Ein Fallbeispiel 60-jähriger Wildbachsperren

Holz ist ein wertvoller Werkstoff für Verbaumassnahmen in Wildbachgerinnen. Durch biologische Abbauprozesse wird jedoch seine Festigkeit im Laufe der Zeit vermindert. In einer Fallstudie haben Wissenschafter die Rundhölzer von drei um 1940 gebauten Wildbachsperren am Verbauungsort untersucht, indem sie die Sperren auf Biegung bis zum Bruch belasteten. Zwei Drittel der geprüften Rundhölzer wiesen 60 Jahre nach dem Einbau immer noch ein höheres Bruchmoment auf, als bei der Bemessung vorausgesetzt wird.

Holz hat als Werkstoff im Wildbachverbau eine lange Tradition. Es wird heute hauptsächlich für Werke in kleineren Gerinnen mit geringer Geschiebeführung eingesetzt. Gegenüber anderen Baustoffen wie Beton oder Stahl bietet Holz verschiedene Vorteile.

Einerseits kann es meist in der Nähe des Verbauungsortes bereitgestellt werden, andererseits ist es relativ kostengünstig, einfach zu bearbeiten und weist bei geringem Gewicht eine hohe Festigkeit auf. Dadurch lässt sich Holz auch in wenig tragfähigen Böden als Baustoff verwenden, wo Betonsperren aufwendig fundiert werden müssen. Zudem sind Holzkonstruktionen im Vergleich zu Werken aus Beton gegenüber Deformationen bei Bodenbewegungen relativ unempfindlich, was bei instabilem Gelände ein entscheidender Vorteil sein kann.

Wie lange halten Wilbachsperren aus Holz?

Unbehandeltes Holz unterliegt im Freien dem natürlichen Abbau durch Pilze und andere Mikroorganismen. Holz mit ständigem Erd- und Wasserkontakt gilt als besonders gefährdet. Derartige Bedingungen sind jedoch für Holz als Werkstoff im Wildbachverbau typisch. Daraus ergibt sich die Frage, wie sich die Tragsicherheit der Sperren langfristig entwickelt.

Bisherige Untersuchungen zum Langzeitverhalten von Wildbachsperren basierten auf einer optischen Beurteilung der Funktionstauglichkeit und des Vermorschungsgrades der Bauwerke. Die aktuelle Holzfestigkeit der verbauten Rundhölzer blieb dabei eine unbekannte Grösse. Für die Tragsicherheit der Werke ist jedoch die Veränderung der Festigkeit des verbauten Holzes unter den spezifischen Bedingungen in Wildbachgerinnen von zentraler Bedeutung. Nur die Kenntnis dieser Entwicklung ermöglicht letztlich Aussagen über die langfristig zu erwartende Tragsicherheit von Holzkonstruktionen im Wildbachverbau.

Nachweis der Tragsicherheit

Wildbachsperren aus Holz sind grundsätzlich auf die gleichen Einwirkungen wie Bachsperren aus Stahlbeton zu bemessen. Der Nachweis der Tragsicherheit erfolgt dabei üblicherweise nach der Schweizerischen SIA Holzbaunorm. Die Bemessung des einzelnen Rundholzes basiert auf einer Leiteinwirkung, welche aus dem hydrostatischen Wasserdruck bei einem vollständigen Einstau der nicht hinterfüllten Sperre resultiert (Abb. 2a). Bei steiler Hinterfüllung (z.B. bei Runsensperren) muss man auch den Erddruck in die Berechnung einbeziehen.

Das statische System für ein verbautes Rundholz entspricht in erster Näherung einem einfachen Balken (Abb. 2b). Die ideellen Auflager werden in halber Einbindungstiefe angenommen. Aus diesem statischen Modell resultiert ein maximales Biegemoment Mmax = q·L2/8 in Balkenmitte, wobei q die aus dem hydrostatischen Wasserdruck resultierende Linienlast und L die Länge des Rundholzes zwischen den ideellen Auflagern ist.

Biegebruchversuch

Erste Biegebruchversuche an einer rund 60 Jahre alten Sperre ergaben relativ hohe Bruchwerte der verbauten Rundhölzer. Das Ziel einer grösser angelegten Untersuchung war, Anhaltspunkte über den Tragwiderstand von Rundhölzern zu erhalten, welche vor mehreren Jahrzehnten verbaut wurden.

Die Untersuchung wurde in einem vollständig beschatteten Gerinne am Westhang des Zimmerbergs durchgeführt (Gemeinde Hirzel, Kanton Zürich). Die einwandigen Wildbachsperren aus Fichten- und Tannenholz stammen gemäss Angaben des lokalen Forstdienstes aus den Jahren 1939 bis 1945. Der Forstdienst schätzte zum Zeitpunkt der Untersuchung im Herbst 2000 die ganze Verbauung als sanierungsbedürftig ein, und es war geplant, sie im Jahr 2001 zu ersetzen. Für die Untersuchung wählten die Wissenschafter drei Sperren auf rund 650 m ü.M. aus (Abb. 1).

