Jahrzehnte nach dem ersten Auftreten der aggressivsten Form des Ulmensterbens (Ceratocystis ulmi, ein Gefäßpilz) sind von den drei heimischen Ulmenarten nur noch die Berg- und Feldulme sporadisch in Nischenvorkommen zu finden. Geblieben ist uns in nennenswertem Umfang die Flatterulme (Ulmus laevis). Diese wird heute unter vielen Aspekten deutlich anders gesehen als noch vor ein paar Jahrzehnten. Das hat einleuchtende Gründe.

Die Flatterulme zeigt im Laborversuch zwar eine ebenso hohe Anfälligkeit gegen den pilzlichen Krankheitserreger wie die beiden anderen heimischen Ulmenarten, im Wald ist das aber anders, der Wissenschaftler spricht von "Feldresistenz". Ursächlich ist wahrscheinlich, dass die Flatterulme vom Überträger des Ulmensterbens, dem Ulmensplintkäfer, seltener angeflogen wird. Obwohl der Baum insgesamt in unseren Wäldern sehr selten ist (Vorkommen bestenfalls im unteren Promillebereich), hält er verbreitet bis ins hohe Alter von deutlich über 100 Jahren durch und verjüngt sich regelmäßig durch Naturverjüngung aus Samen oder Wurzelbrut. Biologisch repräsentiert er als deren letzter Vertreter die Gattung der Ulmen und leistet so einen Beitrag zur Erhaltung der Biodiversität unserer Wälder. Unter Naturschützern gilt er deshalb schon lange als biologisch wertvolle und erhaltensnotwendige Art.

Auch aus der Sicht der Forstleute hat sich der Blick auf Ulmus laevis deutlich geändert, was unter anderem mit ihren Standortsansprüchen zusammenhängt: ist sie doch eine der wenigen Arten, die im Auewald mit sehr widrigen Standortsverhältnissen zu Recht kommt. Sie gilt als eine der resistentesten Arten gegen Überschwemmungen und starke Wechselfeuchte von Böden und besiedelt systematisch Standorte mit oberflächennahem Wasser. Damit trägt sie zur biologischen Stabilisierung gerade der Waldgesellschaften bei, aus denen uns zurzeit die Esche durch das Eschentriebsterben verloren geht. Selbst der wirtschaftliche Blick auf die Baumart hat sich geändert. Auf Laubholzverkaufsterminen in der Ortenau zum Beispiel hat sich in den letzten Jahren der Preis pro Festmeter von rund 50 Euro auf über 100 Euro pro Festmeter mehr als verdoppelt, für gute Lose werden vereinzelt Spitzenpreise bis 200 Euro erzielt. Zwar gilt Flatterulmenholz nach wie vor als schwer zu verarbeiten, aber Ulmenholz jeder Art (gehandelt und bekannt als "Rüster") ist inzwischen rar. "Maserholz", eine begehrte Varietät, soll bei der Flatterulme sogar häufiger vorkommen als bei der Bergulme.

Ästhetisch ist der Baum eine Besonderheit. Bäume mit über einem Meter Stammdurchmesser und um die 40 Meter Höhe (Abb. 2) kommen auf Optimalstandorten vor, Dimensionen wie man sie sonst fast nur bei Alteichen und Pappeln findet. Enorme brettwurzelartige Stammanläufe geben dem älteren Baum regelmäßig eine bizarre Optik, wie man sie eigentlich nur in tropischen Sumpfwäldern erwarten würde Abb. 3). Alles in allem finden sich somit viele Gründe zur Erhaltung der Flatterulmen, was in der Praxis derzeit auch geschieht. Vermehren lässt sich der oft üppig fruchtende Baum sehr gut. Welche andere Baumart sonst liefert auch schon im Herbst des Saatguterntejahres verwendbare Pflanzen? Erntebestände zur Erhaltung und Vermehrung autochthoner Herkünfte sind ausgewählt und das daraus gewonnene Pflanzgut findet oft Verwendung in den Mischbeständen, der durch das Eschentriebsterben frei gewordenen Flächen. Zusammen mit der gezielten Erhaltung alter Bäume bei der Bewirtschaftung sollte es so gelingen, die Zukunft der sympathisch-eigenwilligen Baumraritäten zu sichern.