Dass Bäume in Städten als Schattenspender und Luftfilter eine wichtige Rolle zur Verbesserung des innerstädtischen Klimas spielen, ist allgemein bekannt. Bislang weiß man jedoch wenig darüber, wie viel Kohlenstoff in Stadtbaumbeständen gespeichert wird, zumindest ist die Größe und Dynamik dieses Kohlenstoffspeichers in Deutschland bisher nicht systematisch untersucht worden. Die sogenannte "Treibhausgasberichterstattung" im Rahmen des Kyoto-Protokolls verpflichtet die Unterzeichnerstaaten alle Kohlenstoffspeicher zu erfassen. Hier spielen die Wälder eine wichtige Rolle, aber auch Baumbestände außerhalb des Waldes sollten in die Berichte einbezogen werden.

Der vorliegende Beitrag stellt das Konzept und die Ergebnisse eines Forschungsvorhabens vor, das sich mit der Erstellung eines Kohlenstoffinventars für Baumbestände in städtischen Räumen befasst. Wichtigstes Ziel des Vorhabens ist es, methodische Grundlagen für die Erstellung zu entwickeln und zu erproben. Die Aufgabenstellung umfasst:

  • die Erhebung von Biomassedaten für Stadtbäume,
  • die Herleitung von Biomassefunktionen, sowie
  • die Entwicklung eines fernerkundungsgestützten Inventurverfahrens.

Diese Arbeiten erfolgten in Form einer Fallstudie in der Stadt Karlsruhe.

Baumkataster

Im ersten Schritt verschafften sich die Forscher anhand des Baumkatasters der Stadt Karlsruhe einen Überblick über den Baumbestand, insbesondere über die vorkommenden Baumarten. Laut Baumkataster kommen 203 Arten (darunter auch Zuchtformen) vor, allerdings machen 14 Baumarten ca. 80 % des im Kataster erfassten Baumbestands aus. Von diesen 14 Arten sind neun einheimische Baumarten (drei Ahornarten, Stieleiche, Winterlinde, Vogelkirsche, Hainbuche, Esche und Birke), die etwa 60 % des Baumbestands bestimmen. Das Baumkataster ist jedoch kein vollständiges Inventar, da nur die Bäume erfasst sind, die im öffentlichen Raum der Verkehrssicherungspflicht unterliegen.

Biomasseermittlung durch Baumkletterer

Grundlage für die Ermittlung des von Bäumen gespeicherten Kohlenstoffvorrats ist die Bestimmung der Biomasse (als Trockensubstanz), welche bei Bäumen zu rund 50 % aus Kohlenstoff besteht. Die Biomasse von Bäumen ist nur mit einem sehr hohen Aufwand zu messen. Mit Hilfe von Biomassefunktionen, die auf relativ einfach zu messenden Hilfsgrößen basieren, lässt sich die Biomasse einfacher abschätzen. Allerdings müssen Biomassefunktionen für Stadtbäume erst aufgestellt werden. Um Biomassefunktionen zu kalibrieren, benötigt man Einzelbaumbiomassen, wobei man sich aus messtechnischen Gründen meistens auf die oberirdische Biomasse beschränkt.

In der Regel ermittelt man die Einzelbaumbiomasse anhand von Probefällungen, die die Bäume zerstören. Diese Vorgehensweise ist bei Stadtbäumen jedoch nicht realisierbar. Mit Hilfe einer speziellen Messtechnik untersuchten die Wissenschaftler daher stehende Bäume, um deren Biomasse zu berechnen (Abb. 2). Für diese Bäume ermittelten sie außer den üblichen Messgrößen wie Brusthöhendurchmesser und Höhe auch photogrammetrische Kronenparameter, um Biomassefunktionen mit im Luftbild messbaren Prädiktoren (d. h. für die Vorhersage geeigneten Variablen) zu kalibrieren. Als beste Prädiktoren erwiesen sich die Kronenschirmfläche und die Baumhöhe.

Luftbildgestützte Stichprobenerhebung

Um den Gesamtvorrat an Biomasse bzw. Kohlenstoff zu ermitteln, der im Gesamtbestand der Bäume im Stadtgebiet enthalten ist, muss man die Gesamtzahl der Bäume ab einer bestimmten Dimension sowie deren mittlere Biomasse schätzen. Da die Bäume in Städten im Unterschied zum Wald nicht flächendeckend, sondern unregelmäßig geklumpt oder in linienförmiger Anordnung entlang von Straßen vorkommen, sind Stichprobenkonzepte, die sich im Wald bewährt haben, wenig geeignet.