Die Versuchsanordnung entsprach den oben dargestellten Modellvorstellungen. Zunächst trennten die Forscher die Verbindungsnägel zwischen den Rundhölzern durch, um die Bauteile ohne den Einfluss vertikaler Verbindungen prüfen zu können. Die Einwirkung auf jedes Rundholz wurde mit einem Drahtseil als Einzellast in der Mitte eingeleitet (Abb. 2c). Dadurch ergab sich - analog zum Bemessungsmodell - das maximale Feldmoment in Balkenmitte zu Mmax = Q·L/4. Die Länge L berechneten die Wissenschafter nach der Formel L = L’+1⁄2(T1+T2), wobei sie die sichtbare Länge L’ vor und die horizontalen Einbindetiefen T1 bzw. T2 nach dem Versuch massen (vgl. Abb. 2a). Mit einer traktorbetriebenen Seilwinde wurden die einzelnen Rundhölzer der Sperren auf Biegung bis zum Bruch belastet (Abb. 3).

Die Kraft Q wurde mit einer am Zugseil installierten Messdose in Intervallen von 0.25 Sekunden registriert und in einem Datenlogger gespeichert. Mit dieser Anordnung liessen sich sowohl der Kraftverlauf während der Belastung als auch die Bruchkraft Qu (Maximalkraft) ermitteln. Von jedem Rundholz wurde nach dem Versuch der Durchmesser in der Mitte (an der Stelle L’/2) und die Anzahl der Bruchstellen festgehalten. Die Forscher versuchten, durch Beobachtung die Reihenfolge der Brüche festzuhalten. Diese folgten jedoch zeitlich so nahe aufeinander, dass sie sich nicht unterscheiden liessen.

Resultate

Insgesamt wurden vierzehn Rundhölzer geprüft. Es kamen sieben Rundhölzer von der ersten, vier von der zweiten und drei von der dritten Sperre zur Auswertung. Elf Rundhölzer brachen während der Krafteinleitung sowohl in der Mitte als auch im Bereich der beiden Einbindungen, zwei brachen in der Mitte und an einer Einbindung und eines wies nur in der Mitte eine Bruchstelle auf.

Die Feldversuche ergaben, dass der Median der Bruchmomente Mu der Rundhölzer von etwa 60-jährigen Wildbachsperren um einen Faktor 1.2 über dem rechnerischen Grenzwert des Biegewiderstands MR lag. In der Literatur wird Fichten- und Tannenholz generell als wenig dauerhaft eingestuft und bei Holz in Erd- und Wasserkontakt von einer besonders kurzen Lebensdauer ausgegangen. Die ermittelten Bruchmomente weisen jedoch darauf hin, dass zumindest bei den untersuchten Objekten auch nach mehreren Jahrzehnten noch von einer genügenden Holzfestigkeit ausgegangen werden kann. Bei der Interpretation dieses Resultates ist zu berücksichtigen, dass die durchgeführten Versuche nicht in jeder Hinsicht den bei einer Bemessung verwendeten Modellvorstellungen entsprachen. Die folgende Liste enthält einige Aspekte, die die Versuchsergebnisse beeinflussen können:

  • Probenmaterial
  • Statisches System
  • Versuchsanordnung
  • Ansatz der Auswertung

Die genauen Ergebnisse finden Sie im Originalartikel (PDF).

Schlussfolgerungen

Die Frage nach der langfristigen Sicherheit stellt sich nicht nur im Falle von Wildbachsperren aus Holz. Bei allen Schutzbauwerken gegen Naturgefahren können sich sowohl die Einwirkungen als auch die Eigenschaften der Tragwerke verändern. Im vorliegenden Fall waren die Biegewiderstände Mu (unter Bruchlast) von zwei Dritteln der verwendeten Rundhölzer nach 60 Jahren noch grösser als der für den Vergleich vorausgesetzte rechnerische Grenzwert des Biegewiderstands MR ("rechnerisches Biegebruchmoment"). Gegenüber dem zulässigen Biegemoment Mzul nach Norm SIA 164 (1992) bzw. SIA 265 (2003) erfüllten alle Bauteile trotz ihrem Einsatz über Jahrzehnte unter den typischen wechselfeuchten Bedingungen im Wildbachverbau die geforderte Tragwirkung.

Nicht vergessen darf man jedoch, dass die Lebensdauer einer Wildbachsperre aus Holz noch von anderen Prozessen als dem biologischen Abbau des Werkstoffes abhängt. Erwähnt seien hier mechanische Beschädigung durch Geschiebe, Murgänge oder Geländeverschiebungen. Geht man davon aus, dass Holzsperren nach etwa 40 Jahren saniert werden müssen, so erscheint eine Bemessung nach der Norm SIA 164 (1992) bzw. SIA 265 (2003) zumindest nach den vorliegenden Ergebnissen geeignet, die Tragsicherheit der Bauteile ausreichend lange zu gewährleisten.

Die Ergebnisse der vorliegenden Fallstudie müssen durch weitere Versuche bestätigt werden. Insbesondere interessieren auch Sperren in Gerinnen mit weniger günstigen Bedingungen, z.B. mit starker Besonnung und/oder nur temporärer Wasserführung.

Literatur

(TR)