Kleine Dämme umgeben die 14 bewaldeten Wässerstellen im städ­tischen Naherholungsgebiet "Lange Erlen", wo die Industriellen Werke Basel IWB auf einem Areal von rund 22 Hektaren die Hälfte ihres Trinkwassers gewinnen. Während etwa zehn Tagen pro Monat stehen die mit Pappeln, Weiden, Erlen und Traubenkirschen bestockten Flächen jeweils 20 bis 50 Zentimeter unter Wasser. Die hier praktizierte künstliche Grundwasser­anreiche­rung ist einzigartig in Europa.

Im Staugebiet des knapp zwei Kilometer entfernten Kraftwerks Birsfelden wird dem Rhein Wasser entnommen, das man nach einer Vorreinigung durch einen Quarzsandfilter im Laubwald entlang des Flüsschens Wiese versickern lässt. Den Rest besorgt die Natur: Während der Passage durch den Boden und die drei bis vier Meter mächtige Deckschicht aus Sand und Kies erfolgt eine mechanische, chemische und biologische Reinigung des Flusswassers. Dabei werden viele Schadstoffe gebunden oder abgebaut. Wie eine Untersuchung der Universität Basel ergeben hat, sind es vor allem die im Boden lebenden Mikroorganismen, die einen Grossteil der - im Trinkwasser unerwünschten - organischen Substanzen eliminieren.

Natürliche Filterwirkung

Da die Kleinstlebewesen im Boden Sauerstoff benötigen, kann das Gebiet nicht dauernd unter Wasser stehen. Aus diesem Grund werden die Wässerstellen nach der Bewässerungsphase während etwa zwanzig Tagen trockengelegt. Durch die laufende Zersetzung der zurückgehaltenen Stoffe bleibt die natürliche Filterwirkung des Waldbodens erhalten. Nach einer kurzen Fliessstrecke im kiesigen Grundwasserleiter können die IWB das versickerte Rheinwasser in der Nähe der Wässerstellen als qualitativ einwandfreies Trinkwasser wieder aus dem Boden pumpen.

Trinkwasserschutz als vorrangige Waldfunktion

Weil der Waldboden eine besonders effiziente Reinigungsleistung garantiert, haben die IWB in diesem Wassergewinnungsgebiet im Lauf der Jahrzehnte 34 Hektaren Land aufgeforstet. Der seit Januar 2004 rechtsgültige Waldentwicklungsplan WEP von Basel-Stadt bezeichnet den Trinkwasserschutz in den Langen Erlen als vorrangige Waldfunktion. Andere Nutzungen wie die Holzernte oder Freizeitaktivitäten sind dadurch zwar nicht ausgeschlossen, doch bestehen gewisse Einschränkungen, um die Filterfunktion nicht zu beeinträchtigen. So soll etwa die Einzäunung der Wässerstellen verhindern, dass Hunde ihr Geschäft ausgerechnet in der engeren Grundwasserschutzzone verrichten.

Für Christian Küchli vom Bundesamt für Umwelt (BAFU) ist der WEP das geeignete Planungsinstrument für den optimalen Interessenausgleich zwischen Waldbesitzern und Trinkwasserversorgungen. "Damit können Nutzungskonflikte auf partnerschaftlicher Ebene gelöst und Wälder im Einzugsgebiet von Wasserfassungen gezielt im Hinblick auf eine optimale Filterwirkung gepflegt werden." Er ist überzeugt, dass viele Wasserversorgungen bereit sind, allfällige Mehraufwendungen der Waldbesitzer zu übernehmen und Einschränkungen der Holznutzung abzugelten.

Der Wald gehört der Stadt

"Wichtige Voraussetzungen für den Trinkwasserschutz im Wald sind eine dauernde Bestockung, stabile Baumbestände sowie Massnahmen zur Verhinderung von Bodenverdichtungen und Verunreinigungen durch wassergefährdende Stoffe", erklärt Forstingenieur Otmar Elsener, der die WEP-Planung im Auftrag des Forstamts beider Basel betreut hat. Solche Auflagen brauchen den Waldeigentümer im konkreten Fall nicht zu kümmern, denn der Wald im Nordosten der Stadt gehört seit Langem den Industriellen Betrieben Basel. Ähnlich verhält es sich auch in Winterthur, wo acht von insgesamt neun Grundwasserfassungen im stadteigenen Wald liegen. Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert hat die Stadt auf dem Gemeindegebiet von Zell ZH im Tösstal zwischen Rikon und Rämismühle Land mit reichen Grundwasservorkommen erworben.

Wie Basel und Bern verfügt auch Winterthur nicht über aufbereitetes Seewasser, sondern deckt den Trinkwasserbedarf der rund 60 000 belieferten Haushalte ausschliesslich mit Grundwasser. Zum Schutz der Fassungen wurden nach 1950 grosse Flächen im Einzugsgebiet der Brunnen aufgeforstet.

Schonende Waldbewirtschaftung

Waldpflege und Grundwasserschutz sind eng miteinander verknüpft. So verzichtet der städtische Forstbetrieb Winterthur auf flächige Räumungsschläge und fördert die natürliche Waldverjüngung unter dem Schirm der Altbäume. "Verjüngte Bestände verhindern eine grossflächige Überalterung der Wälder und minimieren so auch die Risiken durch Sturmschäden", erläutert Christian Küchli. "Aus Sicht der Trinkwasserproduktion sind Kahlflächen unerwünscht, weil hier oft mehr Stickstoff ausgewaschen wird, was die Wasserqualität beeinträchtigen kann."

