Wie Versteinerungen belegen, gab es bereits vor 70 Millionen Jahren Ulmengewächse. Während der Eiszeit bis vor rund 12‘000 Jahren überlebten die Ulmen in wärmeren Gefilden, zum Beispiel im südlichen Europa. Dort entstanden riesige Mischwälder mit Ulmen und Eichen. Mit der zunehmenden Erwärmung nach der Eiszeit kehrten sowohl die Ulmen als auch die Eichen in nördlichere Gebiete nach Mittel- und Osteuropa zurück. Heute gibt es in Europa drei Ulmenarten:

  • Bergulme (Ulmus glabra)
  • Feldulme (Ulmus minor)
  • Flatterulme (Ulmus laevis)

Vorkommen

Die Bergulme ist in der Schweiz weit verbreitet, insbesondere in mittleren Berglagen. Die Feldulme ist deutlich seltener und hauptsächlich auf die wärmsten Gegenden beschränkt. Noch seltener ist die kaum bekannte Flatterulme, die praktisch nur vom Neuenburgersee sowie aus den Flusslandschaften von Aare und Rhein bekannt ist. Sie bevorzugt sommerwarme Lagen mit nassen, periodisch überfluteten, nährstoffreichen Lehm- und Tonböden bis höchstens 600 m über Meer. Sie kann problemlos mehr als 100 Tage im Wasser stehen. Vereinzelt kommt sie auch in Parkanlagen oder als Strassen- und Alleebaum vor. Gemäss einer Schätzung von 1999 wurden schweizweit etwa 5000 Exemplare dieser äusserst seltenen Baumart ermittelt.

Häufiger anzutreffen ist die Flatterulme in Osteuropa sowie in Deutschland, dort vor allem in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in der Rhein-Main-Ebene und entlang der Donau.

Name

Der Name Ulme stammt vom lateinischen "ulmus". Im deutschsprachigen Raum hiess sie im 12. Jahrhundert "Ulmboum". Im Mittelalter wurde daraus der "Elmboum" oder einfach "Elm", wie die Ulme im Englischen heute noch heisst. Ein anderer gebräuchlicher Name lautet "Rüster", dessen Ursprung unbekannt ist.

Wie bei praktisch allen Baumarten erinnern Orts-, Flur- und Familiennamen auch an das Vorkommen von Ulmen. So beispielsweise die im Kanton Freiburg gelegene Ortschaft Ulmiz, welches 1200 urkundlich erwähnt "Hulmeis" hiess, mit der Bedeutung von Ulmenhain. Elm im Kanton Glarus hiess 1344 "Elme" (im lokalen Dialekt noch heute), im Althochdeutsch "ëlmo" und im Mittelhochdeutsch "ëlm".

Eine weitere Bezeichnung für Ulme ist "Effe" oder "Iffe" und dürfte vom lateinischen Ulmus effusa abstammen, einem Synonym für Ulmus laevis. Davon könnten Ortschaften wie Iffigheim, Iffeldorf sowie Iffens zeugen. An Rüster erinnert Rust im Burgenland. Ob das im aargauischen Freiamt gelegene Rüstenschwil mit dem Rüster zu tun hat, entzieht sich der Kenntnis des Autors. Erwähnenswert sind schlussendlich noch die unterschiedlichen, an diese Baumart erinnernden Familien- und Firmennamen: Ulmer, Ulmi, Ulmia, Rüster, Ruster und Rusterholz.

Baumbeschreibung und Botanik

Die Flatterulme mit ihrer eigenartig unregelmässig gewölbten Krone wird, je nach Standort und Umgebung, 15 bis gut 30 m hoch. In der Jugend ist sie raschwüchsig und hat bereits nach 50–60 Jahren ihr Höhenwachstum abgeschlossen. Normalerweise wird sie 150–250 Jahre alt, in Ausnahmefällen bis 500 Jahre.

Die langgestielten, rötlichen bis violett-braunen und büschelförmigen Blüten der Flatterulme blühen bereits im März noch vor dem Blattaustrieb. Sie reifen im Mai/Juni auf den dünnen, bis zu 4 cm langen Stielen zu Früchten. Allerdings setzen die Bäume nur alle zwei Jahre reichlich Früchte an und liefern dann entsprechend viele Samen. Die länglich ovalen grau-grünen Früchte (eigentlich Flügelnüsse) sind von einem Flugband umgeben und mit lediglich 10 bis 12 mm Länge wesentlich kleiner als diejenigen von Berg- und Feldulme. Sie flattern unübersehbar schon beim kleinsten Windstoss – daher der Name "Flatterulme".

Die verkehrt-eiförmigen und am Rand doppelt gesägten, kurz gestielten Blätter sind 7 bis 13 cm lang und 5 bis 9 cm breit. Ihre Oberseite ist mattdunkelgrün und leicht glänzend. Die graugrüne Unterseite ist weich behaart. Im Unterschied zu ihren beiden Schwestern sind die Blattnerven wenig bis gar nicht gegabelt. Im Herbst verfärben sich die Blätter leuchtend gelb.

