Zapfen dienen der Vermehrung der Nadelgehölze und sind Nahrungsquelle für viele Waldtiere

Die schönsten Weihnachtsbäume schmückt die Natur selbst. Zeitlos elegant, stilsicher und schlicht zeigen sich immergrüne Nadelbäume wie Fichte, Douglasie und Kiefer mit Zweigen voller hölzerner Zapfen in unterschiedlicher Form und Größe. Wenngleich ihre Nadeln mittlerweile zu Boden gefallen sind, hängen auch die kleinen Zapfen der Lärche noch an den kahlen Zweigen. Und wer nach einem Waldspaziergang im Advent meint, er hätte einen Beutel voller Tannenzapfen zur Dekoration der guten Stube gesammelt, der irrt. Es sind Fichtenzapfen. Die großen Zapfen der in Westfalen seltenen Weißtanne können gar nicht vom Waldboden aufgesammelt werden. Hoch oben in der Baumkrone zerfallen sie schon am Zweig und geben so die im Schutz der Zapfenschuppen gereiften Samen frei. Denn das ist die natürliche Funktion aller Zapfen: Sie dienen der Vermehrung der Nadelgehölze.

Blütenstände werden zu Zapfen

Auch die Erlen tragen kleine Zapfen. Bei den Laubgehölzen ist das aber eine große Ausnahme. Die kleinen Fruchtstände und die Samen der Erlenarten sind überdies botanisch anders einzuordnen als die aus Blütenständen hervorgegangenen Zapfen der Nadelbäume. Diese, wissenschaftlich als Koniferen (aus dem Lateinischen übersetzt "Zapfenträger") bezeichneten Gehölze zeigen nicht nur in der besonderen Kronen- und schmalen Blattform, den Nadeln, oder im Holzaufbau große Unterschiede zu den Laubbäumen. Auch ihr Generationswechsel funktioniert nach einem völlig anderen System.

Nadelbäume sind getrenntgeschlechtlich, das heißt, sie haben männliche und weibliche Blüten, und sie gehören zu den nacktsamigen Pflanzen. Sie machen sogar den größten Teil dieser stammesgeschichtlich sehr alten Pflanzengruppe aus. Anders als bei den bedecktsamigen Pflanzen,  wie den Kräutern oder den Laubgehölzen, entwickelt sich der Samen in der weiblichen Blüte nicht geschützt in einem Fruchtknoten, sondern frei auf einer anfangs noch weichen Zapfenschuppe. Diese setzt sich aus der den Samen tragenden "Samenschuppe" und einer so genannten "Deckschuppe" zusammen. Die Zapfenschuppen sind an einer zentralen Spindel angeordnet.

Nach der Befruchtung der Samenanlagen durch die männlichen Pollen bildet sich durch das Wachstum der Samenschuppen ein zunächst noch fest verschlossener, harter Zapfen. In dessen Schutz reifen die geflügelten Samen heran. Die Deckschuppe kann dann je nach Art im Zapfen zu sehen (z.B. bei der Douglasie) oder verborgen sein (z.B. bei der Fichte). Da der gesamte Zapfen einen verholzten weiblichen Blütenstand darstellt, wird er auch Fruchtzapfen genannt.

Je nach Baumart sind die Samen nach einigen Monaten oder Jahren (z.B. bei Waldkiefer nach zwei Jahren) ausgereift. Durch das Trocknen der Zapfenschuppen und das dadurch bewirkte Öffnen bzw. Zerfallen der Zapfen werden die Samen schließlich freigegeben. Sie fliegen zu Boden und bilden damit die Basis einer neuen Waldgeneration. Die nicht mehr benötigten Zapfen fallen im Verlauf der nächsten Monate, teilweise aber auch erst nach Jahren (bei den Lärchen) vom Baum. Auch die verbliebenen Spindeln der zerfallenen Tannenzapfen sind noch lange am Zweig zu sehen.

 

 

 

 

Am Zapfen den Nadelbaum erkennen

Die Zapfen der Nadelbaumarten unterscheiden sich in Größe, Festigkeit und Form, in der Farbe und im Harzanteil. Auch die Stellung am Zweig gibt wichtige Hinweise zur Bestimmung, so z.B. bei den stehenden Zapfen der Tannenarten und den hängenden Fichtenzapfen. Auch letztgenannte stehen zunächst als noch unbefruchtete weibliche Blütenstände bzw. erst frisch befruchtete Fruchtzapfen im Frühjahr aufrecht. Während der Samenreife drehen sie sich dann aber um 180 Grad nach unten und werden bis zum Herbst zu den typisch Fichtenzapfen in zylindrischer Form. Dagegen bildet der Wacholder recht ungewöhnliche Zapfen aus. An den Zweigen der weiblichen Bäume (Ausnahme beim Nadelholz: Zweihäusigkeit) entwickeln sich die Blütenstände nicht zu verholzten Zapfen, sondern zu schwarz-blauen "Beerenzapfen", den Wacholderbeeren. Sie sind als Gewürz, im Steinhäger oder Gin hinlänglich bekannt. Auch die Eibe nimmt mit ihrem von einem fleischig-roten Arillus umgebenen Einzelsamen innerhalb der heimischen Koniferen eine Sonderstellung ein.

Die heimischen Nadelgehölze bilden in starker Abhängigkeit von der jeweiligen Baumart und der Konkurrenzsituation des Einzelbaumes nach einigen Jahren oder Jahrzehnten die ersten Zapfen aus. Frei stehende Bäume tragen deutlich früher und auch häufiger Zapfen als die Bäume im Bestand. Der so genannte "Behang" mit Zapfen an Waldbäumen ist im Jahresvergleich sehr unterschiedlich. Es gibt gute Samenjahre, in denen die aufwendige Beerntung der Zapfen lohnt. Denn Saatgut von qualitativ hochwertigen und für die Beerntung zugelassenen Nadelholzbeständen wird laufend nachgefragt. Daher untersuchen Forstleute bereits lange vor der Samenreife bzw. der Erntezeit die Baumkronen intensiv. In den Baumkronen kletternde Zapfenpflücker ernten dann im Spätsommer und Herbst die noch ungeöffneten Zapfen. Aus diesen wird nach einer aufwendigen Aufbereitung neues Saatgut für die Baumschulen gewonnen.

Auch Waldtiere ernten Zapfen

Doch nicht nur der Mensch hat Interesse an den Zapfen. Die Konkurrenz trägt Haare und Federn. Bei nicht wenigen Vogel- und Säugetierarten im Ökosystem Wald nehmen Zapfen, besonders im Winter, eine zentrale Position im Speiseplan ein. So lebt der Buntspecht in der kalten Jahreszeit maßgeblich von den ölhaltigen Samen aus den Kiefern- oder Fichtenzapfen. Die Spuren seiner Zapfenmahlzeiten sind auch für ungeübte Waldläufer leicht zu erkennen.

Nicht selten können Spechtschmieden mit eingeklemmten Zapfen in Astlöchern, Zwieseln, Rindenspalten oder eigens gehackten Löchern entdeckt werden. Der Specht nutzt die Schmieden als Hilfsmittel zum Fixieren der Zapfen, die er zuvor mit gezielten Schlägen vom Zweig gelöst hat. Mit großer Kraft hackt er zwischen die Schuppen und zieht den Samen mit der Zunge heraus. In wenigen Minuten ist der Zapfen abgeerntet. Die Spechtschmieden werden oft regelmäßig benutzt und weisen dann eine beträchtliche Zahl an zerhackten Zapfen im Umfeld auf. Anhand markanter Fraßreste entlarvt sich auch ein weiterer Zapfenfresser. Auf einem Zweig in der Höhe sitzend, bearbeitet das Eichhörnchen die vorher abgebissenen Zapfen. Es reißt und nagt an den Schuppen, die dann zusammen mit den ausgefransten Spindelresten am Boden zu finden sind. Die von Waldmäusen sauber abgenagten Zapfenspindeln sind dagegen seltener zu finden, weil sie meist in erst in sicheren Verstecken verzehrt werden.

Ein bunter Fink mit gekreuztem Schnabel

Trotz auffälligen Gefieders in den klassischen Weihnachtsfarben kann man einen weiteren Zapfenbearbeiter nur selten entdecken. Heimlich, still und leise öffnet der Fichtenkreuzschnabel (erwachsene Männchen sind rot, Weibchen olivgrün) die Zapfen direkt am Ast in der Baumkrone. Die Bindung an die Zapfennahrung ist bei diesem Finkenvogel besonders ausgeprägt. In Preußen wurde er "Zapfenfresser", im Alpenraum auch "Christvogel" oder "Weihnachtsvogel" genannt.

Der Fichtenkreuzschnabel klettert geschickt unter Zuhilfenahme seines Schnabels. Er brütet zumeist mitten im Winter und versorgt seinen Nachwuchs in dieser kargen Zeit vorwiegend mit den energiereichen Samen aus Fichtenzapfen. Um diese spreizen zu können und dann mit der Zunge an die Samen zu gelangen, hat sich der gekreuzte Schnabel des etwa spatzengroßen Vogels zu einem effektiven Spezialwerkzeug entwickelt. Typisches Merkmal der bearbeiteten Zapfen sind die wie angeschnittenen Zapfenschuppen. Zum Ausgleichen der einseitigen Samenernährung trinken die Vögel viel (auch Schnee) und nehmen Mineralien aus unterschiedlichsten Quellen auf. Fichtenkreuzschnäbel kommen in Westfalen besonders im südlichen Teil vor, können als so genannte Invasionsvögel auf der Suche nach Zapfen aber auch anderswo in großer Zahl auftreten.