Einfluss der Waldbewirtschaftung auf Anzahl und Diversität von Baum-Mikrohabitaten

Baum-Mikrohabitate sind für die Auswahl von Habitatbäumen ein wesentliches Entscheidungskriterium. Darüber hinaus ermöglichen ihre Anzahl und Vielfalt, die naturschutzfachliche Wertigkeit von Waldbeständen darzustellen. Diese Fallstudie zeigt, inwiefern sich die Häufigkeit und Vielfalt von Baum-Mikrohabitaten in Bergmischwäldern durch forstliche Bewirtschaftung verändert und wie Habitatbäume zum Erhalt von Baum-Mikrohabitaten beitragen.

Hintergrund

Einige praxisorientierte Konzepte wurden bereits entwickelt, um die Artenvielfalt in Wäldern zu fördern, z. B. Naturschutzkonzept der Bayerischen Staatsforsten, Gesamtkonzeption Waldnaturschutz, Alt- und Totholzkonzept Baden-Württemberg . Dabei ergänzen sich Konzepte zum Prozessschutz (z. B. Bannwälder oder Kernzonen von Nationalparks) mit integrativen Maßnahmen zum dauerhaften Erhalt einzelner oder in Gruppen vorkommender Habitat- oder Biotopbäume in bewirtschafteten Wäldern (z. B. AuT-Konzept BW). So entsteht auf ganzer Fläche ein Verbund an Lebensräumen insbesondere für tot- und altholzgebundene Arten.

Was sind Habitatbäume bzw. Baum-Mikrohabitate?

Habitatbäume sind das kleinste in die Waldbewirtschaftung integrierte Prozessschutzelement, das sich durch das gehäufte Auftreten von sogenannten Schlüsselstrukturen oder Baum-Mikrohabitaten (nachfolgend Mikrohabitate) vom umgebenden Bestand abheben sollte (Abb. 1, 2). Mikrohabitate sind Strukturelemente, meist kleine Anomalien oder Alterserscheinungen in der Baumstruktur (z. B. Kronentotholz, Epiphyten, Höhlen), welche die ökologische Wertigkeit eines Baumes steigern. Sie sind entscheidendes Kriterium bei der Auswahl von Habitatbäumen.

Durch Mikrohabitate lassen sich Bezüge zum Vorkommen von Arten und deren Vielfalt in Wäldern herstellen. Mikrohabitate sind im Vergleich zu den Arten, die von ihnen abhängen, einfach zu bestimmen und mit überschaubarem Aufwand zu erheben.

Bislang ließen sich einzelne Faktoren identifizieren, die das Auftreten von Mikrohabitaten erklären. Dazu gehört zunächst die Baumart. Laubbäume weisen tendenziell mehr Mikrohabitate auf als Nadelbäume. Neben dem Durchmesser ist die Vitalität eines Baumes ein weiterer Einflussfaktor. Tote Bäume weisen deutlich mehr Mikrohabitate auf, als lebende. Inwiefern die Waldbewirtschaftung Häufigkeit und Vielfalt von Mikrohabitaten beeinflusst, wurde bislang kaum untersucht. Die Ergebnisse der wenigen vorangegangenen Untersuchungen hierzu sind zudem nicht eindeutig. Erstmals konnte für 15 verschiedene Mikrohabitat-Typen eine konkrete Abhängigkeit zum Aufbau von Beständen (gleichaltrig, ungleichaltrig) nachgewiesen werden.

Ziel der hier vorgestellten Fallstudie, die im Südschwarzwald im Bereich des Oberen Hotzenwaldes durchgeführt wird, ist es:

  1. die Häufigkeit und Vielfalt von Mikrohabitaten in unterschiedlich stark bewirtschafteten Bereichen von Bergmischwaldbeständen darzustellen;
  2. den Einfluss der Bewirtschaftung auf die Häufigkeit und Vielfalt von Mikrohabitaten zu untersuchen und
  3. darzustellen, inwiefern der Mikrohabitat-Reichtum von Habitatbäumen durch Berücksichtigen struktureller Aspekte bei der Auswahl begünstigt wird.

