Reife, Samen produzierende Bestände und neu etablierte Sämlinge bilden ein Netzwerk aus ständig neu erscheinenden und vergehenden Populationen, die nur in reifen Waldentwicklungsstadien zu finden sind. Der gegenwärtige Rückgang der Eibe in bewirtschafteten Wäldern hat demnach viel mit der Seltenheit von Alters- und Zerfallsstadien zu tun.

Einige Gründe, die für den Rückgang der Art angeführt werden:

  • Die lange Generationszeit der Eibe, die dem bis zu Zehnfachen der Konkurrenten entspricht
  • Die Zweihäusigkeit der Eibe und die extreme Fragmentierung der Bestände führt zu Schwierigkeiten bei der Bestäubung
  • Die Samen mit ihrer geringen Mobilität und der langen Keimruhe verhindern eine starke Ausbreitung
  • Verbiss durch Wildtiere macht den Sämlingen große Schwierigkeiten
  • Da Eiben auf die Unterschicht beschränkt bleiben, sind auch ihre Ausbreitungsmöglichkeiten dem entsprechend beschränkt
  • Konkurrenzschwäche gegenüber anderen Baumarten führt zum Rückzug auf seltene Extremstandorte

Ausbreitung und Rückgang der Eibe nach den Eiszeiten

Der menschliche Einfluss ist nicht zu verleugnen; deshalb lohnt sich ein Blick zurück in die Zeit der Wiederbewaldung Europas nach den Eiszeiten, in der dieser Einfluss noch nicht im selben Ausmaß vorhanden war. Der Kern der Diskussion dreht sich dabei um die Frage, ob die Eibe den anderen Schattbaumarten wie Buche und Tanne {Abies alba) gewachsen ist. Adams (2002) berichtet beispielsweise von einer extrem eibenreichen Phase vor ca. 130.000 bis 125.000 Jahren.

Aber auch nach dem endgültigen Ende der Vergletscherungen in Europa hat es die Eibe gegen den Konkurrenzdruck aller übrigen Baumarten geschafft, sich bis in den Süden Skandinaviens hinauf auszubreiten. In Norditalien ist Taxus bereits 8800 Jahre vor heute nachzuweisen. Auch Kral (1994) weist die Eibe im Alpenraum Österreichs schon sehr früh nach, zumindest 4400 Jahre vor heute. Zu diesem Zeitpunkt war Konkurrenz durch Buche, Tanne und Eiche gegeben.

In manchen Stadien der Waldgeschichte hat sich also die Eibe stellenweise auch gegen die schattentoleranten Konkurrenten Buche und Tanne behaupten können, wenngleich im allgemeinen der Rückgang der Eibe mit der nacheiszeitlichen Ausbreitung der Buche zusammenfällt (Küster 1996). Es liegt der Schluss nahe, dass nicht die Baumartenzusammensetzung an sich Schuld am Rückgang der Eibe in unserer Zeit sein kann. Ihr eine generelle Konkurrenzschwäche nachzusagen, trifft angesichts der eindrucksvollen Wiederbewaldungsgeschichte ins Leere.

In eine Landschaft, die von borealen Baumarten wie Kiefer (Pinus sylvestris), Birke (Betula sp.) und Aspe (Populus tremula) geprägt war, haben sich zuerst die Arten des Eichenmischwaldes ausgebreitet (Brande 2002a). Dabei wurde vor allem die schwerfrüchtige Eiche durch Vögel über weite Strecken verfrachtet (LeCorre et al. 1997). Die meisten der angeführten Arten gelten als Pionierbaumarten, die offene Landschaftsteile besiedeln können.

Wie passt die Eibe, die sich offensichtlich nur im Schatten verjüngen kann, in dieses Szenario? Sie könnte in einer zweiten Welle in die langsam alternden Eichenmischwälder eingedrungen sein, und zwar ebenso durch Vögel, die teilweise ihren Samen im Magen-Darm-Trakt verbreiten (Thomas und Polwart 2003). Dadurch kann die Eibe zielgenau in dichte Waldbestände gelangen, die die Vögel als Versteck und die Eibe zum Keimen bevorzugen.

