Der Boden ist sehr artenreich, wobei die Artenvielfalt im Boden sogar höher als im oberirdischen Teil des Waldes ist. Im öffentlichen Bewusstsein sind Bodenorganismen nur wenig verankert. Man nimmt vor allem die "Guten" (Nützlinge wie Knöllchenbakterien oder der Regenwurm) und die "Bösen" (Schädlinge wie zum Beispiel Wurzel­pathogene) wahr. Hingegen bleibt die überwältigende Mehrheit der "unansehnlichen" Bodenlebewesen im Verborgenen, da man nur wenig von ihnen weiß und sie deshalb oft für entbehrlich hält. Trotzdem sind diese unschein­baren Wesen sehr zahlreich: So befinden sich in einem Gramm Waldboden, das entspricht in etwa einem Teelöffel Erde, 100 Millionen Bakterienzellen, 60 km Pilzfäden, 30.000 Einzeller und 1000 Fadenwürmer. Auf einem Quadratmeter Boden halten sich zirka 120 Regenwürmer auf.

Jeder Bodenorganismus übernimmt Aufgaben

All diese Organismen übernehmen wichtige Funktionen im Waldboden. Sie sind verantwortlich für Streuabbau, Humusbildung und die Nachlieferung von Nährstoffen. Sie sind wichtige Partner in pflanzlichen Symbiosen und können für die Kontrolle von Schädlingen verwendet werden. Außerdem ist der Boden ein Habitat- und Genpool, aus dem wichtige Anwendungen für Medizin und Biotechnologie geschöpft werden. In den letzten Jahren ist auch die Klimawirkung der Bodenorganismen ins Rampenlicht gerückt.

Bodenorganismen sind sowohl am Abbau als auch am Umbau von organischer Substanz beteiligt. Laub- und Nadelstreu wird von einer Reihe von Bodentieren zerkleinert, von Mikroorganismen verdaut und zu Humus umgebaut. Ökosystem-Ingenieure sind Bodenorganismen, die die physikalische Struktur des Bodens ver­ändern und damit den Nährstoff und Energiefluss in Gang halten. Streuzersetzer zerteilen die verrottende Streu und verbessern ihre Verfügbarkeit für Mikroben. In Mikronahrungsnetzen sorgen mikrobielle Gemeinschaften und ihre direkten Räuber für die Nachlieferung von Nährstoffen im Wasserfilm des Porenraums.

Partnerschaften mit Pflanzen

Eine wichtige Funktion der Bodenorganismen ist die Partnerschaft in mutualistischen Symbiosen mit Pflanzen. Ohne diese Symbiosen würden die Welt und ihre Öko­systeme nicht so aussehen, wie sie es heute tut. Da sind beispielsweise die Luftstickstofffixierer, die aus der Landwirtschaft nicht weg zu denken sind und auch für die Entstehung natürlicher Ökosysteme entscheidend waren. Arbuskuläre Mykorrhizen machen das Wachstum von Orchideen erst möglich, aber auch Erikazeen, wie die Heidel­beere, brauchen sie. Fast alle Pflanzen leben in irgendeiner Form der Symbiose mit Pilzen.

Bei den Bäumen sind Ektomykorrhizen vorherrschend, wobei viele bekannte Speisepilze als Partner dienen. Zu den Ektomykorrhizen gibt es zahlreiche neue Erkenntnisse. Das klassische Verständnis dieser Symbiose ist der Austausch von Energie und Nährstoffen über das so genannte Hartig’sche Netz in der Wurzelrinde.

Heute weiß man, dass alle Bäume eines Waldes unterirdisch über Pilze miteinander vernetzt sind, und so kann zum Beispiel ein alter Baum einem Schössling über die schwierige Anfangsphase des Wachstums im Schatten des Kronenraums hinweg helfen, indem er ihm Energie in Form von Zucker bereit stellt. Vor einigen Jahren hat man so genannte "Steine fressende" Pilze entdeckt, die feine Rillen in Quarzkörnchen brennen können und so den Bäumen ermöglichen, auf sehr nährstoffarmen Böden wie zum Beispiel Podsolen zu wachsen.

Auch die Kontrolle von Schädlingen kann mit Hilfe von Bodenorganismen er­folgen. Das bekannteste Beispiel ist das Bodenbakterium Bacillus thuringiensis, das weite Verwendung bei der Bekämpfung von schädlichen Insektenlarven findet. Dieser Einsatz ist wegen mög­licher Nebenwirkungen auf andere Insekten nicht unumstritten. Im Wiener Raum erfolgte die Be­kämpfung des Eichenprozessions­spinners mit dem Toxin dieses Bodenbakteriums.

