Die Vogelkirsche (Prunus avium) trägt im Wald und an den Waldrändern zur Struktur- und Artenvielfalt bei. Das liegt vor allem daran, dass sie zahlreichen Tier- und Pilzarten einen Lebensraum bietet. Im Folgenden werden verschiedene Insekten, Vögel und Pilze vorgestellt, die in und an der Vogelkirsche vorkommen.

Insekten – Exotik an der Vogelkirsche

An der Vogelkirsche kommen über einhundert xylobionte Käferarten vor. Sie wird bereits mit 80 bis 90 Jahren häufig hohl und bietet Strukturspezialisten wie den hochgradig gefährdeten Mulmhöhlenbesiedlern Lebensraum. Auch der Hirschkäfer (Lucanus cervus) nutzt neben der Eiche die Kirsche als Energiequelle. Nur wenige Arten sind monophag an die Vogelkirsche gebunden.

Borkenkäfer: An der Vogelkirsche kommen am häufigsten der Große und der Kleine Obstbaumsplintkäfer (Scolytus mali und S. rugulosus) vor. Der Kirschbaumborkenkäfer (Polygraphus grandiclava) ist an der Kirsche, aber erstaunlicherweise auch an Fichte und Kiefer nachgewiesen. Von den holzbrütenden Borkenkäfern finden sich an der Vogelkirsche der Ungleiche Holzbohrer (Xyleborus dispar), der Kleine Holzbohrer (Xyleborus saxesenii) und der eingeschleppte Schwarze Nutzholzborkenkäfer (Xyleborus germanus).

Juwelenkäfer: In Deutschland weitverbreitet und häufig ist der Glänzende Blütenprachtkäfer (Anthaxia nitidula). Die fünf bis sieben Millimeter großen Käfer sind eifrige Blütenbesucher. Bei den Männchen sind Kopf und Halsschild grün, bei den Weibchen goldgrün oder messingfarben (Abb. 1). Das Vorkommen des Kirschbaum-Prachtkäfers (Anthaxia candens) ist in Deutschland auf die südlichen Landesteile beschränkt, da er Wärmegebiete bevorzugt (Abb. 2). Die Larven ernähren sich zwischen Bast- und Splintholz, die Entwicklungsdauer beträgt meist drei Jahre. Weitere Arten kommen nur in Teilen Deutschlands vor.

Ameisen: Auf vielen Prunus-Arten sind Ameisen quasi Stammgäste. Sie werden häufig dabei beobachtet, wie sie an den Nektardrüsen – den Nektarien am Blattstiel und auf den Zähnen des Blattrandes – Nektar aufnehmen (Abb. 3). Es wird eine wechselseitige Beziehung angenommen. Als Gegenleistung für die zuckerreiche Nahrung schützen die Ameisen die Pflanze vor blattfressenden Insekten, beispielsweise deren Raupen. Vor kurzem konnte gezeigt werden, dass die Vogelkirsche umso mehr extraflorale Nektarien bildet, je stärker die Blätter eines Baumes aufgrund von Fraß geschädigt sind.

Kirschessigfliege: Die in Asien heimische Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) wurde in Europa erstmals 2009 entdeckt. Sie befällt alle Obstarten mit weichem Fruchtfleisch sowie Weinreben und wird in befallenen Früchten verbreitet. Die größte Gefahr geht von der hohen Vermehrungsrate aus (bis zu 13 Generationen pro Jahr). Die Weibchen legen die Eier in das Fruchtfleisch, wo die Larven sofort ausreichend Nahrung finden. Die Art könnte zu großen Problemen im Obst- und Weinbau führen und ist daher meldepflichtig.

Vogelkirsche und Vogelwelt

Die meisten hochwüchsigen mitteleuropäischen Baumarten verlassen sich bei der Verbreitung ihrer Samen auf den Wind. Nur wenige produzieren schwere Früchte, die von Tieren verbreitet werden, z.B. Eiche, Buche oder Zirbe. Bei den niedrigwüchsigeren Baumarten und Sträuchern ist das anders. 135 von 186 europäischen Gehölzarten werden von Vögeln (Ornithochorie) verbreitet. Die Vögel erhalten Nahrung, mit dem Kot werden die keimfähigen Samen wieder ausgeschieden.

