Verbreitung und Standort

Beheimatet ist der maximal 15 m hohe, sommergrüne Baum in ganz Mitteleuropa, dazu in Kleinasien von der Türkei bis zum Kaukasus. In Baden-Württemberg liegen seine Verbreitungsschwerpunkte in den Hartholzauen des Oberrheintales, im Bereich der Schwäbischen Alb, des Neckarlandes und dem Taubertal. Im Schwarzwald und im Alpenvorland ist er hingeben weniger verbreitet. Bundesweit findet man vereinzelte Wildapfelvorkommen im Osterzgebirge, im Nordsauerland, im Elbtal bei Dessau und in Mainfranken.

Durch das hohe Standortsspektrum des Wildapfels ist er auch noch in Höhenlagen von bis zu 990 m zu finden. Der konkurrenzschwache Baum bevorzugt nährstoffreiche, kalkhaltige Lehmböden mit ausreichendem Lichtangebot und wächst zerstreut in lichten Wäldern oder Hecken. Durch die geringen Ansprüche, die er an seinen Standort stellt, wächst diese flachwurzelnde Baumart auch auf Nischenstandorten wie Auenböden oder Steinrücken.

Morphologie und Artabgrenzung

Die zweifelsfreie Bestimmung reiner Wildäpfel ist schwierig, da Kulturäpfel (Malus communis) häufig verwildern und mit Wildformen Bastarde bilden. Kritische Stimmen gehen sogar davon aus, dass die artreine Wildform kaum noch vorkommt. Exakte Artbestimmungen lassen sich nur zuverlässig mit DNA-Analysen durchführen.

Die zwei wichtigsten Unterscheidungsmerkmale gegenüber eines Kulturapfels sind:

  • Die Blätter des Wildapfels sind nicht oder nur gering behaart.
  • Eine flache oder gar nicht ausgeprägte Stilgrube der Früchte ist zumindest ein Indiz für einen hohen "Wildheitsgrad".

Wildäpfel blühen von April bis Mai. Die Blüten sind weiß bis blassrosa, sitzen auf kahlen Blütenstielen und haben einen hohen ökologischen Stellenwert als Bienenweide. Die kleinen, gelb-grünen Apfelfrüchte werden nicht größer als ungefähr 4 cm im Durchmesser und reifen bis in den September hinein. Im Wald dienen sie als Wildfutter, sie sind herb-sauer und holzig und für den Menschen höchstens gedörrt oder gekocht genießbar. Die Weiterverarbeitung zu Wildapfelbrand, Gelee oder Tee ist aber durchaus beliebt. Die Bäume erreichen im Alter Durchmesser von bis zu 45 cm und können rund 100 Jahre alt werden.

Wirtschaftliche Bedeutung

Das harte und schwere Holz fällt kaum in verwertbaren Dimensionen an und hat häufig Probleme mit Drehwuchs. Es ist jedoch für spezielle Drechsler- und Tischlerarbeiten sehr gut geeignet; im Musikinstrumentenbau wird es beispielsweise für Flöten oder Mundstücke verwendet. Allerdings hat der Wildapfel durch das geringe Angebot heute keine nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung mehr.

Durch die Intensivierung der Forstwirtschaft und durch den Rückgang der natürlichen Lebensräume sind die Bestände des Wildapfels in den letzten Jahrzehnten stark zurückgedrängt worden. Allerdings dürfte die Verdrängung der reinen Art durch die Introgression (Bestäubung durch andere Arten) von Kultursorten schon in der Antike begonnen haben.

Bundesweite Arterhaltungsprogramme sollen die noch vorhandenen Vorkommen des Wildapfels sichern und eine Wiederverbreitung fördern. Die Waldbiotop-Kartierung an der FVA verzeichnet den Wildapfel in 630 landesweiten Waldbiotopen und stuft diese durchgehend als gefährdet ein.

Wildapfelvorkommen in Baden-Württemberg

Die FVA erfasst Wildapfelvorkommen in Baden-Württemberg seit den 80er Jahren. Die wichtigste Grundlage für die Kartierarbeiten ist die Waldbiotopkartierung (WBK), die im Land 630 Biotope mit der Zielart Wildapfel beschreibt und als gefährdet einstuft. Die WBK benennt jedoch keine einzelbaumweisen Vorkommen, sondern beschreibt nur den Lebensraumtyp. Die tatsächliche Existenz der Vorkommen musste man vor Ort verifizieren. Weitere Wildapfelvorkommen konnte man über die Forstämter aufspüren. Auf dieser Grundlage, WBK und Rückmeldungen der Forstämter konnten bisher ca. 420 natürliche Einzelbaumvorkommen kartiert und detailliert beschrieben werden

Wildapfelvorkommen in Deutschland

Seit 2010 läuft im Auftrag vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) eine bundesweite Kartierung seltener Baumarten, zu denen auch der Wildapfel zählt. Ziel des Projektes war es, einen Überblick über den Gefährdungsgrad seltener Baumarten in Deutschland zu bekommen, ihre Vorkommen als Grundlage für weitere Forschungen möglichst vollständig zu inventarisieren, und mögliche Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die Erhebungsdaten stehen in einer Datenbank für weitere Arbeiten zur Verfügung. Für die Koordination der Kartierarbeiten in Baden-Württemberg war die FVA zuständig. Für die FVA bot sich mit diesem Projekt die Chance, die seit einigen Jahren aus Kapazitätsgründen unterbrochene Erfassung landesweiter Wildapfelvorkommen nun zum Abschluss zu bringen.

In diesem Kartierprojekt wurden jedoch keine Einzelbäume, sondern Vorkommen ab 5 Individuen erfasst. Die einzelnen Individuen dieser sogenannten Genobjekte dürfen max. 1000 m voneinander entfernt stehen, so dass ein genetischer Austausch theoretisch möglich ist. Die Beschränkung auf diese Mindestgröße hat den Zweck, dass nur die Vorkommen registriert werden, die grundsätzlich in der Lage sind, sich aus eigener Kraft zu verjüngen und somit ein Überlebenspotenzial haben. Erfasst wurden sämtliche Altersgruppen aus natürlichen Vorkommen und aus künstlicher Verjüngung.

Ergebnisse der Kartierung

Bundesweit wurden 251 Genobjekte mit 8.325 Individuen kartiert (Abb. 2 und 3). Dabei handelt es sich größtenteils um natürliche Vorkommen, auf die man sich zunächst aus Kapazitätsgründen beschränkt hat. Auf Baden-Württemberg verteilen sich dabei 39 Genobjekte mit 855 Individuen. Die lokalen Schwerpunkte liegen dabei im südlichen Schwarzwald, am nördlichen und südlichen Albtrauf sowie in der Main-Tauberregion und dem nördlichen Oberrheingraben zwischen Karlsruhe und Mannheim.

Die demografische Struktur zeigt für 53 % aller Vorkommen eine deutliche Überalterung mit nicht ausreichender Naturverjüngung. 81 % aller Genobjekte haben sogar gar keine Naturverjüngung mehr. Nur 7 % der Bestände zeigen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Altbäumen, Bäumen mittleren Alters sowie Naturverjüngung.

Um die Vitalität der Vorkommen ist es hingegen etwas besser bestellt. Hier wurden 50 % der Vorkommen mit vital/gesund, 30 % mit weniger vital, 14 % mit geschädigt und nur 6 % mit absterbend angesprochen. Die Ursachen für die Schädigungen waren in den meisten Fällen bedrängende Vegetation aus der Umgebung. Freistellung könnte hier bereits Abhilfe schaffen. Aus 39 Beständen wurden zudem DNA-Analysen gewonnen. Die Ergebnisse zeigten, dass 12 % der untersuchten Individuen als kulturnahe, also keine reinen Wildformen einzustufen sind.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass der Wildapfel zu den seltensten Baumarten Baden-Württembergs gehört, der Anteil an der Waldfläche liegt bei 0,004 %. 81 % seiner heutigen Vorkommen können als akut bedroht bewertet werden, da sie sich nicht natürlich verjüngen. Gefahr besteht zudem durch Bastardisierung mit Kultursorten.

Generhaltung durch Nachzucht – eine Chance für Baden-Württemberg

Bereits in den 80er Jahren hatte die FVA begonnen, von erfassten Einzelbäumen Saatgut zu gewinnen und in den Pflanzgärten der FVA Jungpflanzen nachzuziehen. Die Beerntung wurde vielerorts von den Kolleginnen und Kollegen der Forstämter übernommen, die später im Gegenzug für die Unterstützung nachgezogene Pflanzen erhielten. Die Neuanpflanzungen wurden dokumentiert und auf Karten verzeichnet, so dass sie in den Folgejahren von der FVA beobachtet werden konnten.

In den vergangenen 20 Jahren wurden über 7500 Wildapfelheister aus Nachzuchten der FVA an Forstämter und Naturschutzverbände geliefert. 53 % davon konnten sich an ihren Pflanzorten etablieren. Da nicht alle Forstämter ihre Pflanzorte zurückmeldeten, besteht sicher noch eine Dunkelziffer weiterer Pflanzen. Die Überlebensrate liegt also sicherlich noch deutlich höher. Eine Zustandserfassung zeigte, dass sich 64 % vital entwickelt hatten, 26 % weniger vital aber gut überlebensfähig waren und 10 % als ohne Pflege nicht überlebensfähig oder abgängig eingestuft werden mussten. In Relation zu den aktuell rund 1.270 erfassten natürlich vorkommenden Einzelbäumen, leisten solche Generhaltungsmaßnahmen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt einer seltenen Baumart.

Wie geht es weiter?

Der artreine Malus sylvestris ist in Baden-Württemberg höchst selten geworden. Mit einer Fortsetzung der bisherigen Programme zur Kartierung und Arterhaltung, mit Pflege und Freistellung vorhandener natürlicher Altvorkommen, sowie der Nachzucht artreiner Pflanzen, besteht aber eine gute Chance, echte Wildäpfel wieder stärker in unseren Wäldern zu etablieren. Dabei sollte man nicht vergessen, dass auch die zahlreichen nicht artreinen Wildäpfel einen hohen ökologischen Stellenwert in unserer Landschaft haben.