Habitat- und Genpool

Böden sind ein wichtiger Habitat- und Genpool. Böden mit hoher Biodiversität sind resilienter gegen Störungen, zeigen einen effizienteren Nährstoffumsatz und sind stabiler in ihren Bodenfunktionen. An sterilen Böden konnte man zeigen, dass je mehr verschiedene Impfkulturen mit Mykorrhizapilzen ausgebracht wurden, desto mehr verschiedene Pflanzenarten konnten sich ansiedeln. Darunter waren vor allem seltene Arten. Gleichzeitig steigerte sich die Produktivität der Pflanzen. Im Wald sind die Ektomykorrhizapilze für 15 % der Produktion verantwortlich.

Zum Thema Artenvielfalt arbeiten seit 2001 zahlreiche Boden­biologen in Österreich zusammen. Jeder dieser Wissenschaftler ist Spezialist für eine Organismen-Gruppe. Trotz vieler gesammelter Daten ist man noch weit davon entfernt, die gesamte Biodiversität eines Bodens zu erfassen. Dies ist auf der ganzen Welt noch nicht gelungen.

Im Zuge der Bodenforschung wurden neue Arten entdeckt

Die Untersuchung der Bodendiversität führt aber immer zu neuen Entdeckungen: So konnte der Erstnachweis einer Baldachin-Zwergspinne für Österreich erbracht werden, es wurde eine neue Collembolen-Art entdeckt. Weiters konnten 32 neue Wimpertierchen­arten beschrieben werden und es wurde eine Genbank für hunderte Bakterien-Taxa angelegt. Aus dieser Genbank kann man neue biotechnologische Leistungen der Mikroorganismen entwickeln.

Bodenorganismen werden bereits für die Herstellung von Camembert, Blauschimmelkäse und Sojasauce verwendet, ebenso für das Bleichen von Jeans, für die Herstellung von Antibiotika und anderer Medikamente, die beispielsweise bei Organtransplantationen eingesetzt werden.

Boden als wichtiger Klimafaktor

Zuletzt soll noch auf die Klimawirkung von Boden­organismen hingewiesen werden. Der Treibhauseffekt ist vor allem durch die Gase Methan, Lachgas und Kohlendioxid (CO2) verursacht. Er bedingt nicht nur eine Erwärmung der Erdatmosphäre, sondern führt auch zu vermehrten Turbulenzen, die als Extrem­wettersituationen zu gravierenden Schäden führen können. Böden sind in der Regel Senken für Treibhausgase, nur nach Störung oder unter außergewöhnlichen Umständen wird Methan, Lachgas bzw. CO2 von Bodenorganismen vermehrt freigesetzt.

Auch im globalen Kohlenstoffkreislauf spielen Böden eine wichtige Rolle. Die Bodenatmung setzt weltweit 60 Gigatonnen (Gt) Kohlenstoff als CO2 frei. Dem stehen 1500 Gt Kohlenstoff gegenüber, die in Böden gebunden sind. Das ist eine sehr große Zahl im Vergleich zu den 7 Gt, die der Mensch pro Jahr durch Verbrennungsprozesse produziert. Dennoch wird das im Boden veratmete CO2 meist wieder durch die Photosynthese der Pflanzen überkompensiert, sodass Wälder eine wichtige CO2-Senke darstellen.

Fußbodenheizung für den Wald

Was passiert nun, wenn das Klima wärmer wird? Könnte dies das empfindliche Gleichgewicht zwischen Bodenatmung und Photosynthese stören? Zu diesem Zweck haben wir am Standort Achenkirch in Tirol eine „Fußbodenheizung für den Wald“ installiert. Unsere Untersuchungen zeigen tatsächlich, dass an diesem humus- und nährstoffreichen Standort die Boden­erwärmung um 4 °C zu einer Steigerung der Boden­atmung um 40% führen kann. Das heißt, es könnte sich ein positiver Rückkopplungseffekt der Klima­erwärmung ergeben. Wir hoffen jedoch, dass dieser Effekt nach einigen Jahren nachlässt, wenn alle leicht abbaubaren Substanzen im Boden von den Mikro­organismen verwertet wurden.

Bei Waldbewirtschaftung an die unterirdischen Auswirkungen denken
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Bodenorganismen eine weitaus wichtigere Rolle in unserem Leben spielen, als uns durch ihr verstecktes Dasein bewusst wird. Dies sollte auch bei der Waldbewirtschaftung nicht vergessen werden, da jede Maß­nahme, die im Wald gesetzt wird, auch unterirdische Auswirkungen mit sich bringt.