Der Buchdrucker (Ips typographus L.) ist die mit Abstand wirtschaftlich bedeutendste Borkenkäferart in Baden-Württemberg. Dieses Schadinsekt kann in Phasen der Massenvermehrung – wie wir sie derzeit erleben – selbst vitale, standortsangepasste Fichten befallen und dadurch ganze Bestände zum Absterben bringen. Im vergangenen Trockenjahr sind beispielsweise landesweit fast 2 Mio. Festmeter Fichten-Schadholz allein durch den Buchdrucker angefallen.

In die Beurteilung der neuen Baumarteneignungs-​ und Vulnerabilitätskarten zur Fichte geht unter anderem das Befallsrisiko durch den Buchdrucker mit ein. Der Artikel Baumarten im Klimawandel: Buche und Tanne verlieren stellt die neuen Karten vor. Die Klimakarten für die Hauptbaumarten finden Sie auf der Homepage der FVA.

Der Buchdrucker und sein Einfluss auf die Stabilität der Fichte

Ganz entscheidend für das potentielle Vermehrungsvermögen des Buchdruckers und somit für das Befallsrisiko, sind die thermischen Bedingungen. Kurz gesagt: Je wärmer das Klima, desto kürzer der Entwicklungszyklus der Käfer und desto größer folglich die Anzahl der aufeinander folgenden Generationen pro Jahr. Aufgrund der extrem hohen Vermehrungsrate von bis zu 1:20 (d. h. aus einem Weibchen entwickeln sich 20 Weibchen der Folgegeneration) steigt letztlich das Befallsrisiko exponentiell mit zunehmender Generationenanzahl.

Dieses klimaabhängige phänologie-basierte Befallsrisiko durch den Buchdrucker geht neben weiteren Risikofaktoren in die Beurteilung der Baumarteneignung und Vulnerabilität der Baumart Fichte ein. Der Buchdruckerbefall ist darüber hinaus noch von weiteren kleinräumig variierenden Faktoren abhängig, wie beispielsweise der räumlichen Nähe zu Vorjahresbefall bzw. Sturmwürfen, der Struktur und dem Alter der Bestände sowie der Intensität von waldhygienischen Managementmaßnahmen. Diese Faktoren fließen jedoch aufgrund der räumlich-zeitlich inkonsistenten Datenlage nicht in die vorliegende Beurteilung ein.

Um das phänologie-basierte Buchdruckerrisiko unter Berücksichtigung des fortschreitenden Klimawandels zu charakterisieren, wurde mit dem Phänologiemodell PHENIPS die Anzahl der potentiellen Buchdrucker-Generationen pro Jahr unter verschiedenen Klimaszenarien berechnet. Sobald die simulierte Generationenanzahl definierte Schwellenwerte überschreitet, wurde das Eignungskriterium "Stabilität" im Gesamtkonzept der Beurteilung der Baumarteneignung herabgesetzt.

Klimawandel lässt Buchdruckerrisiko steigen

Unter gegenwärtigen Klimabedingungen (1981-2010) entwickeln sich in Baden-Württemberg durchschnittlich 2,2 Buchdrucker-Generationen, wobei die Anzahl aufgrund der Topographie räumlich stark variiert (Abb. 2 links). Während sich in weiten Teilen des Schwarzwaldes und der Schwäbischen Alb in einem mittleren Jahr zwei Generationen (in den Gipfellagen nur eine Generation) entwickeln, führen die wärmeren Temperaturen in den tiefer gelegenen Bereichen zu bis zu drei Generationen im langjährigen Mittel. Selbst in Extremjahren wird in Lagen ab ca. 700 m ü.NN. im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb bisher keine dritte Generation entwickelt; in Tieflagen kommt es auch in diesen Jahren nicht zur vierten Generation.

Dies wird sich zukünftig jedoch ändern: Während in den kommenden Jahren (2021-2050) der Trend noch weitgehend gleich bleibt bzw. lokal sogar leicht rückläufig ist, führen die gegen Ende des Jahrhunderts verstärkt ansteigenden Temperaturen in beiden betrachteten RCP-Szenarien zu einem deutlichen Anstieg der Generationenanzahl und damit des Buchdruckerrisikos (Abb. 2 mittig). Die Anzahl der Generationen gemittelt über alle Rasterzellen im Zeitraum 2071-2100 steigt somit innerhalb von 90 Jahren um 0,2-0,4 auf 2,4 (±0,4)-2,6 (±0,3) an (RCP 4.5 bzw. 8.5).