Mikrohabitat-Ausstattung: Habitatbäume versus Vergleichsbäume

Häufigste Baumart bei den Vergleichs- und Habitatbäumen war die Tanne, gefolgt von Fichte und Buche. Zweithäufigste Baumart bei den Habitatbäumen war die Buche, gefolgt von Bergahorn (hier nicht weiter berücksichtigt) und Fichte. Der mittlere Brusthöhendurchmesser (BHD) der Vergleichsbäume lag bei 56,5 cm und damit deutlich unter dem der Habitatbäume mit 71,8 cm. An Vergleichsbäumen fanden sich etwa halb so viele Mikrohabitate wie an ausgewiesenen Habitatbäumen. Der Mikrohabitat-Reichtum der Habitatbäume ist deutlich größer als bei den Vergleichsbäumen. Durchschnittlich wurden in den Habitatbaum-freien Probekreisen 276 Mikrohabitate je Hektar beobachtet (ohne abgestorbene Bäume).

Abgesehen von gruppierten Insektenbohrlöchern (sog. Insektengalerien) kamen Höhlungen an den Vergleichsbäumen lediglich an lebenden Buchen vor. Spechthöhlen wurden an lebenden Bäumen innerhalb der Probekreise gar nicht beobachtet. Häufigste Verletzung an Vergleichsbäumen war freiliegendes Splintholz. Besondere Rindenstrukturen, Kronentotholz und Nester fanden sich an Vergleichsbäumen in den Probekreisen kaum. Stammfußhöhlen waren hier das häufigste wuchsformbedingte Mikrohabitat. Das zahlenmäßig häufigste Mikrohabitat war an Vergleichsbäumen epiphytischer (aufgesetzter) Bewuchs mit Flechten und Moosen.

An ausgewiesenen Habitatbäumen trat hingegen Kronentotholz als häufigstes Mikrohabitat auf, gefolgt von epiphytischem Bewuchs, Hexenbesen und grober Rindenstruktur. Höhlungen traten an Habitatbäumen vermehrt auf, ebenso wurden Spechthöhlen (vor allem an Fichte) beobachtet. Auch Rindentaschen und freiliegendes Kern- oder Splintholz wurden häufiger an Habitatbäumen als an Vergleichsbäumen innerhalb der Probekreise festgestellt.

Nutzungsintensität und Mikrohabitate

In den untersuchten Beständen nahm die Mikrohabitat-Anzahl je Hektar mit zunehmender Stammzahl signifikant zu, nicht jedoch die Vielfalt der Mikrohabitat-Typen. Folglich sinkt mit der Anzahl der entnommen Bäume die Anzahl der Mikrohabitate. Während Verletzungen durch reduzierte Stammzahlen infolge Holznutzung kaum auftreten, sinken die mittleren Vorkommen von Epiphyten, Höhlungen und wuchsformbedingten Mikrohabitaten.

Kritische Betrachtung der Ergebnisse

Die Ergebnisse dieser Studie mit anderen Untersuchungen zu vergleichen ist nur eingeschränkt möglich. Vor der Einführung des "Kataloges der Baum-Mikrohabitate" wurden in Studien unterschiedlich viele Mikrohabitate mit voneinander abweichenden Definitionen untersucht. Bezüglich Struktur und Differenzierungsgrad der Mikrohabitate stellt das Marteloskop (Trainingsfläche) "Rosskopf" (Bergmischwald mit Douglasie) bei Freiburg eine geeignete Vergleichsfläche dar.

In den hier untersuchten Probekreisen wurden deutlich mehr epiphytische Mikrohabitate beobachtet als im Marteloskop "Rosskopf", was vermutlich auf die Höhenlage im Hotzenwald zurückzuführen ist. Ein positiver Zusammenhang zwischen epiphytischen Mikrohabitaten und Höhenlage ließ sich für den Schwarzwald bereits nachweisen. Ein ähnlich großer Anteil an epiphytischen Mikrohabitaten wurde auch bei Untersuchungen auf der Schwäbischen Alb beobachtet.