Dichter Eibenjungwuchs in der Unterschicht von Waldbeständen unterdrückt jedoch auf lange Sicht die Verjüngung praktisch aller anderen Baumarten. Auf diese Weise kann die Eibe in die Unterschicht einwandern und dort auf den Zerfall der herrschenden Baumschicht warten, wobei ihr die extreme Langlebigkeit zugute kommt. Tritt dieser Zerfall ein, typischerweise allmählich und anfangs nur durch Ausfall einzelner Kronenpartien, so gelangt die Eibe schrittweise zu mehr Lichtgenuss. Etwaige Kronenschäden in der Eibe, die beim Zerfall der herrschenden Baumschicht entstehen, können von ihr sehr gut verkraftet werden.

Die ökologische Bedeutung dieses Verhaltens könnte darin liegen, dass während des Zusammenbruchs von z. B. Buchen im Kronendach die unterständigen Eiben zwar beschädigt werden, aber die eigenen Kronen rasch wieder regenerieren können. Durch den erhöhten Lichteinfall nach Zusammenbruch der Bäume der herrschenden Schicht wird die Eibe stark zur Blüte angeregt. Innerhalb eines dichten Eibenbestandes findet kaum erfolgreiche Eibenverjüngung statt (Haupt 2000, Oitzinger 2000, Korpel 1996). Die Samen werden aber von Vögeln gern angenommen und wiederum vertragen.

Warum ist es trotzdem zu dem Rückgang der Eibenbestände und zur heutigen Gefährdungssituation gekommen? Mehrere Faktoren könnten dazu beigetragen haben.

  • Die Wiederausbreitung der Buche und ihr Aufstieg zur dominanten Stellung in vielen Waldtypen Mitteleuropas setzte relativ spät ein (mancherorts erst vor 4000 oder 2800 Jahren, je nach Quelle); durch ihre Schattentoleranz könnte sie Eiben zurückgedrängt haben.
  • In den gleichen Zeitraum ist auch der Beginn der menschlichen Kulturstufe der Bronzezeit zu setzen - durch verbessertes Werkzeug konnten etwas größere Waldflächen gerodet werden, was wiederum indirekt der Buche zugute kam (Küster 1996).
  • Seit dem Hochmittelalter kam es jedoch in vielen Teilen Mitteleuropas zu einem gut dokumentierten Rückgang der Eibe durch Übernutzung (z. B.Scheederi 1994): Der Bedarf an Eibenholz-Langbogen als Kriegswaffe in England führte zum Import der Rohlinge aus Kontinentaleuropa, wodurch die Eibe praktisch überall an den Rand des Verschwindens gedrängt wurde.
  • Waldweide und das Aufkommen der geordneten Waldwirtschaft mit Kahlschlag tat ein Übriges, um den Bestand an Eiben extrem niedrig zu halten.
  • Heute werden oft hohe Wildstände als hinderlich für die Etablierung der Eibensämlinge genannt (Gatter 1995, Holzberg 1997, Holtan 2001).

Die Eibe als gut angepasster Spezialist

Das weiter oben skizzierte Muster aus Entstehen und Verschwinden von kleinen Vorkommen entspricht in erstaunlicher Weise dem Verhalten mancher typischer Pionierbaumarten bzw. Baumarten mit. Falls es zutrifft, bzw. in der Zeit der Wiederbewaldung Europas nach der letzten Eiszeit zugetroffen hat, muss die Generationszeit der Eibe wohl bedeutend niedriger angesetzt werden, als Pridnya (2002) schätzt.

Während vor Ort ein Eibenbestand Hunderte Jahre ohne merkbare Naturverjüngung existiert, kann Saatgut aus diesem Bestand bereits irgendwo anders zur Begründung eines neuen Bestandes geführt haben. So entsteht ein Netzwerk aus alten, zusammenbrechenden, neu etablierten, und voll in der Samenproduktion stehenden Beständen, die zusammen eine Metapopulation bilden. Die Beschränkung von wissenschaftlichen Untersuchungen auf die typischen kleinen Restvorkommen im Baumalter verhindert den Blick auf dieses Muster.

Die Eibe ist im Dreieck von Grime (1979, 2001) als stresstolerante Art einzuordnen (Thomas und Polwart 2003). Es gibt aber auch auffallende Gemeinsamkeiten der Eibe mit anderen typischen Pionierbaumarten. Wie etwa das extrem leichte Pollenkorn (Hattemer 1996), das selbst aus dichten Beständen durch den Wind weit vertragen werden kann. Bei geringen Windstärken (2 m/sec bzw. 7,2 km/h) ergäbe sich noch in 5 km Entfernung Pollenniederschlag in einer Dichte, die zur erfolgreichen Bestäubung geeignet scheint.

