Am Beispiel der Naturwaldzelle "Petersberg" im Siebengebirge bei Bonn wird nach 20-jähriger Dauerbeobachtung eine Zwischenbilanz der Entwicklung der biologischen Vielfalt der Baumartenzusammensetzung und Bodenvegetation gezogen.

Einleitung

Die 75 Naturwaldzellen des Landes liefern einen Einblick in die biologische Vielfalt der Waldökosysteme Nordrhein-Westfalens. In ihnen sind fast alle relevanten Waldgesellschaften repräsentiert. In diesen nutzungsfreien, naturnahen Waldgebieten werden ausgewählte Organismengruppen in langfristigen Zeitreihen gezielt untersucht, um die Arten- und Strukturdiversität in den Wäldern einschätzen zu können. Am Beispiel der Naturwaldzelle Nr. 57 "Petersberg" im Siebengebirge bei Bonn wird die 20-jährige Entwicklung der biologischen Vielfalt zur Baumartenzusammensetzung und Bodenvegetation vorgestellt. Ein ausführlicherer Artikel hierzu erscheint in Kürze in "Natur in NRW", Heft 4/2009.

Naturwaldzelle Petersberg

Die Naturwaldzelle (NWZ) "Petersberg" liegt am Westhang der gleichnamigen Erhebung bei Königswinter im Wuchsgebiet Siebengebirge in 180 bis 300 Metern ü. NN. An den Hängen des verwitterten Vulkankegels aus dem Tertiär haben sich mäßig basenreiche und basenreiche Braunerden aus lehmigem Schluff bis schluffigem Lehm über Basalt und Trachyttuff entwickelt.

In der NWZ "Petersberg" stockt ein 140-160-jähriger geschlossener Buchenbestand. Er ist aus Stockausschlag hervorgegangen. Zahlreiche Kopfbuchen zeugen von der Ramholzwirtschaft, einer früher im Siebengebirge weit verbreiteten Sonderform der Niederwaldwirtschaft. Die sogenannten Rambüsche dienten dazu, die Weinberge mit Rebpfählen = Ramen (von lat. Ramus = Ast) zu versorgen. Im Gegensatz zur konventionellen Niederwaldwirtschaft erfolgte der Hieb der Stöcke nicht direkt über dem Boden, sondern in 60 bis 90 cm Höhe. In zwei- bis vierjährigem Umtrieb ernteten die Weinbauern die jeweils stärksten Stangen eines Stockes (Pott 1991). Einzelne Traubeneichen, Vogelkirschen und Winterlinden durchsetzen den Bestand. Diese Mischbaumarten werden von der Buche stark bedrängt, was sich in kleinkronigen und abgängigen Eichen und Kirschen zeigt. Im Unterstand steht teilweise Stechpalme (Becker et al. 1990).

Die dominierende Waldgesellschaft der NWZ ist der Waldmeister-Buchenwald (Galio-Fagetum), der in Abhängigkeit von den Standortbedingungen in unterschiedlichen Ausbildungen auftritt. Im Bereich der Kuppe findet sich auf Basalt der Waldgersten-Buchenwald (Hordelymo-Fagetum).

Forstlich-vegetationskundliches Untersuchungskonzept

Das forstlich-vegetationskundliche Aufnahmeverfahren des nordrhein-westfälischen Naturwaldzellenprogramms setzt sich aus den genesteten Elementen "Bestandesvollaufnahme" und "Vegetationsaufnahme" zusammen. In der NWZ findet sich am mittel geneigten bis steilen Nordwesthang des Petersberges eine 1 ha große Kernfläche, von der eine Hälfte wilddicht gezäunt ist. Dort ist jeder Baum und Strauch von mehr als 4 cm Durchmesser in Höhe von 1,30 m nummeriert. In einem 10-jährigen Turnus wird an jedem markierten Baum der Durchmesser und an einer repräsentativen Teilmenge die Baumhöhe gemessen. Außerdem wird jeder Baum bezüglich vorhandener Schäden sowie hinsichtlich seiner Sozialklasse beurteilt.

Zur Erfassung der Verjüngungsdynamik und der Waldvegetation findet sich im ungezäunten und gezäunten Bereich der Kernfläche jeweils ein Probestreifen, der sich aus fünf 400 m² großen Daueruntersuchungsflächen (20 m x 20 m) zusammensetzt und somit eine Teilfläche der Kernfläche erfasst (Wolf 1991). Hier wird eine Vegetationsaufnahme nach Braun-Blanquet (1964) erstellt. Weiterhin erfolgt eine Kartierung der Strauchschicht in zwei Höhenstufen (>0,5 m).

Waldkundliche Entwicklung

Es wurden 1987, 1997 und 2007 waldkundliche Aufnahmen durchgeführt. Nach 20-jähriger Dauerbeobachtung haben sich folgende waldkundliche Veränderungen ergeben:

Der Waldbestand der NWZ "Petersberg" besteht im Wesentlichen aus einer stammzahlreichen Oberschicht. In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Anteil der Buche von 91 % auf 95 % erhöht (Tab. 1). Der Anteil der Traubeneiche ist von 6 auf 3 % zurückgegangen. Während die Stammzahlreduktionen der Buche auf einzelne Windwürfe zurückzuführen sind (siehe Abb. 3), wurden die Verluste der Eiche durch starken Konkurrenzdruck der vorwüchsigen Buche verursacht.

Abiotische Schäden wie Astabbrüche, Frostleisten, Blitzschäden etc. zeigten sich an über 28 % der Eichen. 2007 hatte sich dieser Anteil auf 25 % verringert. Der Anteil der Komplexschäden dagegen ist nach 20 Jahren von 14 % auf 25 % angestiegen. Auch tauchten 2007 über 12 % der Eichen als stehendes Totholz auf.

Die Vitalität der Eiche ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich zurückgegangen. 1987 zeigten sich noch 21 % der Eichen in einem vitalen Zustand. (2007 waren es nur noch 12 %.) 1987 waren immerhin noch 57 % der Eichen ohne Schäden. Später waren nur noch 37 % schadensfrei.

Mittelfristig ist davon auszugehen, dass die Eiche am Petersberg keine Rolle mehr spielen wird. Trotz deutlicher Stammzahlverluste fand ein Vorratsaufbau von 613 fm auf 729 fm statt. Damit gehört die NWZ "Petersberg" derzeit zu den vorratsreichsten Naturwaldzellen Nordrhein-Westfalens.

Abb. 3 zeigt die Entwicklung der Strukturdiversität von 1987 bis 2007 auf. Die stammzahlreiche Bestandesoberschicht ist bestehen geblieben. Infolge des dichten Kronendaches fehlt nach wie vor eine Bestandesmittelschicht. In der Bestandesunterschicht hat sich die Stechpalme stark entwickelt. Sie hat ihre Anzahl nach 20 Jahren mehr als verdreifachen können.

Größere Veränderungen der Strukturdiversität des Waldbestandes der NWZ "Petersberg" werden nur in einem langfristigen Prozess zu erwarten sein. Das derzeitige Bestandesgefüge erscheint noch sehr stabil und der Altbuchenbestand zeigt sich noch in einem recht vitalen Zustand.

Abb. 4 und 5 zeigen die Durchmesserverteilungen der einzelnen Baumarten 1987 und 2007 am "Petersberg". Die glockenförmigen Verteilungen charakterisieren einen typischen einschichtigen Bestand, der auch im Wirtschaftswald zu finden ist. Fast alle Durchmesserstufen werden von der Buche dominiert. Die wenigen Eichen besiedeln die schwächeren Durchmesserklassen. Diese Tendenz hat sich bei abnehmender Anzahl noch verstärkt. Auffällig ist die erhebliche Zunahme der Stechpalme in den beiden untersten Durchmesserklassen. Allerdings konnte sich innerhalb der gezäunten Fläche auch etwas Buchennaturverjüngung entwickeln.

Die biologische Artenvielfalt der NWZ "Petersberg" wird langfristig von der Buche dominiert bleiben. In den durch einzelne Windwürfe und Stammabbrüche, meist verursacht durch Weißfäule entstandenen kleinflächigen Lücken findet bevorzugt die Buche natürliche Verjüngungsmöglichkeiten.

In diesem Zusammenhang erscheint hochspannend, welche Rolle die Stechpalme in dieser Naturwaldzelle zukünftig spielen wird. Sie findet in dem durchgewachsenen Kopfbuchenbestand der NWZ Petersberg am klimatisch begünstigten Westabhang des Siebengebirges optimale Lebensbedingungen. Eine Ausbreitung der Stechpalme ist in zahlreichen Naturwaldzellen zu beobachten, wie beispielsweise in den Eichen-Buchenwäldern des Bergischen Landes. Die vielerorts zu beobachtende Zunahme immergrüner Arten wird in der aktuellen Literatur vielfach im Zusammenhang mit dem Klimawandel diskutiert.

Entwicklung der natürlichen Verjüngung

Abb. 7 verdeutlicht die absolute Dominanz der Rotbuche in der natürlichen Verjüngung, in der sie einen Mischungsanteil zwischen 76 % (1997) und 95 % (2008) erreicht. Die Verjüngung besitzt eine ausgeprägte zeitliche und räumliche Variabilität in Abhängigkeit von der Bestandesstruktur und den edaphischen Bedingungen. Im Untersuchungszeitraum ist innerhalb des Gatters eine kontinuierliche Zunahme der Verjüngung in der Strauchschicht zu verzeichnen. Im Jahre 2008 liegt die mittlere Individuendichte auf dem gezäunten Probestreifen bei 625 n/ha und schwankt dabei auf den einzelnen Dauerflächen zwischen 25 und 2025 n/ha. Die Nebenbaumarten spielen nur eine geringe Rolle. Esche und Vogelkirsche sind nur mit wenigen Exemplaren in der Strauchschicht vertreten. Aufgrund ihrer höheren Lichtbedürftigkeit besitzen sie nicht das Überdauerungsvermögen der Rotbuche und fallen bereits nach wenigen Jahren aus. Die Traubeneiche, die im Altbestand noch mit mehreren Exemplaren anzutreffen ist, findet sich in der Verjüngung stets nur mit Sämlingen, die aber bereits nach zwei bis drei Jahren wieder vergehen. Darüber hinaus sind temporär Keimlinge und Sämlinge zahlreicher weiterer Baumarten (Berg-Ahorn, Spitz-Ahorn, Hainbuche, Robinie, Esskastanie u.a.) vorhanden, die aus benachbarten Waldbeständen anfliegen, sich im Buchenwald aber nicht etablieren können.

In der NWZ Petersberg wird die Verteilung, die Zusammensetzung und das Überdauerungsvermögen der Verjüngung maßgeblich vom Schalenwild bestimmt. Während innerhalb des Gatters eine kontinuierliche Zunahme der Verjüngung zu verzeichnen ist, verharrt die Rotbuche außerhalb des Gatters aufgrund des hohen Verbissdrucks in der Krautschicht. Auch Nebenbaumarten Esche und Vogelkirsche vermögen nur im Schutz des Gatters in die Strauchschicht einzuwachsen.

Vielfalt und Dynamik der Bodenbodenvegetation

Die Zusammensetzung der Waldbodenvegetation variiert innerhalb der Kernfläche in Abhängigkeit von den Standortverhältnissen. Im Westteil der Kernfläche am Unterhang dominieren dichte Herden von Einblütigem Perlgras (Melica uniflora) und Kleinblütigem Springkraut (Impatiens parviflora). Weiterhin finden sich zahlreiche mesotraphente Sippen wie z. B. Waldmeister (Galium odoratum), Goldnessel (Lamium montanum) und Flattergras (Milium effusum) sowie Frische- und Staufeuchtezeiger wie Frauenfarn (Athyrium filix-femina) und Winkel-Segge (Carex remota). Das Vorkommen des Mehrjährigen Bingelkrautes (Mercurialis perennis) zeugt von der guten Basenversorgung der Standorte. Hier findet sich der typische Waldmeister-Buchenwald in einer frischen bis leicht staufeuchten Ausbildung (Galio-Fagetum typicum, Athyrium-Variante). In den steileren Hanglagen nimmt die Deckung der Krautschicht ab. Basen- und Frischezeiger treten zurück. Allein das Kleinblütige Springkraut ist noch regelmäßig vertreten. Das Vorkommen von Säurezeigern, wie z.B. der Weißlichen Hainsimse (Luzula luzuloides) erlaubt eine Zuordnung zum Hainsimsen-Waldmeister-Buchenwald (Galio-Fagetum luzuletosum), der Subassoziation mäßig basenreicher Standorte.

