWR "Eichhall" im Hochspessart wieder gefunden worden.

Diese Reliktarten sind aber nur eine Facette des besonderen Wertes der Naturwaldreservate. Mit ihnen ist eine Vielzahl weiterer gefährdeter Organismen assoziiert. Für die Verpflichtung die biologische Vielfalt des Waldes zu erhalten und gegebenenfalls zu erhöhen, die im Waldgesetz für Bayern verankert ist, ist ein Netz von Naturwaldreservaten essentieller Bestandteil.

Tabelle 1: Liste der Urwaldreliktarten in bayerischen Naturwaldreservaten
NaturwaldreservatAktuell nachgewiesene Urwaldreliktarten (nach 1990)
Fasanerie - MünchenCorticeus fasciatus F., Euryusa coarctata Märk., Abraeus parvulus Aubé, Osmoderma eremita (Scop.), Xylita livida (Sahlb.)
Eichhall - RohrbrunnCorticeus fasciatus F., Trox perrisii Fairm., Osmoderma eremita (Scop.), Ceruchus chrysomelinus (Hochenw.), Elater ferrugineus L., Crepidophorus mutilatus (Rosh.), Megapenthes lugens (Redt.), Gasterocercus depressirostris (F.)
Waldhaus - EbrachOsmoderma eremita (Scop.), Mycetochara flavipes (F.), Allecula rhenana Bach
Wetterstein - MittenwaldAmpedus auripes (Rtt.), Cryptolestes abietis (Wank.), Xestobium austriacum Rtt., Corticaria lateritia Mannh., Bius thoracicus (F.), Xylita livida (Sahlb.)
Jacklberg - GarmischAmpedus auripes (Rtt.)
Friedergries - GarmischRosalia alpina (L.)
Kienberg - BerchtesgadenRosalia alpina (L.)
Donauhänge - KelheimGasterocercus depressirostris (F.)
Platte - KelheimCorticaria lateritia Mannh
Dürrenberg - BodenwöhrIpidia binotata Rtt.
Mooser Schütt - Neuburg an der DonauNeatus picipes (Hbst.)
Schwarzwihrberg - Neunburg vorm WaldHadreule elongatulum (Gyll.)