Dies bedeutet im progressiven RCP 8.5-Szenario einen leichten Anstieg der Höhengrenze bis zu welcher sich im Mittel eine dritte Generation entwickeln kann (Abb. 2links, mittig). Betrachtet man jedoch die maximale Entwicklung, also Extremjahre, kommt die dritte Generation in den Jahren 2071-2100 fast flächendeckend vor (mit Ausnahme der Gipfel des Südschwarzwaldes) und in der Rheinebene kann sich sogar die vierte Generation entwickeln (Abb. 2 rechts).

Das Auftreten dieser Extremjahre ist bezüglich der Risikobewertung von besonderer Bedeutung: Da die Populationsdynamik des Buchdruckers nachhaltig, also über mehrere aufeinander folgende Jahre von solchen Extremjahren profitiert, lassen bereits wenige Extremjahre während einer 30-jährigen Periode das Buchdruckerrisiko überproportional ansteigen.

Um letztlich die Vulnerabilität der Fichte bewerten zu können, wurde die für jede Rasterzelle simulierte mittlere Generationenanzahl mit folgendem Schlüssel in Risikoklassen übersetzt:

  • <2 Generationen = Risikoklasse 0 (gering)
  • >2 - 2,5 Generationen = Risikoklasse 1 (mittel)
  • >2,5 Generationen = Risikoklasse 2 (hoch)

Werden also beispielsweise in einer 30-jährigen Periode in je 15 Jahren zwei bzw. drei Generationen entwickelt, entspricht dies 2,5 Generationen; Werte >2,5 bedeuten, dass es in der Mehrzahl an Jahren eine dritte Generation gibt. Folgt man diesem Bewertungsschlüssel, fallen aktuell jeweils etwas mehr als ein Drittel der waldbedeckten Landesfläche in die Klassen 0 und 1 (mittlere und höhere Lagen), ca. 25% in die höchste Klasse 2 (Tieflagen <450 m ü.NN., Abb. 3 links und 4). Diese Bilanz ändert sich dramatisch wiederum erst in den ferneren Zukunftsszenarien.

Im RCP 8.5-Szenario rutschen großflächige Gebiete zwischen 400 m und 600 m ü.NN. aus der Klasse 1 in die Klasse 2 mit dann 55%-Anteil an der Gesamtwaldfläche und nur die Hochlagen von Schwarzwald und Alb zählen weiterhin noch zur Risikoklasse 0 (3%). Ein Risikoanstieg ist insgesamt auf 66% der Waldfläche in Baden-Württemberg zu erwarten (Abb. 6a), d.h. auf 34% von Klasse 0 auf 1, auf 31% von 1 auf 2 und auf 1% von 0 auf 2.

Betrachtet man die regionalen Unterschiede in den verschiedenen Wuchsgebieten sind Risikoanstiege in allen Wuchsgebieten bis auf die Rheinebene (Wuchsgebiet 1) zu erwarten, in welcher aber bereits heute schon die höchste Risikoklasse 2 herrscht. Während in Schwarzwald (3), Baar-Wutach (5) und der Schwäbischen Alb (6) vielfach das Risiko von Klasse 0 auf 1 ansteigt, dominiert im Odenwald (2), dem Neckarland (4)und dem Südwestdeutschen Alpenvorland (7) der Anstieg von 1 auf 2 (Abb. 4).

Ausblick für die Fichte

Die Modellsimulationen zeigen eindeutig, dass sich zukünftig steigende Temperaturen unmittelbar auf das Buchdruckerrisiko auswirken und somit die Baumart Fichte gegen Ende des Jahrhunderts in ihrer Stabilität maßgeblich negativ beeinflussen – grundsätzlich gilt: je größer der mittlere Temperaturanstieg sowie die Frequenz von extremen Hitze- und Trockenjahren, desto höher die Vulnerabilität. Folglich stellt sich für den Waldbau bereits in den kommenden Jahren die Herausforderung, die Baumart Fichte in den Regionen mit zukünftig erhöhtem Risiko weitgehend zu ersetzen.