Arten, Vermehrung und Lebensräume

Wegen ihren vielen Varietäten und Kreuzungen ist eine genaue Angabe über die Anzahl der Weidenarten (Salix sp.) schwierig. Weltweit dürften sie sich in etwa 500 Arten gliedern lassen. Rund 30 davon kommen in der Schweiz vor. Nur 5 Arten wachsen zu mehr oder weniger stattlichen Bäumen heran. Ihre bevorzugten Standorte liegen in Auenwäldern, an Fluss- oder Bachläufen sowie in Moorlandschaften.

Viele Weidenarten wachsen strauchförmig und erreichen 2 bis 10 m Höhe. Die kleinsten, oft übersehenen Weiden, wie beispielsweise die Nordische-, Kriech-, Heidelbeerblättrige-, Myrten-, Netz- und Krautweide werden selten grösser als 30 - 50 cm. Sie gedeihen in den Voralpen und im Hochgebirge.

Als Pionierpflanzen stellen die Weiden geringe Ansprüche an ihre Umgebung. Sie verfügen über eine vegetative (ungeschlechtliche) Vermehrung, das heisst, sie vermehren sich aus Teilstücken der Mutterpflanze (z. B. Stockausschlägen, Zweigen und Ablegern). Auch eine Verbreitung durch Samen erfolgt recht häufig. Ein Gramm Samen, beispielsweise der Salweide, enthält etwa 9'000 Körnchen.

Waldbauliche und ökologische Bedeutung

Die waldbauliche Bedeutung der verschiedenen Weidenarten ist eher gering. Als Pionierbaumarten verbessern und festigen sie Rohböden und bieten damit den nachfolgenden Baumarten gute Startmöglichkeiten. An Flussläufen werden die Weiden häufig zur Bodenstabilisierung verwendet, weil sie die Böden rasch durchwurzeln.

Aus ökologischer Sicht werden Weiden gerne als "Bienenweide" genutzt, speziell in Flusslandschaften, an Waldrändern und in Windschutzstreifen. Zudem sind viele weitere Insekten wie Wespen, Käfer, Schmetterlinge sowie Vögel auf diese Baumarten angewiesen. Die im Jungwald teils üppig und natürlich vertretenen Weiden dienen dem Wild als begehrte Äsung. Die männlichen Tiere, zum Beispiel der Rehbock, benutzen sie als Markierungspflanzen in ihrem Revier.

Verwendung

Das Holz der baumartigen Weiden hat einen geringen Nutz- und Brennwert. Es ist weisslich, grobfaserig und sehr leicht. Die Äste und Zweige sind heute wieder begehrt zum Befestigen von Hängen und steilen Ufern beim Faschinenbau (Faschinen sind Bündel aus Weiden- und Erlenästen von etwa 30 cm Durchmesser und 4 m Länge) oder als Grünverbau in Erosions- oder Rutschgebieten.

Einjährige Ruten einiger Weidenarten finden einerseits Verwendung bei der Korbflechterei, speziell die Korbweide (Salix viminalis). Anderseits sind dünne Weidenruten beliebt zu Bindezwecken in Baumschulen, im Reb- und Gartenbau. Als weitere Verwendung von Weiden ist auch das Gerben von feinen Lederwaren bekannt. Bogenförmig zusammengebundene Weidenstecklinge eignen sich zudem als schattenspendende Alternative zu Pergolen oder Lauben. Auch lassen sich mit einjährigen Weidenruten auf Kinderspielplätzen sogeannte "Weidenhäuschen" in verschiedenen Formen erbauen. Solche lebende Bauten in Form eines Iglus, Tipis oder als Bögen finden bei Kindern grossen Anklang.

Den Weidenruten wird noch eine weitere Eigenschaft zugestanden: Beim "Wasserschmöcken" verwenden Personen mit entsprechendem Talent Astgabeln von Weiden, um damit Wasseradern oder Wasserquellen aufzuspüren (Wünschelruten). Als Zierde bei der Herstellung von Blumengestecken sind die Weidenkätzchen in Gärtnerkreisen beliebt. Sobald die Weiden allerdings blühen, sind sie gesetzlich geschützt, denn der hohe Zuckergehalt im Nektar der frühblühenden Weiden ist zur Ernährung der Bienen nach der Winterruhe enorm wichtig.

Namensgebung

Salix, die lateinische Gattungsbezeichnung der "Kätzchenbäume" geht auf das Verb "salire" zurück und bedeutet "springen". Dies ist auf das rasche Wachstum der Weiden zurückzuführen. Geläufiger sind uns Namen von Ortschaften, Weiler und Gehöften, welche ihre Namen dieser Baumgattung verdanken, so beispielsweise Widen, Wideli, Widenbach, Widnau, Weid und Weiden. Auch der Nationalpark "Hoge Veluwe" in Holland sowie das im Kanton Thurgau gelegene Felben verdanken ihren Namen dieser Baumart. Das ursprüngliche "Veluen" oder "Felwen" deutet auf Weidenbaum hin. Noch hie und da taucht im Volksmund anstelle der Weide der Name "Felbe" auf, womit die Silberweide gemeint ist.