Den Begriff Ornitochorie kann man nochmals unterteilen in

  • echte fruchtfressende Vogelarten oder Verbreiter von Gehölzsamen,
  • Vogelarten, die den Samen aber nicht das Fruchtfleisch fressen (Samenräuber) und
  • Vogelarten, die das Fruchtfleisch fressen, ohne die Samen zu verbreiten (Fruchtfleischräuber).

Nur die echten fruchtfressenden Vogelarten, die den Samen wieder unverdaut ausscheiden, und die Verbreiter tragen zur Ausbreitung von Gehölzarten bei.

Ein typischer Samenräuber ist der Kernbeißer(Coccothraustes coccothraustes). Unser größter einheimischer Finkenvogel hat es nicht auf das Fruchtfleisch, sondern auf den eigentlichen Kern der Kirschenfrucht abgesehen (Abb. 4). Er ist einer der bekanntesten Nutznießer der Vogelkirsche und wird deswegen auch häufig Kirschkernbeißer genannt. Sein Schnabel ist im Winter horngelb oder perlmuttfarben, während der übrigen Zeit des Jahres meist stahlblau oder bleigrau. Im Wald ist er sehr leicht zu übersehen, da er sehr scheu und versteckt lebt. Er liebt neben den Kernen von Kirschen und Pflaumen besonders die Samen der Hainbuche. Beim Brechen von Kirschkernen muss der Kernbeißer im Schnabel eine Kraft von 27 bis 43 Kilogramm aufbringen.

Daneben werden die Kirschen von zahlreichen anderen Vogelarten aufgenommen. Dazu gehören beispielsweise der Pirol (Oriolus oriolus), die Elster (Pica pica), der Eichelhäher (Garrulus glandarius), die Kohlmeise (Parus major), die Blaumeise (Cyanistes caeruleus), der Kleiber (Sitta europaea), Mistel- und Singdrossel (Turdus viscivorus und T. philomelos), die Amsel (Turdus merula), der Star (Sturnus vulgaris) (Abb. 5), Mönchs- und Gartengrasmücke (Sylvia atricapilla und S.borin) sowie die Ringeltaube (Columba palumbus).

Insgesamt begünstigen folgende Fruchteigenschaften die Ausbreitung:

  • Essbarer äußerer Teil (Fruchtfleisch)
  • Mittlere bis geringe Größe
  • Signalfarbe bei der Reife (rot oder blauschwarz)
  • Schutz des Embryos gegen die Verdauung (harte Samenschale)

Die Transportweiten bei der Verbreitung durch Vögel sind erstaunlich gering. Der hauptsächliche Eintrag verdauter Samen beschränkt sich auf einen Umkreis von 50 Metern um die Mutterpflanze. Größere Vögel erreichen weitere Distanzen als kleinere. Beispielsweise sollen Ringeltaube, Eichelhäher oder Pirol gerade die Vogelkirsche über Entfernungen von mehr als einem Kilometer verbreiten.

Pilze an der Kirsche

Wie jede Baumart braucht auch die Vogelkirsche verschiedene Pilze, die sie bei der Wasser- und Nährstoffaufnahme unterstützen. Diese bilden als Endomykorrhizen allerdings nur äußerst kleine Fruchtkörper im Boden, so dass der Mensch sie nicht wahrnehmen kann. Daneben gibt es zahlreiche Schädlinge.

Blattpilze: Im Laufe des Jahres treten an der Kirsche zwei Blattpilze mit auffälligen Symptomen auf. Die Schrotschusskrankheit (Clasterosporium carpophilum, Syn. Stigmina carpophila) ruft zunächst kleine, rötliche Flecken auf den Blättern hervor, die sich bald braun verfärben. Später lösen sich diese bis zu zwei Millimeter großen Blattflecken aus den Blättern heraus. Dadurch sehen die Blätter aus, als ob jemand mit Schrot darauf geschossen hätte. Der Baum kann bereits Ende Juni / Anfang Juli die Blätter abwerfen. Bei der Sprühfleckenkrankheit (Blumeriella jaapi, Nebenfruchtform Cylindrosporium padi) bilden sich auf den Blätter zahlreiche kleine, violette Flecken, die sich ausbreiten und ineinander überlaufen. Schließlich fallen die Blätter ab. Beide Erreger treten insbesondere nach feuchten Frühjahren vermehrt auf, da die Sporen über Wind und Wassertropfen verbreitet werden. Vitalen Kirschen im Waldbestand überstehen den Befall in der Regel ohne größere Probleme, in Obstanlagen kann es zu Ertragseinbußen kommen. Gelbe und braune Blattflecken weisen auf die Apiognomonia-Blattbräune (Apiognomonia erythrostoma) hin. Die Blätter sterben ab, bleiben aber meistens über den Winter am Baum hängen, von wo der Pilz leicht wieder die neuen Maiaustriebe befallen kann.