Das Holz der Ulmen ist gefragt wegen seiner schönen Musterung. Sie gehören zu den seltenen Kern-Reifholzbäumen, das heisst, ihr Holz ist im zentralen Teil wasserärmer als das umgebende farblose Splintholz. Weil die Flatterulme den breitesten und am wenigsten lebhaft gefärbten Splint hat, wird ihr Holz etwas minderwertiger eingestuft als dasjenige der anderen Ulmen. Das langfaserige Holz ist zäh, schwer spaltbar, lässt sich aber gut biegen. Gefragt war es früher bei Drechslern, Wagnern und Schreinern für Felgen, Naben, Speichen, Kufen, Wasserräder, Möbel und Türen. Wegen seiner Zähigkeit war das Ulmenholz zudem begehrt für Glockenstühle, Flaschenzüge, Gewehrschäfte sowie Geschützlafetten.

Als einzige mitteleuropäische Baumart bildet die Flatterulme sogenannte Brettwurzeln, ähnlich wie Urwaldriesen im tropischen Regenwald. Brettwurzeln sind sternförmig angeordnete rippenartige Wurzeln. Sie geben dem Baum bessere Standfähigkeit und versorgen ihn mit mehr Nährstoffen. Damit erträgt die Flatterulme wochenlange Überflutungen bestens.

Waldbauliche Bedeutung und Verwendung

Im Nieder- und Mittelwaldbetrieb ist die Flatterulme dank ihrer Fähigkeit zur Bildung von Stockausschlag und Wurzelbrut begehrt und als Mischbaumart für Bestände mit Stieleiche und Esche geschätzt. Das Laub zersetzt sich schnell und fördert die Humusbildung. Ulmus laevis ist als Park-, Strassen- und Alleebaum in Ballungsräumen geschätzt, weil sie schlechte, mit Schadstoffen belastete Luft recht gut erträgt.

Dank den zahlreich vorhandenen Knospen und den sich daraus bildenden Knollen sowie den immer wieder austreibenden Wassertrieben bilden sich – insbesondere im unteren Stamm- und Wurzelbereich – höchst dekorative Maserungen im Holz. Solche Holzteile sind äusserst begehrt für Kleinmöbel, Pfeifenköpfe und Schreibwerkzeuge und daher teuer.

Der Stamm der Flatterulme ist mit einer längsrissigen, dunkelbraunen, rauen, mit abblätternden Schuppen ausgestatteten, bastreichen Rinde versehen. Diese wurde zum Gelbfärben verwendet. Der sich leicht ablösende Bast diente früher als Bindematerial und zur Herstellung von Bienenkörben, Matten und Seilen. Ein anderer Name für die Flatterulme ist Bast-Rüster. In Notzeiten verwendete man gemahlene Rinde als Brotmehlzusatz und aus den jungen Blättern sowie den Blüten wurde ein nahrhafter Salat hergestellt. Zudem war das Laub in der Tierhaltung als Streunutzung und Futter für Rinder und Schafe beliebt. Für die Schweinefütterung wurden jeweils die nährstoffreichen Blätter gekocht und mit Abwaschwasser gemischt.

Vom Ulmensterben kaum betroffen

Vor 100 Jahren wurde in Nordfrankreich, Belgien und vor allem in Holland die bösartige Krankheit Ulmenwelke entdeckt, die auf die Einschleppung des Schlauchpilzes (Ceratocystis ulmi) aus China zurückzuführen ist. Dieser Pilz verstopft die Wasserleitgefässe (Tracheen) so stark, dass der Wasserhaushalt des Baumes gestört wird. Die Ulme verdurstet und stirbt demzufolge in kürzester Zeit. Für die Verbreitung des Pilzes sind hauptsächlich die Ulmensplintkäfer (Scolytus sp.) verantwortlich, die zu den rund 230 in Europa vorkommenden Borkenkäferarten gehören. Interessanterweise ist die Flatterulme wenig bis gar nicht vom Ulmensterben betroffen. mehr dazu

Mythologie und Heilkunde

In der altnordischen Mythologie herrschte die Vorstellung, dass die Menschen aus Bäumen entstanden. So wurde die Esche zum Mann, die Ulme zur Frau. Im Altertum waren Ulmen mit Tod und Trauer verbunden. Die Römer setzten häufig um ihre Grabstätten Ulmen. Noch heute finden wir sie als schattenspendende Zierbäume auf Friedhöfen. Anstelle der Linde galt die Ulme in Südfrankreich als "Baum der Gerechtigkeit", unter deren Schatten Gericht gehalten und das Wort Gottes verkündet wurde.

Die heilende Wirkung der Ulme war bereits den alten Griechen bekannt. Sie benutzten die Rinde als Schmerz- und Wundheilmittel bei Brandverletzungen, Ausschlägen und Furunkeln sowie gegen Fieber, Gicht, Rheuma und Durchfall. Bei hartnäckigem Husten sowie Knochenbrüchen wurde das Auflegen von abgekochtem Bast empfohlen.

Ausblick

Wegen ihren speziellen Eigenschaften, vorab der geringen Anfälligkeit für das Ulmensterben, sollte man die bisher unterbewertete Flatterulme fördern. Einerseits sollten Bäche und Flüsse renaturiert und Niedermoore, Sümpfe und Bachauen wieder vernässt werden. Anderseits lässt sich durch Einbringen der Flatterulme als Mischbaumart die Baumartenvielfalt im Wald steigern. Und warum sie nicht als bereicherndes Element in Parks und Alleen pflanzen? Zudem: In Zukunft kann auch das Ulmenholz durchaus wieder gefragt sein.
 

Quellen:

(TR)