An den Vergleichsbäumen der Probekreise wurden anteilig zur Gesamtzahl deutlich weniger Höhlen, Verletzungen und Kronentotholz beobachtet als in vergleichbaren Waldbeständen. Dies ist vermutlich darin begründet, dass explizit keine ausgewiesenen Habitatbäume und keine abgestorbenen Bäume bei dieser Auswertung berücksichtigt wurden.

Wirkung der Bewirtschaftung auf Mikrohabitat-Ausstattung

Unsere Ergebnisse zeigen, dass im Kollektiv der Vergleichsbäume die Anzahl bestimmter Mikrohabitate, darunter besonders solche mit höherer naturschutzfachlicher Wertigkeit (z. B. Höhlungen), mit sinkender Stammzahl je Hektar abnimmt. Eine verstärkte forstliche Nutzung bewirkt maßgeblich die Reduktion der Stammzahl und somit eine quantitative Abnahme von Mikrohabitaten. Waldbauliche Eingriffe führen durch die Entnahme von Bäumen zu einem Mangel an Mikrohabitaten, können aber auch zum Entstehen neuer Mikrohabitate beispielweise durch Fäll- oder Rückeschäden beitragen.

Zudem konnten wir hinsichtlich der Mikrohabitat-Vielfalt keine generellen Unterschiede zwischen ausgewiesenen Habitatbäumen und Vergleichsbäumen feststellen.

Außer Spechthöhlen waren alle Mikrohabitat-Typen in beiden Baum-Kollektiven vorhanden. Die Rolle der zeitlichen Entwicklung von Mikrohabitaten, werden zukünftige Untersuchungen zeigen. In bewirtschafteten Wäldern verringert sich die Häufigkeit verschiedener Mikrohabitate, führt aber nicht zu deren Verlust. Holzwertmindernde Mikrohabitate wie freiliegendes Splint- und Kernholz oder besondere Wuchsformen kamen häufiger an ausgewiesenen Habitatbäumen vor. Ebenso trat das bezüglich der Arbeitssicherheit problematische Mikrohabitat-Kronentotholz an ausgewiesenen Habitatbäumen deutlich häufiger auf. Ein mit steigender forstlicher Nutzung verringerter Kronentotholzanteil wurde auch in anderen Studien festgestellt.

Die Mikrohabitatmenge an lebenden Bäumen in den Waldbeständen dieser Studie wurde am besten durch die Stammzahl erklärt und maßgeblich von der Baumanzahl mit einem BHD > 50 cm bestimmt. Je dicker ein Baum, desto mehr Mikrohabitate finden sich daran. Die hier ausgewiesenen Habitatbäume sind im Durchschnitt dicker als die Vergleichsbäume, was ihr höheres Mikrohabitat-Vorkommen z. T. erklärt. Der Mikrohabitat-Reichtum der ausgewiesenen Habitatbäume ist bei vergleichbarem BHD signifikant größer als jener der Vergleichsbäume. Dies deutet darauf hin, dass sowohl die Baumdimension als auch der Strukturreichtum wesentlich für den Mikrohabitat-Reichtum eines Baumes sind. Dabei ist nicht zwingend, alle Mikrohabitate zu erfassen. Erkenntnisse zu Ko-Existenzen von Mikrohabitaten z. B. für Mulmhöhlen und Rindenverletzungen erlauben, seltenen Mikrohabitaten eine "Indikator"-Funktion zuzusprechen.

Schlussfolgerungen

  • Das Ausweisen und Belassen von Habitatbäumen erhöht die Strukturvielfalt in Waldbeständen deutlich und kann diese vermutlich langfristig sicherstellen.
  • Tatsächlich ist die gesamte Mikrohabitat-Vielfalt auch in habitatbaumfreien Beständen enthalten, aber (auf den Einzelbaum bezogen) in geringerer Dichte.
  • Die Bewirtschaftung reduziert die Häufigkeit von Mikrohabitaten, beeinflusst jedoch nicht deren Vielfalt.
  • Um diese Schlussfolgerung auf andere Waldtypen zu übertragen, bedarf es der lokalen Überprüfung.