Die Waldbodenvegetation dieses Waldmeister-Buchenwaldes zeichnet sich durch seine hohe floristische Artenvielfalt aus. Im Untersuchungszeitraum wurden auf den Probestreifen innerhalb wie außerhalb des Gatters jeweils 61 Arten angetroffen. Abb. 8 zeigt, dass die Artenzahl starken räumlichen und zeitlichen Schwankungen unterliegt. Dabei ist die Dynamik der Waldbodenvegetation außerhalb des Gatters größer ist als innerhalb des Zaunes. Die mittlere Anzahl der der dauernd vorhandenen Sippe ist außerhalb des Gatters geringer sowie die Zahl der fluktuierenden Sippen deutlich höher. Dies ist auf den Einfluss des Schwarzwildes zurückzuführen. Einerseits zerstören die Wildschweine durch ihre Wühltätigkeit die Vegetationsdecke und andererseits legen sie lokal den Mineralboden frei. So schaffen sie "safe sites", an denen Störzeiger (z.B. Nitrophyten) sowie Keimlinge der Gehölze günstige Etablierungsbedingungen finden.

Auch die Deckung der dominanten Sippen ist starken Schwankungen unterworfen. Hier sei auf das Kleinblütige Springkraut (Impatiens noli-tangere) hingewiesen. Nach Becker et al. (1991) war dieser Neophyt vor 30 Jahren im Bereich des Petersberges nur mit wenigen Exemplaren vertreten und hatte zum Zeitpunkt der Einrichtung der NWZ bereits großflächige Bestände ausgebildet. Bei der Erstaufnahme 1991 erreichte die Sippe auf einzelnen Dauerflächen bereits Deckungsgrade bis zu 40 %. Bei der Wiederholungsaufnahme 1997 ist eine nochmalige Zunahme zu verzeichnen, die im Gatter besonders deutlich ausfiel. 2008 ist die Sippe dagegen stark zurückgegangen und erreicht nur noch geringe Artmächtigkeiten (Ausnahme A2). Nach Trepl (1980) kann die Individuenzahl dieser einjährigen Sippe jährlich stark schwanken, da die Samenproduktion und die Keimung stark von den Witterungsbedingungen bestimmt werden.

Literatur

Becker, A. et al. (19­90): Naturwaldzellen in Nordrhein-Westfalen. Teil V: Nach­träge. Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung, Recklinghausen.

Braun-Blanquet, J. (1964): Pflanzensoziologie. Wien, New York.

Callauch, R. (1983): Untersuchungen zur Biologie und Vergesellschaftung der Stechpalme (Ilex aquifolium). Diss., Universität Kassel, unveröff.

Pott, R. (1985): Vegetationsgeschichtliche und pflanzensoziologische Untersuchungen zur Niederwaldwirtschaft in Westfalen. Westfälisches Museum für Naturkunde, Münster.

Schlechte, B. G.; Keitel, W. (2005): Pilzfloristisch-soziologische Bestandesaufnahme innerhalb der Kernflächen der Naturwaldzelle Nr. 57 Petersberg im forstlichen Wuchsgebiet Niederrheinische Bucht (NRW) im Auftrag der Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten NRW.

Stetzka, K.; Roloff, A. (1996): Nützt Klimaerwärmung winter- und immergrünen Gefäßpflanzen. AFZ 51: 210-212.

Striepen, K. (2008): Gutachten zur Aufnahme der Baumverjüngung und Vegetation in der Naturwaldzelle Nr. 57 "Petersberg" im Auftrag des Landesbetriebs Wald und Holz NRW.

Trepl, L. (1980): Über die kleinstandörtliche Verteilung von Impatiens parviflora in einem Eichen-Hainbuchenwald und einem standörtlich entsprechenden Fichtenforst. Decheniana 133: 6-22.

Walther, G.-R.; Berger, S.; Sykes, M. T. (2005): An ecological 'footprint' of climate change. Proceedings of Royal Society B 272: 1427-1432.

Wolf, G. (1991): Vegetationskundliche Dauerbeobachtung auf Probestreifen am Beispiel der Naturwaldzelle "Oberm Jägerkreuz". Naturwaldreservate. Schriftenr. für Vegetationskunde 21: 185-208.