Für die Verbreitung der Samen bedient sich die Eibe der Vögel und Nagetiere. Diese Tiere müssen für den Winter bzw. während des Winters Vorräte sammeln, werden durch den leuchtenden, roten Samen angezogen, und transportieren das Samenkorn, weil es entweder durch den klebrigen Arillus am Schnabel haftet, durch Anlegen von Vorräten oder im Magen.

Eine andere Gemeinsamkeit zwischen der Eibe und anderen "Pionieren" ist die weite Standortstoleranz. Für die Eibe wird das schon aus der Größe des Verbreitungsgebietes klar: vom südlichen Skandinavien bis ins südliche Mittelmeer, und von Irland bis in den nördlichen Iran.

Obwohl die Eibe ozeanisch getöntes Klima zu bevorzugen scheint, sind die jeweiligen Standortsbedingungen jedoch durchaus unterschiedlich: ins kontinentale gehende Flachländer in Nordpolen, steile Kalksteinhänge in den Nordalpen, tiefe Schluchten im nördlichen Iran oder sogar Felswände. Die Eibe könnte durchaus als "Ubiquitist" oder "Generalist" bezeichnet werden. Die einzigen Standorte, die zumindest der Naturverjüngung der Eibe nicht zusagen, sind offene Landschaftsteile, Kahlschläge oder andere stark besonnte Stellen.

Eine ökologische „Strategie" der Eibe

Aus der Gesamtbetrachtung dieser Details zur Populationsbiologie der Eibe (Tabelle 1) ergibt sich ein modifiziertes Bild, dass dem einer aussterbenden Baumart gar nicht mehr entspricht. Es zeigt die Eibe als perfekt an späte Sukzessionsstadien angepasstes Element des Waldökosystems gemäßigter Zonen. Sie benötigt schattige Stellen, um sich mit ihrer Verjüngung gegen weniger schattenfeste Konkurrenz durchzusetzen, und Zerfallsstadien in herrschenden Baumbeständen werden von ihr zur Samenproduktion genutzt. Diese ökologischen Nischen waren in unbewirtschafteten Wäldern viel zahlreicher.

Diese Sicht auf die Ökologie der Eibe passt gut in das Mosaik-Zyklus-Konzept Remmerts (1991). In diesem Konzept bestehen natürliche Waldökosysteme aus einem eng verzahnten Netz aus Bestandesteilen in verschiedenen Stadien des Sukzessionszykluses. Wenn das ganze System betrachtet wird, finden sich in ihm alle Stadien vom Jungwuchs bis zur Zerfallsphase. Die einzelnen Phasen sind aber räumlich voneinander getrennt ("entmischt"), und auf jeder Teilfläche läuft in zeitlicher Hinsicht der Sukzessionszyklus eigenständig ab.

Aus dieser Strategie der Eibe folgt auch, dass zur Erhaltung der genetischen Vielfalt der Art bedeutend größere Flächen zur Verfügung gestellt werden müssen (Frank 1998). Interessanterweise könnten auch alte Bewirtschaftungsformen, wie etwa die des Mittelwaldes, die Eibe durchaus begünstigt haben (Küster 1996, Haupt 2000). Aber selbst die heutigen Buchenwälder würden sich wohl zur Verjüngung der Eibe eignen, wenn man aufkommende Sämlinge in der weiteren Umgebung bestehender Eibenbestände sofort durch Zäunung schützt (Haupt 2000).

Baumart mit eigener Ausbreitungsstrategie

In unserer Zeit haben direkte Eingriffe, Änderungen in der Bewirtschaftungsform und hohe Wildstände zu einem erschreckenden Rückgang der Eibe geführt, da sie durch diese Umstände ihre Rolle im Ökosystem Wald nicht mehr ungestört ausüben kann. Es gibt Befürchtungen, dass sie nur mehr in Gärten und Parks überleben wird.

Die oft erstaunliche Verbreitung von Jungeiben, die von solchen Parks ausgeht, sollte aber schon die Augen dafür öffnen, dass es sich um eine durchaus gut angepasste Baumart mit einer ganz eigenen Ausbreitungsstrategie handelt, für die sich auch aktive Maßnahmen im Wald lohnen würden. Als erster Schritt in diese Richtung müsste die Aufmerksamkeit, die sich derzeit fast nur auf Altbestände richtet, auf den Schutz von Waldbeständen ausgedehnt werden, in denen die Eibe gute Bedingungen
zur Verjüngung vorfindet oder wo sich bereits ihre Sämlinge finden.