Luftverschmutzung macht dem Wald zu schaffen, denn trotz Fortschritten in der Luftreinhaltung sind die Bäume auch heute noch einer hohen Belastung durch Luftschadstoffe ausgesetzt. Über 90% der Schweizer Wälder erhalten Jahr für Jahr zu viel Stickstoff aus der Luft, der vor allem aus Emissionen der Landwirtschaft und aus Autoabgasen stammt und zur Versauerung der Waldböden beiträgt. Die Belastung durch Ozon- und Stickstoffeinträge liegt in weiten Teilen der Schweiz über den international festgelegten kritischen Belastungsgrenzen, so im Mittelland, am Alpenrand und in den südlichen Regionen des Tessins.

Der Wald steht deshalb vielerorts unter Stress und die Schadstoffeinträge sind für ihn ein Langzeitrisiko. Zusätzliche Belastungen entstehen durch Trockenperioden und Stürme sowie durch den Befall von Borkenkäfern und anderen Schadorganismen.

Die Stickstoffzufuhr in den Waldboden verändert dessen chemisches Milieu, denn einerseits entspricht dies einer Düngung, aber andererseits führt dies auch zu einer Versauerung (dies als Folge der Umwandlung und der Aufnahme von Ammonium). Dieser Umstand kann sich negativ auf den Zustand der Baumwurzeln auswirken, was sich beispielsweise nach einem grösseren Windwurf zeigt.

Wie kritisch ist die Situation für Buchen auf sauren Standorten?

Und tatsächlich: Im Dezember 1999 entwurzelte der Sturm "Lothar" grosse Waldgebiete des Schweizer Mittellands, Südostfrankreichs und Süddeutschlands vermehrt auf Standorten mit sauren Böden (Mayer et al. 2003). Daraus lässt sich ableiten, dass die Wurzelsysteme auf sauren Böden so beeinflusst sind, dass sich die Bäume auf ihnen im Vergleich zu neutralen oder basischen Böden schlech­ter verankern können. Zu einem ähnlichen Schluss kamen Braun et al. (2005), als sie feststellten, dass die Wurzeln der Bäume auf sauren Standorten und tiefem Anteil der basischen Nährstoffe (= Basen­sättigung) relativ kürzer sind.

"Lothar", ein Extremereignis, deckte ein Problem auf, das – mit Blick auf die erhöhten Schadstoffeinträge – für die Zu­kunft von Bedeutung sein könnte. Es galt aufzuklären, wie kritisch die Situation für Buchen auf sauren Standorten wirklich ist. Um dies herauszufinden, musste der Zustand von Buchenwurzeln in stark versauerten Böden genauer erfasst werden. Bei unseren Untersuchungen im Rahmen einer Dissertation (Richter 2007) lag ein besonderes Augenmerk auf den Feinwurzeln (Abb. 2), die mit einem Durchmesser von weniger als 2 mm in Bezug auf die Nährstoff- und Wasseraufnahme die aktivsten Teile der Wurzeln darstellen.

Bei einem versauerten Boden sinkt nicht nur der pH-Wert, sondern es nimmt vor allem auch die Verfügbarkeit von Aluminium zu, welches für die Feinwurzeln giftig ist. Allerdings ist Aluminium nur dann giftig, wenn der Anteil des Aluminiums den Anteil der basischen Nähr­stoffe Kalium, Magnesium und Kalzium übersteigt. Dies ist dann der Fall, wenn die Basensättigung im Boden weniger als 15% beträgt. In anderen Worten: Erst wenn die Basensättigung des Waldbodens unter 15% liegt, besteht eine potenzielle Gefahr, dass Aluminium von den Feinwurzeln aufgenommen wird und es seine giftige Wirkung entfalten kann.

Sechs Buchenbestände auf versauerten Böden untersucht

Für unsere Studie wählten wir im Schweizer Mittelland sechs von der Buche mehrheitlich dominierte Waldstandorte (Abb. 3), welche gemäss dem gegenwärtigen Stand des Wissens (Walthert et al. 2004) für diese Region die stärkste Versauerung und die geringste Basensättigung aufweisen (pH 3–4, Basensätti­gung 2–10%). In diesem pH- und Basen­sättigungsbereich kann aufgrund der Fachliteratur mit einer Beeinträchtigung der Vitalität der Wurzeln gerechnet wer­den.

In unserer Studie zeigte sich, dass bestimmte morphologische und physiologische Merkmale der Feinwurzeln in Böden mit tiefster Basensättigung (2–5%) gegenüber Böden mit weniger tiefer Basensättigung (5–10%) tatsächlich negativ beeinflusst sind. So ist bei tiefster Basensättigung die Zahl der Wurzelspitzen und der Wurzelverzweigungen verringert, und zudem ist die Fähigkeit zur Aufnahme von Sauerstoff beeinträchtigt (Richter et al. 2007). Dies könnte darauf hindeuten, dass die Wurzelsysteme der Buchen in stark saurem Milieu Nährstoffe und Wasser nicht mehr optimal aufnehmen können.