Einige Familiennamen stammen ebenfalls von dieser Baumgattung, so Weidenmann, Weidhas, Widenhuber sowie Felber. Zu Faschinen: dieses Wort stammt vom italienischen "fascio" und bedeutet Rutenbündel. Als Wahrzeichen der Macht trugen im Römischen Reich 'Lektoren' (Diener der Obrigkeit) um eine Axt gebundene Rutenbündel. Solche Symbole sind auch in verschiedenen Wappen zu finden, beispielsweise beim Kanton St.Gallen. Auch die in Italien 1922 an die Macht getretenen Faschisten bedienten sich eines solchen Wahrzeichens.

Mythologie und Literatur

Einer alten Legende ist zu entnehmen, dass die Weide folgendermassen nach Europa gebracht worden sein soll: Die Mönche des Sinai schickten einem deutschen Kaiser Südfrüchte in einem niedlichen, aus sehr feinen und gleichmässigen Weidenruten geflochtenen Körbchen. Weil diese Ruten noch sehr frisch schienen, wurden sie in die Erde gesteckt. Diese Stecklinge schlugen aus. Angeblich, so berichtet jedenfalls die Legende, sollen davon die Tränenweiden abstammen!

In der Literatur erscheint die Weide meist im Zusammenhang mit Geschichten in nebligen und gespenstisch erscheinenden Moorlandschaften. Eher heiter mutet die "Geschichte des Weidenstocks" (aus 'Im Wald und auf der Heide') an. Auch in einigen Gedichten kamen die Weiden zu Ehren, so beispielsweise in "Weiden am Bach" (Friedrich Hoffmann), "Sinnlos gefällt" (K. A. Laubscher) oder bei Hans Moser:

Wer will der erste Bote sein?
Wer wagt sich schon vors Haus
und dringt mit leisem Silberschein
in einen trüben Tag hinein,
in alle Welt hinaus?

Die Weide blüht! Der Weidenbaum
trägt Kätzchen ohne Zahl.
Er endet deinen Wintertraum
und gibt der frohen Zukunft Raum
nach Frost und Nacht und Qual.

Die Weide blüht! Das Leben lacht
dich tausendfältig an
aus kleiner Blüten Frühlingspracht,
aus Weidenkätzchens Silbertracht.
Der Kummer ist vertan.

 

Kurzportrait Silberweide

Die Silber- oder Weissweide (Salix alba, Abb. 1) ist eine raschwüchsige Baumart. Sie kann bis 25 m hoch werden und ein Alter von 100, im Extremfall bis zu 200 Jahren erreichen. Weitausladende Äste lassen diesen grössten Vertreter der heimischen Weidenarten imposant erscheinen. Die graue Rinde ist kreuzweise gefurcht und rissig.

Der Baum verdankt seinen Namen den ober- und unterseits silbrig behaarten, 6 bis 10 cm langen, schlanken und lanzenförmigen Blättern. Sie befinden sich kurzgestielt an den kurzen, schmutzig-braunen Trieben. Die Blütenstände sind 3 bis 6 cm lang und im Volksmund als "Kätzchen" bekannt.

Beheimatet ist die Silberweide in ganz Europa sowie in weiten Teilen Asiens. Sie bevorzugt die tiefgründigen, feuchten Schwemmlandböden der Auen- und Flusslandschaften, die durch die Flussbegradigungen leider immer seltener werden. Anders als die ebenfalls an Nässe angepassten Baumarten wie beispielsweise die Stieleiche, die Esche oder die Erle, erträgt die Silberweide bis gegen 170 Tage pro Jahr Überflutungen.

Die waldbauliche und wirtschaftliche Bedeutung der Silberweide ist gering. Das leichte und weiche Holz dieser Baumart wird zur Herstellung von Kisten und Schachteln, sowie als Blindholz gebraucht. Auch in der Heilkunde ist die Silberweide noch heute bekannt. Die aus der gelblichen Rinde gewonnene Salicylsäure ist der Hauptwirkstoff bekannter Schmerzmittel wie zum Beispiel Aspirin. Allerdings wird diese fiebersenkende Sustanz heute synthetisch hergestellt.

Quellenangaben
  • W.H. Gwinner: Der Waldbau (2. Auflage; 1841)
  • E.A. Rossmässler: Der Wald (2. Auflage; 1871)
  • Walter Kienli: Die Gehölze der schweizerischen Flora
  • Ernst Lautenschlager: Atlas der Schweizer-Weiden
  • Peter Steiger: Wälder der Schweiz
  • U.B. Brändli: Die häufigsten Waldbäume der Schweiz

(TR)