Zum Schutz der Wasserfassungen verkehren die Forstmaschinen in Winterthur ausschliesslich auf Waldstrassen und- zum Abtransport der Stämme bis dahin- auf festen Rückegassen. Auch die Verwendung von biologisch abbaubaren Ketten- und Hydraulikölen ist längst selbstverständlich. Dank der verschiedenen Massnahmen zum Schutz des natürlichen Filters können die Städtischen Werke Winterthur jährlich über 10 Millionen Kubikmeter Grundwasser ohne jegliche Behandlung ins Netz einspeisen. Bei durchschnittlichen Aufbereitungskosten von 20 Rappen pro Kubikmeter entspricht dies einer Einsparung von 2 Millionen Franken.

Anspruchsvollere Holzernte

Im Umkreis der Fassungen wurden während der 1980er- und 90er-Jahre Gebiete ausgeschieden, in denen zum Schutz des Trinkwassers verschiedenste Nutzungsbeschränkungen gelten. In den engeren Grundwasserschutzzonen, die gut 100 von 1900 Hektaren Wald umfassen, erfordert vor allem die Holzernte besondere Vorkehrungen. So sind hier keine Holzlagerplätze zugelassen, wodurch längere Transportdistanzen in Kauf genommen werden müssen.

42 Prozent aller Grundwasserschutzzonen der Schweiz befinden sich in geschlossenen Wäldern. Dieser Wert liegt deutlich über dem Anteil des Waldareals, das- ohne Gehölze und Gebüschwald- rund 27 Prozent ausmacht. "In der Regel enthält Grundwasser aus bewaldeten Zonen markant weniger Schadstoffe als solches aus besiedelten oder landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebieten", sagt Benjamin Meylan von der SektionGrundwasserschutz beim BAFU. "Hauptgründe dafür sind der weit gehende Verzicht auf Hilfsstoffe- wie Düngemittel und Pestizide- im Wald, der fehlende Bodenumbruch sowie die natürliche Filtration im bedeckten, gut durchwurzelten und mikrobiologisch aktiven Waldboden."

Auch Henniez profitiert vom Wald

Diese Vorteile machen sich auch kommerzielle Anbieter wie die Waadtländer Getränkefirma Henniez SA zunutze. Ihr natürliches Kapital bildet das 250 Hektaren grosse Einzugsgebiet der Mineralwasserquelle in einem kleinen Ausläufer des Broyetals. Bis gegen Ende der 1970er-Jahre wurden die Parzellen in der näheren Umgebung der Quellfassung noch als Acker- und Weideland genutzt. Um das eigene Produkt besser vor unerwünschten Fremdstoffen wie Nitrat, Chlorid und Pestiziden zu schützen, kaufte das Unternehmen den Bauern im Einzugsgebiet der Quellen anfangs der 80er-Jahre ihre Höfe ab und stellte darauf den Ackerbau und die Viehwirtschaft ein.

Ab 1984 forstete die Firma die Umgebung der Mineralwasserfassung grossflächig auf und pflanzte über 70'000 Jungbäume. Der auf einer Fläche von 200 Hektaren neu entstandene Wald zieht sich heute wie ein schützender Gürtel um die verbliebenen, extensiv genutzten Naturwiesen im Quellgebiet. Dadurch hat inzwischen auch der Nitratgehalt des Mineralwassers deutlich abgenommen.

Gefährdung durch Stickstoff

Der hohe Qualitätsstandard des Grundwassers aus bewaldeten Einzugsgebieten ist heute durch die übermässige Belastung der Wälder mit Stickstoff und weiteren Säure bildenden Schadstoffen bedroht. Modellrechnungen zeigen, dass die kritische Säurebelastung auf 34 Prozent aller Waldflächen in der Schweiz überschritten wird. 95 Prozent der einheimischen Wälder werden zudem durch den Stickstoffeintrag aus der Luft überdüngt. Die Stickstoffeinträge stammen zu knapp zwei Dritteln aus der Landwirtschaft, hauptsächlich in Form von Ammoniak (NH3), das aus der Nutztierhaltung entweicht. Den Rest bilden Stickoxide (NOx) aus Feuerungen und Automotoren.

Mit der Versauerung wächst das Risiko einer verstärkten Auswaschung von Schadstoffen ins Grundwasser. Je saurer die Waldböden, desto höher sind auch die Konzentrationen an Aluminium, Eisen und Mangan im Sickerwasser und im abfliessenden Oberflächenwasser. "Um die Filterwirkung der Waldböden langfristig zu erhalten, braucht es deshalb weitere Anstrengungen zur Reduktion der viel zu hohen Stickstoffeinträge ", erklärt Christian Küchli vom BAFU.

Langzeitrisiko für den Wald

Die Versauerung der Waldböden beeinträchtigt nicht nur deren Filterwirkung. Sie ist auch für den Wald selbst ein Langzeitrisiko. Ihretwegen verändert sich das Stoffgleichgewicht grundlegend. Basische Kationen- Kalium, Kalzium und Magnesium- werden knapp. Es sind wichtige Nährstoffe. Andererseits wird im sauren Milieu Aluminium in grösseren Mengen freigesetzt, das wurzelschädigend wirkt. Rund ein Drittel der Schweizer Waldböden weist heute in mindestens einem Bodenhorizont eine Aluminiumkonzentration auf, die das Wurzelwachstum von Pflanzen gefährden kann.