Keine erhöhten Umsatzraten

Definition "Umsatz"

Der Begriff "Umsatz" oder "turnover" beschreibt das Entstehen und Vergehen von Leben. Ein Umsatz von 1 pro Jahr bedeutet, dass das neu Entstandene innerhalb eines Jahres wächst, lebt, stirbt und verfällt. Am Beispiel der Blätter eines Laubbaumes kann dieser Umsatz am besten veranschaulicht werden: Im Frühling treiben sie aus, im Sommer assimilieren sie, im Herbst fallen sie auf den Boden und über den Winter zersetzen sie sich.

Ein Umsatz von 2 würde ein zweimaliges Austreiben der Blätter innerhalb des gleichen Jahres bedeuten, wie dies in bestimmten Trockenjahren oder nach Insekten- oder Pilzbefall der Fall sein kann. Fichtennadeln haben dementsprechend einen Umsatz von 0.2, da sie rund 5 Jahre lang an den Ästen bleiben.

Eine weitere sensitive Messgrösse, um Effekte der Versauerung auf die Feinwurzeln zu erfassen, ist deren Umsatz (siehe Kasten). Anhand von Untersuchungen aus Deutschland ist bekannt, dass der Umsatz der Feinwurzeln bei starker Versauerung erhöht ist, oder in anderen Worten ausgedrückt: Die Feinwurzeln sterben früher ab. Als Folge davon ersetzen Bäume abgestorbene neue Feinwurzeln, wodurch sich de facto deren Umsatz erhöht. Ein hoher Umsatz der Feinwurzeln bewirkt, dass die Bäume mehr Energie in die Erhaltung der Wurzelsysteme investieren müssen.

Dieser Umstand dürfte sich insgesamt negativ auf das Wachstum und die Reproduktion auswirken, da für beides weniger Ressourcen zur Verfügung stehen. Zusätzlicher Stress wie Trockenheit oder Insektenbefall könnte die Bäume dabei an den Rand ihrer Reaktionsfähigkeit bringen. Unsere Untersuchungen an Buchen ergaben jedoch, dass die Feinwurzeln in den stark versauerten Böden keinen erhöhten Umsatz aufweisen. Die in der Schweiz festgestellten jährlichen Umsatzraten liegen mit 0.5–1.7 deutlich unter denjenigen von stark versauerten Standorten in Deutschland (pH 2–3), welche jährliche Umsatzraten von 2.2–8.9 aufweisen (Abb. 4).

Resultate nicht auf andere Standorte übertragbar

Die Resultate unserer Studie lassen keinen definitiven Schluss zu, ob für Buchen auf Waldböden mit starker Versauerung eine unmittelbare Gefährdung besteht. Obwohl bestimmte Merkmale der Feinwurzeln geringfügig negativ beeinflusst sind, ist der jährliche Umsatz nicht erhöht. Da diese Ergebnisse aus einem geografisch eng begrenzten Raum des Schweizer Mittellandes stammen, kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden, dass der Wurzelumsatz der Buche auf sauren Böden in anderen Regionen der Schweiz oder bei anderen klimatischen Bedingungen nicht doch erhöht sein könnte.

Literatur

  • Braun, S.; Cantaluppi, L.; Flückiger, W. (2005): Fine roots in stands of Fagus sylvatica and Picea abies along a gradient of soil acidification. Environmental Pollution 137, 574–579.
  • Mayer, P.; Brang, P.; Dobbertin, M.; Hallenbarter, D.; Mayer, F.J.; Renaud, J.P.; Walthert, L.; Zimmermann, S. (2005): Forest storm damage is more frequent on acidic soils. Annals of Forest Science 62, 303–311.
  • Richter, A.K., Walthert, L.; Frossard, E.; Brunner, I. (2007): Does low soil base saturation affect the vitality of fine roots of European beech? Plant and Soil 298, 69–79.
  • Richter, A.K. (2007): Fine root growth and vitality of European beech in acid forest soils with a low base saturation. Dissertation Nr. 17496, ETH Zürich.
  • Waldbericht. 2005. Zahlen und Fakten zum Zustand des Schweizer Waldes. BAFU, Bern.
  • Walthert, L.; Zimmermann, S.; Blaser, P.; Luster, J.; Lüscher, P. (2004): Waldböden der Schweiz. Band 1. Grundlagen und Regionen Jura. WSL, Hep Verlag, Bern, 768 S.