Triebe und Früchte: Pilze der Gattung Monilia (Spitzendürre M. laxa und Fruchtfäule M. fructigena) können die Triebe und Früchte der Kirsche befallen. Bei der Spitzendürre verbraunen und verdorren die Triebe schon kurze Zeit nach der Blüte. Bei der Fruchtfäule bilden sich gelbgraue Sporenlager auf der Fruchthülle. Die Früchte bleiben häufig an den Trieben und bilden im Folgejahr den Ausgangspunkt für einen neuen Befall. Um den Befall auszuschließen ist eine einseitige Stickstoffdüngung zu vermeiden. Die freiliegende Fruchtschicht aufgeplatzter Kirschen wird oft von Schimmelpilzen besiedelt. So auch die Grauschimmelfäule (Botrytis cinerea), ein Universalist, der an zahlreichen Baum- und Straucharten zu finden ist.

Rinde und Kambium: Pilze der Gattung Nectria (N. ditissima oder N. gallica) verursachen typisch rhombusförmige Nekrosen, insbesondere um alte Astwunden. Am Stammfuß von Kirschbäumen können sich Zellulosepilze ansiedeln. Pilze der Gattung Phythophthora infizieren bevorzugt zunächst vom Boden aus die Wurzel und breiten sich dann im Kambium bis in den Stamm aus. Auch verschiedene Hallimascharten (Armillaria sp.) könne sich im Kambium der Kirschbäume etablieren und einen raschen Tod der Bäume herbeiführen. Hexenbesen kommen auch an Kirschbäumen vereinzelt vor. Sie werden meistens von einem sehr urtümlichen Schlauchpilz mit freien Sporenschläuchen, Taphrina cerasi, gebildet. Insbesondere an besonnten Standorten ist der Gemeine Spaltblättling (Schizophyllum commune) an Verletzungen der Rinde zu beobachten. Aus der Gruppe der Rindenpilze erscheinen der Violette Schichtpilz (Chondrostereum purpureum) und der Kreisförmige Reibeisenpilz (Hyphoderma radula) regelmäßig.

Holz: Neben wenigen Spezialisten an der Gattung Prunus wie dem Pflaumenfeuerschwamm (Phellinus tuberculosus) (Abb. 6) findet man in erster Linie die typischen Universalisten der Laubholzzersetzung an Kirsche. Unter den Braunfäuleerregern sind das der Schwefelporling (Laetiporus sulphureus) (Abb. 7), der Zaunblättling (Gloeophyllum sepiarium) und der Rotrandige Baumschwamm (Fomitopsis pinicola) (Abb. 8). Von den Weißfäuleerregern treten insbesondere die Trameten (Schmetterlingstramete Trametes versicolor, Zonentramete T. multicolor, Striegelige Tramete T. hirsuta und Buckeltramete T. gibbosa), der Angebrannte Rauchporling (Bjerkandera adusta), der Geschuppte Porling (Polyporus squamosus), die Rötende Tramete (Daedaleopsis confragosa) (Abb. 9) einschließlich der Dreifarbigen Tramete (D. confragosa var. tricolor) sowie der Zinnoberschwamm (Pycnoporus cinnabarinus) regelmäßig an der Kirsche auf. Viele von ihnen sind bereits am stehenden Stamm noch lebender Kirschen zu beobachten. Zu einem späteren Zeitpunkt der Zersetzung kommen noch der Flache Lackporling (Ganoderma lipsiense) und der Winterporling (Polyporus brumalis) hinzu. Dünne Zweige besiedelt häufig der Rotpustelpilz Nectria cinnabarina als erster Zersetzer.

Merkblatt

Diese und weitere Krankheiten und Schädlinge finden Sie auch in dem Merkblatt der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) "Süß- und Sauerkrischen Krankheiten und Schädlinge". Es informiert über die wichtigsten Krankheiten bzw. Schadorganismen der Kirschbäume, ihre Ursachen und Bedeutung sowie über Bekämpfungsmöglichkeiten.

Originalartikel

Artikel aus der LWF Wissen 65: