Das Märchen von der "bösen" Silberlinde

Die Silberlinde ist eine aus Südosteuropa stammende Baumart, die wegen ihrer Industriefestigkeit und ihrer Unempfindlichkeit Stäuben, Verschmutzung und Trockenheit gegenüber sehr gerne in Städten als Allee- und Parkbaum angepflanzt wurde. Daneben wirkt ihr dunkelgrünes glänzendes Laub an der Blattoberseite und die fast rein weiße Blattunterseite sehr dekorativ.

Vor einigen Jahren geisterten Meldungen durch die Presse, die Silberlinde verursache unter Hummeln und Bienen ein Massensterben. Darauf hin gab es sowohl im Bayerischen Landtag als auch im Bundestag entsprechende Anfragen über die Ursachen des Hummel- und Bienensterbens unter Silberlinden. Auf Grund von Untersuchungen toter Hummeln und Bienen kam man zu dem Schluss, dass ein Zucker, die Mannose, im Nektar der Silberlinde ursächlich für dieses Insektensterben sei. Eine entsprechende Veröffentlichung 1977 brachte den Stein schließlich ins Rollen und die Silberlinde in Verruf. In einigen Städten und Gemeinden begann man daraufhin, Silberlinden zu fällen und zu entfernen.

In den 90er Jahren gingen Zoologen der Universität Münster dem Phänomen der toten Hummeln unter Silberlinden wieder nach. Die neuen Ergebnisse waren verblüffend: Nicht der Nektar der Silberlinde war ursächlich für das Absterben der Hummeln und Bienen, sondern Nahrungsmangel! Die toten Hummeln unter Silberlinden waren ganz einfach verhungert, da ihnen unsere gepflegten und sauberen Grünanlagen in der Zeit der Silberlindenblüte keine anderen Nektarquellen mehr bieten. Die Blütezeit der Silberlinde liegt im Vergleich zu unseren einheimischen Lindenarten, der Winter- und der Sommerlinde, später, was Imker schon immer als Vorteil ansahen.

Dieses Beispiel zeigt sehr deutlich, wie eine Baumart zu Unrecht in Verruf geriet, nur weil sie nicht einheimisch ist. Neben einem ausgewogenen Angebot an wildwachsenden Blütenpflanzen v.a. in städtischen Grünanlagen, wird von den Wissenschaftlern nun gefordert, neben Sommer- und Winterlinden auch vermehrt Silberlinden anzupflanzen, um dem Nektarmangel zu begegnen.