Daher verwendeten die Wissenschaftler als Stichprobeneinheiten topographisch-kartografische Geometrien, die in einem geografischen Informationssystem (GIS) verfügbar sind. Diese Geometrien betrachtet man als Elemente, in denen Bäume vorkommen. Das Stadtgebiet von Karlsruhe umfasst ohne die Waldflächen eine Fläche von 12.866 ha, die aus insgesamt 23.786 geometrischen Einheiten besteht. Diese Einheiten lassen sich verschiedenen Landnutzungskategorien zuordnen und man kann diese für die Hochrechnung poststratifizieren (Abb. 3). Aus dieser „Gesamtpopulation“ wurde eine einfache Zufallsstichprobe gezogen, die 1.279 Elemente umfasst, in denen insgesamt 21.266 Bäume in Orthophotos gezählt wurden (Abb. 4).

Zusätzlich ermittelten die Forscher für das Stadtgebiet eine potenzielle Baumfläche durch die Kombination eines aus Luftbildern berechneten Vegetationsindexes mit einem aus Laserscannerdaten abgeleiteten Oberflächenmodell (Abb. 5). Diese Baumfläche verwendeten sie für die Hochrechnung in einem Regressionsschätzer als Hilfsgröße, was die genaueste Schätzung der Baumzahl ergab: Demnach umfasst der Baumbestand im Stadtgebiet von Karlsruhe (außerhalb des Waldes) mit einer Fläche von 12.866 ha ca. 394.700 (± 5.605) Individuen (ca. 30,7 Bäume je Hektar Stadtfläche ohne Wald).

Ermittlung der Baumbiomasse aus photogrammetrischen Messungen

In einem weiteren Schritt wurden aus den Stichprobeneinheiten zufällig 1.277 Einzelbäume ausgewählt und im Luftbildstereomodell vermessen, um deren Biomasse mittels der Biomasseschätzfunktion zu bestimmen. Anhand dieser Stichprobe wurde eine mittlere oberirdische Biomasse von 834,5 kg (± 41,6) je Baum geschätzt. Aus Gesamtzahl und mittlerer Biomasse wurde ein oberirdischer Gesamtbiomassevorrat der Stadtbäume von 329.400 t (± 17.080) errechnet, was einem Kohlenstoffvorrat von ca. 164.700 t entspricht. Auf die Stadtfläche (ohne Wald) bezogen, ergibt sich ein Vorrat von 25,6 t/ha Biomasse bzw. 12,8 t/ha Kohlenstoff (Tab. 1).

Zusätzlich ermittelten die Forscher auf der Grundlage der Betriebsinventur von 2006 den gesamten oberirdischen Biomassevorrat, der in der Waldfläche von knapp 4.500 ha im Stadtgebiet stockt: Dieser erreicht ca. 790.000 t (± 10.600). Stadt- und Waldbäume zusammen haben somit einen Gesamtvorrat von ca. 1,12 Mio. t (± 20.103) Biomasse bzw. rund 560.000 t Kohlenstoff; je Hektar Stadtfläche ergibt sich ein mittlerer Kohlenstoffvorrat von 32,3 t für Wald- und Stadtbäume zusammen (Tab. 2).

Der Vergleich mit nordamerikanischen Großstädten zeigt, dass der mittlere Kohlenstoffvorrat (Wald- und Stadtbäume) in Karlsruhe eher überdurchschnittlich ist (Abb. 6). Ein Vergleich mit Städten in Deutschland ist aufgrund der Datenlage bisher nicht möglich.

Verfahrensoptimierung

Die am Beispiel der Stadt Karlsruhe entwickelte Methodik basiert auf einem relativ einfachen Stichprobendesign, das im Wesentlichen Fernerkundungsdaten nutzt. Die Erhebung von Biomassewerten für Stadtbäume stellt einen bislang einmaligen Datenbestand dar. Um die Praktikabilität und Übertragbarkeit der Verfahren zu überprüfen, wollen es die Forscher auf den Stadtteil Wiehre der Stadt Freiburg anwenden.

Hierfür verwenden sie die anhand der Karlsruher Daten ermittelten Biomassefunktionen. Das Inventurverfahren wurde als Ergebnis der Erfahrungen aus Karlsruhe optimiert. Die Stichprobenauswahl erfolgte unverändert. Die Baumzählung wurde in Stereobildern und nicht auf Orthophotos durchgeführt. Dadurch konnte für jeden gezählten Baum auch die Höhe ermittelt werden. Die Auswahl der photogrammetrisch zu vermessenen Einzelbäume erfolgte systematisch als jeder 10. Baum direkt bei der Baumzählung. Als Kronenparameter wurde lediglich zusätzlich die Kronenschirmfläche gemessen. So konnte der Aufwand für die photogrammetrischen Vermessungen verringert werden.

Zurzeit wird ein Verfahren konzipiert, welches eine näherungsweise Abschätzung des Zuwachses ermöglicht. Zu diesem Zweck wurden auch Stammscheiben analysiert.